Wallinka hat geschrieben: ↑Do 5. Jan 2023, 17:18
Angela, wenn das ein Dauerzustand ist, dann würde ich mir auch wieder Gedanken machen. Aber wenn so was manchmal auftritt?
Ich glaube, genau diese Frage spiegelt ein wenig unsere Zeit. Wir haben den Ehrgeiz und den Anspruch, dass unsere Fellnasen bis zu ihrem seligen Ende absolut schmerz- und beschwerdefrei laufen. Sobald wir etwas sehen oder bemerken oder glauben etwas zu sehen, werden wir aktiv. Überlegen, was wo nicht stimmen könnte, welcher Therapieansatz jetzt der richtige wäre, wo wir es über- oder auch unterfordert haben und das Problem deshalb aufgetreten ist. Wenn ein Pferd die Mitarbeit verweigert oder nur nach langen Überredungsaktionen (oder auch mal deutlichem Druck) ausführt, MUSS einfach immer ein Grund vorliegen und den müssen wir finden, sonst geht es uns nicht gut (ich verallgemeinere hier mal sehr platt
)
Also ich weiß ja nicht, wie ihr aufgestellt seid, aber es gibt Tage, da stehe ich mit einer Laune auf, die sucht seinesgleichen. Es gibt dafür keinen Grund, mir hat niemand etwas getan, ich habe gut geschlafen und trotzdem stehe ich morgens auf und mupfel vor mich hin und kann mich für nichts begeistern. Genauso oft stehe ich früh auf und habe eine super gute Laune, auch dafür gibt es keinen erkennbaren Grund. Was mache ich dann? Nix! Ich nehme mich einfach so wie ich bin (meine Familie zum Glück auch
) und irgendwann habe ich mich wieder auf dem normalen Level eingependelt. Ich bin mir sehr sicher, dass das bei Pferden auch so ist. Manchmal hatte der Schinken eine Laune, da habe ich mich dann freundlich empfohlen, mit dem wäre an solchen Tagen nichts anzufangen gewesen aber mind. an genauso vielen Tagen kam er im Galopp nach vorne und wollte etwas tun. Egal was, aber bitte sofort *hibbel* . Der Traber war da deutlich gemäßigter, aber der war auch vom Typ her völlig anders mit einer nicht so schönen Kindheit, das hat ihn geprägt.
Es gibt nicht wenige, die wollen nicht merken, wenn das Pferd überfordert ist oder vielleicht mal nicht gut drauf. Das Teil hat zu funktionieren, Ende. Dann gibt es Leute, die auf jede noch so kleine Bewegung achten und sofort alles stoppen, wenn eine davon nicht ganz sauber ist. Beide Varianten halte ich für falsch
.
Noch mal die Nummer mit meiner RB, der es jetzt nicht so super angenehm fand, dass ich auf seine Simulation bzgl. freies Genick nicht eingegangen bin. Na klar hat der sich dazu geäußert, indem er versucht hat, dem zu entkommen. Aber nicht, weil ich ihm weh getan habe, sondern weil es einfach mal unbequem war. Musste er so noch nie, bisher hat immer das Schauspiel gereicht, warum sollte er für eine Fremde das jetzt ändern? Die Kunst ist, dass man sie immer ein wenig aus ihrer Wohlfühlzone herausholt und manchmal muss man auch einfach ein wenig dran bleiben, um eine Verbesserung zu erreichen. Wichtig für mich ist, dass ich merke, ob die Übung nun Schmerz hervorruft (der aber manchmal auch tatsächlich sein muss, um einen normalen Bewegungsablauf wieder herzustellen) oder ob er von der Psyche mit der Übung ein Problem hat oder ob er sich einfach nur den bequemen Weg sichern will. In diesem Fall war er sofort von allem befreit, wenn ich das "Schnackeln" des freien Genicks gefühlt habe.
Ich habe ganz oft bei Therapien von den Kunden gesagt bekommen, dass sie die eine oder andere Sache jetzt auch nicht so toll fanden, aber der Trainer wollte das eben. Mein Rat an dieser Stelle ist immer: meldet Dein Bauch irgend etwas, auch wenn Du es nicht konkret greifen kannst, dann ist das, was da gerade läuft, nicht richtig und gehört beendet. Aber wir müssen auch lernen, dass wir einfach mal großzügig sind. Großzügig in Form von Akzeptanz. Heute ist das eben so (ich gehe jetzt davon aus, das Pferd steht korrekt auf allen vier Beinen und kein Blut rauscht zu Boden...) und ich nehme es einfach mal an. Morgen wird es besser, oder wir machen einfach mal etwas anderes.
Für sehr schädlich halte ich allerdings, wenn man z.B. eine Angstsituation hat (das Pferd will da absolut nicht dran vorbei) und dem einfach so nachgibt. Das führt einzig nur dazu, dass der Aktionsradius Stück für Stück eingeengt wird, bis man irgendwann nicht mehr vom Auslauf kommt. Da hilft aber auch nicht die Methode, Augen zu und durch, sondern da öffnet man die Welt der kleinen Schritte und hört sofort auf, wenn man einen Zentimeter der Wohlfühlzone überschritten hat. Beim nächsten mal geht vielleicht ein weiterer Zentimeter usw. . Dazu gehört Geduld, die hat leider nicht jeder und wenn dann noch der Gruppenzwang dazu kommt, macht man schnell Dinge, die man so vielleicht nicht machen würde. Als ich mit dem Zwerg angefangen habe zu arbeiten, wollte der alles, aber nicht auf den Weg Richtung Hof. Der hatte Angst, echte schreckliche Angst, weil jedes mal wenn er zuvor den Weg lang gelaufen ist, am Ende keine tollen Sachen auf ihn gewartet haben. Den Tag, wo ich diese "Trainerin" beobachten konnte (da hat die schon 2Monate an Ernie ihr Unwesen getrieben), zog sie vorne am Strick und ein Mädel lief mit einer Pitsch hinterher und gab ihm saures, damit er vorwärts lief. Im Roundpen hat man ihn dann zu zweit in Bewegung gehalten, Lob gab es gar nicht. Danach habe ich mich mit dieser Person unterhalten und Ernie hat ca. 20 mal eine übergezogen bekommen, weil er nicht still stehen wollte. Ich hätte die Alte würgen können und habe dann auch dafür gesorgt, dass das ihr letzter Auftritt in unserem Stall war. Die war ein Paradebeispiel dafür, wie es ist, wenn man sämtliche Signale vom Pferd nicht sehen will
.
Genauso habe ich auf dem Hof aber beobachten können, wie zu sehr darauf geachtet wurde, was das Pferd gerade zeigt, die kam max. bis auf den Reitplatz, an Arbeit brauchte die nicht zu denken. Sobald die auch nur ansatzweise etwas wollte, hat Frau Pferd mit einem eleganten Kopfschlenkern alles beendet. Keine Ahnung, ob die aus der Nummer rausgekommen sind, ich sehe die ja nicht mehr.