
Mir fällt dazu eine Situation aus meinem Studium ein. Meine Studien-Kollegin und ich hatten ein Referat in Entwicklungspsychologie gehalten, und über die Ergebnisse der Studien wurde dann im Seminar diskutiert. Hierbei habe ich etwas ganz entscheidendes gelernt. Es gibt Abweichungen von der Norm, die einen Namen bekommen. Und nun passiert es manchmal, daß diese Abweichungen mit Namen therapiert werden, obwohl sie evtl. gar keine oder nur sehr leichte Auswirkungen auf den Alltag haben - eben nur, weil sie einen Namen haben und somit zu einer Art "greifbaren Krankheit" werden. Schlüsselerlebnis war nach dieser Diskussion für mich meine Kommilitonin, die völlig entgeistert unseren Prof fragte: "Ja, muß man denn alles gleich therapieren?!"
Seine Antwort: "Ja."
Aus seinem Blickwinkel hat er auch sicher recht. Aus dem Blickwinkel der Forschung.
Für mich ist entscheidend, ob eine Therapie notwendig ist oder nicht, wie groß die Auswirkungen der "Krankheit" sind und wie groß dem entgegengesetzt die Therapie-Erfolgswahrscheinlichkeit und die möglichen Risiken von Nebenwirkungen sind. Aber um das wirklich abwägen zu können, braucht man oft einen Fachmann oder eigene Erfahrungen. Es wäre schön, wenn Ärzte so etwas mit bedenken können, den pragmatischen Blickwinkel einnehmen können. Einige hier scheinen solche Ärzte zu haben.
