Ich stimme meinen Vorrednern zu, wir gucken oft zu genau
und wir machen oft zu wenig
. Das Problem ist, wenn ich jetzt mal nur für mich rede, ich komme aus der Nummer nicht mehr raus. Obwohl ich für mich schon behaupte, dass ich jetzt nicht jedes Wehwechen intensiv begucke und dann einen Masterplan erstelle, um das alles wieder rückgängig zu machen (was meistens eh gar nicht geht). Meine Pferde müssen auch mit manchen Dingen leben, weil ich es eben nicht optimieren kann und manchmal auch nicht will
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Zeitlich schaffe ich nicht mehr, wie ich jetzt bringe. Das ist nun mal so und wird sich - sofern ich nicht reich erbe oder im Lotto gewinne -auch bis zu meinem seligen Ende so bleiben
. Ich habe zwei Pferde mit unterschiedlichen Grunderkrankungen, die mal mehr und mal weniger unser aller Dasein belasten, die aber trotzdem mopsfidel und glücklich sind.
Ich gebe zu, dass ich auch einfach mal nicht bereit bin, jeden Preis zu zahlen. Das bedeutet im Detail: ja, vielleicht bekommt der Traber Koliken, weil er auf die Wiese geht. Im Schnitt eine Kolik pro Jahr, in sehr schlimmen Zeiten hatte er auch mehrere. Dagegen steht seine ausgeglichene Psyche und mind. 362 bis 364 wunderbare Tage auf der Weide mit kontinuierlicher Bewegung dank Halmsuche. Er hat auch schon im Winter eine Kolik bekommen, man darf grübeln, warum, wenn evtl. die Weide die Ursache dafür sein soll. Wir leben damit und wir werden es so beibehalten, bis sein Ende da ist. Auf unseren Weide haben früher Kühe ihr Dasein bewältigt. Das ist so und nicht mehr zu ändern. Im Laufe der Jahre hat sich aber bei uns schon eine Menge getan, viele Kräuter haben sich angesiedelt und verdrängt das, was wir nicht wollen. Vielleicht stirbt er ein paar Jahre früher, vielleicht auch nicht. Wir werden das nicht wissen. Dass meine Ex-Besi durch unsachgemäße Fütterung seine Leber geschrottet hat ist dem Umstand zu schulden, dass ich genau da nicht genau hingesehen habe, sondern darauf vertraut habe, dass ein SB schon weiß, was er macht. Passiert mir nicht noch mal. Wir leben damit und ich denke, es geht ihm im Grunde gut. Ich unterstütze die Leber so gut ich kann, mehr ist nicht drin, aber ich kann die Tatsache auch nicht totschweigen und so tun, als ob es das Problem nicht gibt. Seine Spätfolgen durch den Rennbahnunfall haben wir nun mal, dafür bekommt er etwas, was ihm sehr gut hilft. Mit dem Alter potenzieren sich alle Probleme, weggucken ist keine Option. Wir leben mit all dem.
Der Schinken ist ein Rehepferd auf Grund von Übergewicht. Das Übergewicht begründet sich auf eine Stoffwechselerkrankung, die ich nicht mehr begradigt bekomme. Am Anfang habe ich es nicht gesehen oder wollte es nicht sehen, er war eben fett, war er aber schon immer. Er war immer auf fetten Weiden, er hat immer sehr zuckerhaltiges Müsli bekommen. Mit Übergabe an mich, hat sein Körper dann gesagt: jetzt melde ich mal Konkurs an. Vorher war er nie krank
. Ich habe sehr viel verändert, angefangen von seinem Futter bis hin zur Weidehaltung. Es war eine schwere Zeit, die uns beide wirklich unglücklich gemacht hat, da mussten wir aber leider durch. Jetzt habe ich endlich eine Haltungsform für ihn gefunden, wo er zumindest zu 80% glücklich ist, seine Wiese fehlt ihm aber doch sehr. Seine Erkrankung bleibt uns aber erhalten und begleitet uns täglich, das ist so, das können wir nicht ändern und es wäre auch nicht anders, wenn ich ihn damals sofort von der Weide genommen hätte. Der Grundstein für seine Erkrankung war da schon viele Jahre gelegt. Wir leben damit. Ich gucke bei ihm sehr genau hin und es belastet mich, aber nicht hingucken belastet mich auch und es würde auch verhindern, dass ich - trotz absolutem Weideverbot und Bewegung - die Anzeichen für den nächsten Reheschub übersehe. Aber wir überfokussieren sein Problem nicht. Er ist ein normales Pferd und wird auch so behandelt.
Ich lese immer wieder von den Vergleichen früher war das nicht so... Früher hatten wir Plumpsklo und die Säuglingssterblichkeitssrate war ungleich höher als heute, früher war jemand mit 80 eine Sensation, heute fangen wir mit der Bewunderung bei 100 an.... Früher waren Pferde - außer für die Oberschicht - ausschließlich für die Arbeit da. Sie mussten funktionieren um das Überleben zu sichern, konnten sie das nicht mehr, mussten sie gehen und dienten danach noch als Nahrung für den Menschen. Das war so und es war zu der Zeit auch richtig. Heute sind Pferde - bis auf sehr wenige Ausnahmen - Hobby. Ein Hobby pflegt man, ein Hobby hegt man und es dient zur Bespaßung in der Freizeit. Manche haben irgendwann kein Interesse mehr an dem Hobby, oder das Interesse ist sehr mäßig und entsprechend wird sich gekümmert. Die Pferde leben auch (irgendwie), sind offensichtlich nie krank (oder man sieht es nicht) und irgendwann sind auch sie tot. Ob sie jetzt länger gelebt hätten, keiner kann diese Frage beantworten. Ein Pferd zu verkaufen, weil es zu alt ist oder vielleicht die eine oder andere Übung nicht mehr kann, kann man gut finden, muss man aber nicht. Jeder ist halt anders, ich könnte das nicht
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Meine Pferde sind mein Hobby, so hat es zumindest mal angefangen und auch ich wünsche mit täglich meine Blödheit aus den Anfängen zurück, da habe ich es nämlich tatsächlich als Hobby wahrgenommen. Heute sind das meine Freunde, meine Partner, ich bin für sie bis ins Detail verantwortlich, sie können sich nicht selber helfen. Diese Verantwortung drückt mich an manchen Tagen zu Boden. Das macht es mir auch sehr schwer, den richtigen Mittelweg zu finden zwischen den Erkrankungen und der Möglichkeit für uns alle, ein "normales" Leben zu führen und sie zu "nutzen" und eben nicht auf jedes Zipperlein zu starren aber dabei auch nicht weggucken, wenn das eine Zipperlein das ist, was an dem Tag zu einem großen Problem wird.
Schwierig, komme hiermit auf meine Idee mit den Briefmarken zurück