Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Moderator: Stjern

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Keshia
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von Keshia »

Suse, dann scheint es nichts besorgniserregendes zu sein? Das freut mich. :-)

Mir fällt dazu eine Situation aus meinem Studium ein. Meine Studien-Kollegin und ich hatten ein Referat in Entwicklungspsychologie gehalten, und über die Ergebnisse der Studien wurde dann im Seminar diskutiert. Hierbei habe ich etwas ganz entscheidendes gelernt. Es gibt Abweichungen von der Norm, die einen Namen bekommen. Und nun passiert es manchmal, daß diese Abweichungen mit Namen therapiert werden, obwohl sie evtl. gar keine oder nur sehr leichte Auswirkungen auf den Alltag haben - eben nur, weil sie einen Namen haben und somit zu einer Art "greifbaren Krankheit" werden. Schlüsselerlebnis war nach dieser Diskussion für mich meine Kommilitonin, die völlig entgeistert unseren Prof fragte: "Ja, muß man denn alles gleich therapieren?!"
Seine Antwort: "Ja."

Aus seinem Blickwinkel hat er auch sicher recht. Aus dem Blickwinkel der Forschung.
Für mich ist entscheidend, ob eine Therapie notwendig ist oder nicht, wie groß die Auswirkungen der "Krankheit" sind und wie groß dem entgegengesetzt die Therapie-Erfolgswahrscheinlichkeit und die möglichen Risiken von Nebenwirkungen sind. Aber um das wirklich abwägen zu können, braucht man oft einen Fachmann oder eigene Erfahrungen. Es wäre schön, wenn Ärzte so etwas mit bedenken können, den pragmatischen Blickwinkel einnehmen können. Einige hier scheinen solche Ärzte zu haben. :gut:
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Rennfisch
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von Rennfisch »

Gestern hab ich auch wieder mal gemerkt, dass ich sehr wohl zum überbesorgt sein neige, wenn es um Funky und seinen Bewegungsapparat geht. Wenn meine Trainerin denn recht hat. Mir ist aufgefallen, dass er trotz Osteo, Zähnen, Magnesium, BA und allem Pipapo, was ich zZt. tue, im schnellen Trab in der Schulter zu stocken anfängt. Erste Reaktion: Was ist denn jetzt schon wieder?! :why:

Meine Trainerin meinte, als ich ihr das gesagt hab, ganz leger: Könnte sein, dass er wenn zu schnell wird einfach auf die Vorhand fällt...?

Öhm... :shifty:
:aquarium2:
ehem User

Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von ehem User »

Keshia hat geschrieben:Für mich ist entscheidend, ob eine Therapie notwendig ist oder nicht, wie groß die Auswirkungen der "Krankheit" sind und wie groß dem entgegengesetzt die Therapie-Erfolgswahrscheinlichkeit und die möglichen Risiken von Nebenwirkungen sind. Aber um das wirklich abwägen zu können, braucht man oft einen Fachmann oder eigene Erfahrungen. Es wäre schön, wenn Ärzte so etwas mit bedenken können, den pragmatischen Blickwinkel einnehmen können. Einige hier scheinen solche Ärzte zu haben. :gut:
:gut: Beitrag!
Um noch einen draufzusetzen: Wenn ich keine Therapie anpeile, brauche ich auch keine Diagnose. Beispiel: Carlo hat seit einigen Monaten eine kleine Wucherung am Ohr. Warze, Sarkom, Tumor, wasweißich. Nach bewährtem Muster habe ich das Ding erstmal beobachtet, und da es nur minimal gewachsen ist, habe ich auch nichts unternommen. Der TA der wegen Zähne machen hier war, hat mal draufgeguckt, hat sich aber meiner abwartenden Haltung angeschlossen, er meinte, erfahrungsgemäß ist sowas schwer zu behandeln, vor allem am Ohr. Da hätte man jetzt auch eine Zellprobe nehmen und untersuchen können um eine Diagnose zu bekommen, was es genau ist, aber da ich es ob der minimalen Größe und da es nicht schnell gewachsen ist sowieso nicht behandeln wollte, war das eben auch nicht nötig oder sinnvoll.
Vor ein paar Tagen ist das Ding einfach abgefallen. Jetzt stelle man sich vor, ich hätte es behandelt. Zunächst vllt mit Schulmedis, wenn die nichts geholfen hätten mit Globulis und wenn die auch nichts geholfen hätten vllt mit Bioresonanz oder i-was anderem. Und dann fällt das Ding eben i-wann von alleine ab, zufällig nachdem ich mit Handauflegen geheilt habe, weil mir das in irgendeinem Forum als ultima Ratio gegen Ohrwarzen empfohlen wurde . Dann ist für alle klar: Die Schulmedis, Globulis, Bioresonanz, alles Mist, das Handauflegen, DAS war´s. So kommt es dann zu Therapieempfehlungen, wenn sie nicht empirisch evaluiert werden. Das die allermeisten Krankheiten auch von alleine wieder weg gehen, das merken viele vor lauter Behandlungswut garnicht mehr.
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b.e.a.s.t
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von b.e.a.s.t »

Reagierst du bei Carlo so abwartend weil er schon älter ist? Hättest du das bei deinen Youngstern auch so gemacht, evtl. Eine Sreuung eines Tumores bei einem 3jährigen in Kauf genommen? Ich finde das spielt auch eine Rolle.

Meine Oma ist 93 und Tablettensüchtig, sie schläft nur mit starken Schlaftabletten und ihre Pflegerin die täglich kommt, meinte sie müsse einen Entzug machen, das wäre schädlich so starke Tabletten zu nehmen :shock: ich hab ihr dann gesagt, ich würde das einer so alten Dame nicht antun, ob schädlich oder nicht, sie soll das so machen, wenn sie so schlafen kann...das meine ich mit altersabhängig...
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Purgatori
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von Purgatori »

Piebald: Sehr vernünftige Einstellung! So läuft es ja mit vielen Therapien ab. Man weiß am Schluss oft nicht, ob das nicht auch von selber weggegangen wäre. Das ist auch schwierig abzugrenzen. Deshalb behandel ich meine Patienten immer erstmal mit einem Medikament und schau dann nach, obs hilft, bevor ich das nächste nehme. Ich hab Kollegen, die ballern immer mit allem gleichzeitg und können den Erfolg dann gar nicht zuordnen.

Grad, wenn er jung ist, besteht doch eher weniger Grund zur Sorge. Krebs ist generell eine Erkrankung des Alters. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass er das so jung bekommt und wenn doch: dann hätte der Tumor sichtbar wachsen müssen (schließlich ist er ja scheints auch über Nacht erschienen) und solche Tumoren sind dann meist extrem aggressiv, so dass ein Therapieerfolg eh fraglich ist (Metastasenchirurgie beim Pferd erscheint mir etwas abwegig)

@b.e.a.s.t.: Das finde ich allerdings auch, dass eine 93-jährige Dame nehmen kann, was sie Lust hat. Ich z.B. werde mit 70 das Rauchen wieder anfangen. Ich freu mich schon drauf! :mrgreen:
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Hina_DK
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von Hina_DK »

Bei Pferden sind solche warzenähnlichen Tumore recht häufig (ca. 10 %). Das sind fast immer Sarkoide und die findet man besonders häufig im Alter um die 5 Jahre. Die metastasieren nicht, greifen auch keine inneren Organe an, es sind Hauttumore. Die haben nur die Angwohnheit, oft über Jahre nett klein zu bleiben und auf einmal explodieren sie. Oft ein Zeichen für ein angeknaxtes Immunsytem. Manchmal fallen sie aber auch wirklich einfach ab. Kommt zwar äußerst selten vor aber es passiert. Mein Jungspund hatte auch so eins an der Ganasche. War nicht groß, ein Plattensarkoid, sah aus, wie ein kleiner Schorf. Innerlich hatte ich auch erstmal auf Selbstheilung gehofft und eher was fürs Immunsytem getan. Hat nichts genutzt, eines Tages hatte es von gleich auf plötzlich einen Durchmesser von über 3 cm. Die TAs wollen da allerdings immer am liebsten dran rumschnippeln und darauf hatte ich wenig Lust, meldete mich im Sarkoid-Forum an und schmiere mit einer speziellen Salbe dagegen. Wir haben es fast geschafft. Trotzdem wird man das Pappiloma-Virus natürlich letztendlich nicht los und muss eben immer damit rechnen, dass sowas auch mal wiederkommt.
Viele Grüße
Hina

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ehem User

Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von ehem User »

@Purgatori: :lol: Sehr cool, ich mach mit! Da werde ich wieder Quarzen wie ein Schornstein!

Mein Fjord-Mix hat auch ein Sarkoid an der Schlauchtasche. Und so kleine Warzen drauf. Na und?! Das Ding ist jetzt etwas gewachsen, aber es bereitet ihm keine Schmerzen!
Und ich werde mich hüten, da jemanden dran zu lassen, oder das chirurgisch entfernen zu lassen. An der Stelle eh keine gute Idee und wenn es so groß ist, dass es hinderlich ist, Schmerzen verursacht oder ähnliches, dann bin ich eher dafür einen schnellen Tod in Kauf zu nehmen.
Chemo beim Pferd? Gibt es das überhaupt? Habe mich damit nie beschäftigt.

Ich persönlich denke, dass man das Leiden teilweise verlängert, weil der Mensch nicht loslassen kann! Auch wenn die Tiere noch jung sind. Ich würde keinem Tier eine Chemo oder ähnliches antun!
Auch in der Humanmedizin sehe ich da einigen Dingen sehr skeptisch entgegen. Auch dort wird der Mensch an sich teilweise vergessen und was seine Bedürfnisse und Wünsche sind!

Neulich hat der Hund gehumpelt, Kerl wollte gleich zur TÄ. :roll: Wozu denn, alle vier Beine waren noch dran, nichts heiß, dick oder frakturiert! Nach etwas Ruhe war alles vergessen.
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Hina_DK
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von Hina_DK »

Das ist doch kein bösartiger Krebs, der das Pferd umbringt und man nur nicht loslassen will. Und es bereitet auch keinerlei Schmerzen. Das einzige was ich tue ist, das mit einer Salbe aus Kanadischer Blutwurz zu behandeln. Das ist eine etwas zusammenziehende Salbe, die die Versorgungswege der Tumorzellen lahmlegt und das Immunsystem anregt, die kranken Zellen selbst abzustoßen. Dafür brauche ich auch keinen TA, keine OP und keine Chemo und es ist keine schmerzhafte Behandlung, es juckt nur etwas die ersten Minuten nach dem Auftragen. Ich will nur verhindern, dass es womöglich eines Tages anfängt so zu wuchern, dass ich gar noch vor die Entscheidung gestellt werde, das Pferd zu erlösen, weil das komplett außer Kontrolle geraten ist. Das passiert nicht oft aber im Sarkoidforum sind leider ein paar solcher Fälle und ehrlich, ich hätte diese Pferde dann auch erlöst. Aber so weit muss es ja nicht kommen.
Viele Grüße
Hina

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Purgatori
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Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von Purgatori »

Mit Schmieren kann man wirklich nix falsch machen. Sogar bei Cortison ;)
ehem User

Re: Sind wir zu extrem was die Pferde angeht?

Beitrag von ehem User »

Das war nicht speziell auf dich bezogen Hina_DK!!! :shock: Da hast du etwas falsch verstanden!

Im Allgemeinen lassen die meisten Menschen einfach nicht los. Auch wenn schon eigentlich nichts mehr geht. Eine Bekannte von mir ist das das Beste Beispiel. Hund mit Lungenkrebs, schon etwas älter. Mit OP, Chemo und was weiß ich nicht noch das Tier bearbeitet. Gebracht hat es nichts, außer das es dem Hund nicht besser ging und er offensichtlich Schmerzen hatte.

Und mit Schmieren macht man ja wirklich nichts falsch!
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