Ich kann Deine Gedanken sehr gut nachvollziehen, aber trotz allem sehe ich das noch ein wenig anders.
Es ist schlimm, wenn man ein Tier hat, was gesund war und durch Zu- und Umstände oder auch, weil die Genetik es schon vor der Geburt so festgelegt hat, auf einmal krank wird. Man versucht alles, man hofft, man leidet mit, man will es einfach nicht akzeptieren. Mein Barney hatte an seinem Todestag den Wert eines gehobenen neuen Kleinwagens. Einfach, weil ich nie aufgegeben habe. Aber ich konnte doch akzeptieren, dass es nun mal nicht zu ändern war und - das war dann auch der ausschlaggebende Grund, warum ich das über 12 Jahre gemacht habe - er hatte eine Lebensfreude, die war einfach nur ansteckend. Seine Behinderung war für ihn nicht mal im Ansatz ein Grund, keinen Spaß am Leben zu haben. Ja, er hatte sicherlich oft Schmerzen, er war anfälliger für Krankheiten, die auch ein gesunder Hund mal bekommt und dann einfach weg steckt, nur bei ihm war es immer gleich richtig schlimm. Ich weiß nicht, wie viele Tierärzte vor mir standen, mich mitleidig angeguckt haben und meinten, sie erlösen ihn jetzt gleich. Die Versuchung war jedesmal nicht gerade klein, so ein kranker Hund belastet ungemein und er belastet die gesamte Familie, weil normales Händling nicht möglich ist. Dann habe ich ihn angeguckt und er hatte so einen Blick, der mir jedesmal gesagt hat: hör nicht auf die, die haben keine Ahnung. Ich schaffe das, ich lebe gerne und er hat diesen Blick jedesmal durch Taten wahr werden lassen.
Anders ist es, wenn ich ein Tier schon krank kennen lerne. Da habe ich die Wahl mich wieder weg zu drehen und zu sagen: nein, das will ich nicht, das ist nicht meine Baustelle. Das ist ein völlig legales Verhalten und soll zu keinem Zeitpunkt verurteilt werden. Aber ein Kennenlernen in dieser Phase des Lebens eröffnet auch die Chance, dass man die Krankheit und/oder Behinderung anders sehen kann. Man weiß es einfach und man hat das Tier genau so kennen gelernt und vielleicht schon ein wenig lieb gewonnen, man hat keine andere Erinnerung daran. Das macht es leichter, sich nicht in sinnfreie Hoffnungswelten zu stürzen, sondern man kann von Anfang an akzeptieren, dass das Ende nicht in unendlich weiter Ferne liegt. Es gibt einem die Möglichkeit, sich viel intensiver über jeden Moment, den man haben darf, zu freuen. So wie Du die Maus beschreibst, scheint sie eine Seelenverwandte von meinem Barney zu sein. Sie lebt gerne, sie genießt ihr Leben und sie läßt sich durch so eine doofe Hüfte nicht davon abbringen, das Leben schön zu finden. Dieses Wissen läßt einem aber auch die Freiheit zu sagen, dass man eben nicht alles versucht, sondern ihr ein (Rest)Leben anbietet, das vielleicht nicht mehr 10 Jahre dauert und dass man - wenn es dann wirklich schlimm wird - enden läßt.
Mein Schinken bekam 3 Tage nachdem ich ihn übernommen habe, seinen ersten Reheschub. Die Vorbesi wollte ihn daraufhin zurücknehmen und überlegt laut, ob es nicht der richtige Zeitpunkt sei, es für ihn zu beenden. Das kam für mich nicht eine Sekunde in Frage und damit war klar, dass ich neben meinem Dauerkoliker den nächsten Patienten in meiner Truppe einreihe und dass es nicht leicht und schon gar nicht billig wird. Aber jeden Tag, den ich mit diesem einzigartigen Klopskopf verbringen darf, bestätigt meine damalige Entscheidung. Er wird sicherlich keine 30, aber wenn er nur 20 wird und bis zu dem Tag glücklich war, ist es das wert.