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Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 12:44
von Scheckenfan
Ich will hier gar nicht widersprechen, denn ich glaube auch, dass man schonend einreiten sollte.
Aber ein paar Denkansätze wollt ich reingeben, die das Anreitealter vielleicht ein wenig relativieren.
Zum Einen die Tatsache, dass Jungpferde in dem Alter ungemein leistungsfähig sind. In freier Natur fangen in dem Alter die ersten Rangkämpfe an, sie kämpfen sich hoch und der "Ernst" des Wildpferdelebens beginnt. Sicherlich belastet Reitergewicht Sehnen, Knochen und Muskeln des Jungpferds - aber richtig harte Rangkämpfe tun das auch, ebenso wie z.B. ausgiebiges longieren. Vielleicht ist Reitergewicht auf einem einigermaßen vortrainierten Jungpferderücken weniger schädlich, als wir uns so denken?
Zumal gerade in dem Alter sich die inneren Strukturen ja auch noch den Belastungen anpassen können. Da ist ein Impuls, dass diese Strukturen bitte auch Reitergewicht aushalten mögen, vielleicht nicht das Schlechteste.
Und dann ist da noch der für mich größte Punkt: Die Bewegung. So ein junges Pferd braucht eigentlich ganz ganz viel Bewegung, und meines Erachtens entstehen unglaublich viele gesundheitliche Probleme aus zu WENIG Bewegung. Und ehrlich, SO gute Haltungsbedingungen hat quasi niemand in Deutschland, dass die Pferd ausgelastet sind. Allein schon, wenn Heu aus Raufen gefüttert wird, stehen die Pferde, statt zu wandern. Wasser, Futter, Wälzstelle und Unterstand sind nie sonderlich weit auseinander. Der Herdenverband ist nicht gewachsen, sondern vom Menschen zusammen gewürfelt. Das alles ergibt weniger Bewegung - zu wenig. Ältere Pferde mögen das evtl. kompensieren können (wobei ich das auch nicht gänzlich glaube), aber bei jungen Pferden braucht es die Bewegung als Impuls an Muskeln, Sehnen, Knochen!
Aber wie biete ich einem Jungpferd wirklich Bewegung, ohne zu reiten? Viel longieren, vielleicht - aber ist das wirklich schonender?

Ich würde inzwischen zwar nicht mehr unbedingt schon mit 3 "trainieren" (im Sinn von mehr tun als kurz mal drauf sitzen), aber bis 5 warten würde ich bei einem einigermaßen vernünftig zusammengebauten Pferd auch nicht mehr - es sei denn vielleicht, ich habe z.B. die Möglichkeit, das Jungpferd mehrfach die Woche als Handpferd mitzunehmen o.ä.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 13:25
von Hina_DK
Ich sehe die etwas eingeschränkte Bewegung auch durchaus als einen wichtigen Punkt aber mit einem anderen Fazit. Eine Freundin von mir hat zwei Isis aus Island dreijährig und einen fünfjährig importiert, alle roh und eine kontinental gezogene Stute. Die Unterschiede sind schon recht deutlich. Die Tiere aus Island, die die Möglichkeit hatten, auch im Hochland zu sein, sind insgesamt von natur aus wesentlich besser "durchtrainiert" und das fehlt unseren kontinentalen Pferden natürlich mehr oder weniger. Aber gerade dann würde ich daraus nicht schließen, sie verhältnismäßig jung mit einer hohen Belastung auf einer Stelle, die nicht naturgemäß zum tragen ausgelegt ist, zu konfrontieren, eben weil sie auch ansonsten nicht den körperlichen Entwicklungsstand haben, wie die Isis aus Island. Sicher ist longieren nicht das Allheilmittel, das auszugleichen aber zumindest eine Möglichkeit, etwas in die Richtung zu tun. Zumindest wüde ich, bevor ich an den schwächsten Punkt des Pferdes gehe, viel Wert auf eine mir mögliche Vorbereitung legen. Das A und O wäre natürlich, insgesamt im Rahmen der Möglichkeiten erstmal an den Haltungsbedingungen anzusetzen. Das ist aber natürlich auch nicht für jeden machbar und ein Optimum wird man sowieso nicht erreichen können aber sehr oft sind es durchaus einfache Dinge, die schon Verbesserungen bringen und zumindest bei Haltung in Eigenregie auch ohne riesen Aufwand umsetzbar sind.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 13:29
von Sheitana
Ich würde gerade auf das Longieren verzichten wollen. Dann lieber Spaziergänge geradeaus, Handpferdereiten oder eben doch lieber oben drauf ins Gelände, als stupide im Kreis rennen. Das halte ich für mehr Belastung, als geradeaus mit Reiter.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 13:30
von Fionnlagh
Und da bleibt ja immer noch der Kopf...
Meiner kann sich jetzt mit 4,5 erst so weit konzentrieren, dass ein längeres Arbeiten am Stück überhaupt erst möglich ist. Gut, der ist auch wirklich extrem weit hinten, aber ich wollt´s trotzdem noch erwähnt haben ;)

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 13:36
von Sheitana
Ich denke mal die geistige Fähigkeit etwas zu tun ist wirklich ganz arg individuell.
Und hängt auch davon ab was man tut. Geht man in der Herde spazieren ist die Zeitspanne z.B. wesentlich größer, als wenn man sich auf eine bestimmte Aufgabe konzentriert.
Bei Abby und Jamie merkt man da schon einen ziemlichen Unterschied und die sind sowohl verwandt, als auch gleich aufgewachsen.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 14:16
von ehem User
Also, ich denke Scheckenfan hat da einen wichtigen Punkt angesprochen. 3-5jährige können ja solche Energiebündel sein, dass es kaum möglich ist, ihnen genug Bewegung zu bieten. Reiten ist da meiner Meinung nach auch nicht unbedingt immer die schlechteste Alternative, zumal ein ruhiger Ritt im Gelände in Begleitung eines erfahrenen Pferdes i.d.R. weniger Ansprüche an die Kozentrationsfähigkeit und geistige Reife stellt als Bodenarbeit und longieren, speziell nach dem LK.
Und vielleicht ist sogar ein hin und wieder ein richtiger schneller Galopp im Gelände gar nicht so schädlich, wie wir annehmen - er steigert jedenfalls das Wohlbefinden des Jungpferdes und kommt seinem Bedürfniss nach Bewegung entgegen.

Und kann ein Jungpferd nicht evtl. durchaus sehr gut die notwendigen Muskeln aufbauen, wenn es sich im Gelände (mit Reiter) am langen Zügel so frei und natürlich wie möglich bewegen kann? Wird es nicht, um sich auszubalancieren, automatisch eine V/A Haltung eingehen und damit die Rücken- und Halsmuskulatur stärken? Es mag da sicherlich große Unterschiede geben, bei einem Pferd das zu schreckhaft ist, wird es nicht so sein, bei einer coolen Socke aber vielleicht schon. Und ob z.B. das Kreislinienlaufen an der Longe für ein nicht ausgewachsenes Pferd immer die Beste Lösung ist, wer weiß.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 14:29
von A.Z.
Ich bin mir ehrlich gesagt unsicher, ob ich ein Pferd haben möchte, dass immer darauf wartet, sich mit mir zu bewegen.

Was die Bewegung um der Energie und des Bewegungsdrangs Willen angeht, dürfen doch bitte gern die pferdigen Kumpels her halten. Ich glaube nicht, dass heutzutage noch jemand sein Pferd in einer 24h Boxenhaltung aufstallt.

Bewegung zur Anregung des Wachstums bestimmter Muskelgruppen kann nach meinem Kenntnisstand auch kurz sein. Dazu muss ich nicht ewig auf Rosses Rücken verbringen.


Mein älterer Herr profitiert derzeit von einmal wöchentlichen Reiteinheiten von max. 20 min mit vorheriger Erwärmung an der Hand. Der Rest findet vom Boden her statt und ist nie länger als 45 min. In Kürze werden wir auch wieder Gelegenheit haben ins Gelände zu gehen. Wobei wir dort Wandern und Reiten abwechseln und das Reiten - vornehmlich in schwungvollen Gangarten ausdehnen. So soll er wieder Gelände/Reitkondition bekommen nach einer doch mehr oder minder fast einjährigen Pause diesbezüglich.
Ich denke mit einem jungen Pferd würde ich das ggfs. ähnlich halten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Muskulatur ob jung oder alt so grundsätzlich anders funktioniert.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 17:02
von HP-Manu
Zum Einen die Tatsache, dass Jungpferde in dem Alter ungemein leistungsfähig sind. In freier Natur fangen in dem Alter die ersten Rangkämpfe an, sie kämpfen sich hoch und der "Ernst" des Wildpferdelebens beginn
naja, Kleinkinder sind im Alter von 5 bis 10 auch kaum tod zu bekommen und toben rum wie wild....aber keiner käme auf die Idee so ein Kind voll zu belasten, oder? Ein Reitergewicht tragen und rumtoben ist nicht vergleichbar....noch dazu, wo der Pferderücken von natur aus eher nicht zum tragen gebaut ist und Pferde im Alter von 3,5 Stecken noch alle....alle rassen...voll im Wachstum. Es gibt doch x andere Möglichkeiten ein junges Pferd zu bewegen, wie ausgerechnet so jung zu reiten. Ich bin mir zu 100% sicher, dass dies später zu körperlichen Problemen führt.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Do 21. Feb 2013, 18:59
von Hina_DK
Sheitana hat geschrieben:Ich würde gerade auf das Longieren verzichten wollen. Dann lieber Spaziergänge geradeaus, Handpferdereiten oder eben doch lieber oben drauf ins Gelände, als stupide im Kreis rennen. Das halte ich für mehr Belastung, als geradeaus mit Reiter.
Wenn man unter Longeiren nur stupides Kreisrennen versteht, gebe ich Dir absolut recht. Es gibt ja auch genug Anleitungen zum Longieren, die genau so funktionieren. Ich verstehe da aber schon noch etwas anderes drunter, weshalb ich auch kein Freund vom Longieren in Roundpens bin. An der Longe kann man so viel mehr machen und das nicht nur auf die Bewegung selbst bezogen, sondern auch für den Kopf, als nur ohne Sinn und Verstand im Kreis rumzudödeln. Ein Pferd braucht kein Schleudertraining. Ich finde auch nicht, dass das sinnvoll ist, sich z.B. auf Longieren zu beschränken. Handpferdereiten, Arbeit an der Hand u.v.m. finde ich genauso gut.

Re: "Spätentwickler"?

Verfasst: Fr 22. Feb 2013, 12:26
von Scheckenfan
HP-Manu hat geschrieben:
naja, Kleinkinder sind im Alter von 5 bis 10 auch kaum tod zu bekommen und toben rum wie wild....aber keiner käme auf die Idee so ein Kind voll zu belasten, oder?
Wir sind uns doch einig, dass Pferd zwischen 3-5 Jahren ausgewachsen sind, oder? Das sind 10-jährige Kinder noch nicht.
Das geht dann eher Richtung 14-16 Jahre.
Und da erwarten wir schon eine Menge von den Jugendlichen - Unterricht bis in den Nachmittag, Ausbildung, Nebenjobs,... Oder schau dir die Sportler an, in der Zeit wird das Training wirklich angezogen.
;)


Ich denke, mit vernünftiger Vorbereitung reitet man ein Pferd nicht zu schanden, wenn man nicht bis 5 oder 6 wartet, nur weil sich Wachstumsfugen noch schließen müssen.
Natürlich sollte es kein "Leistungssport" werden, und es sollte nicht irre lange und oft geritten werden. Und das Pferd sollte muskulär vortrainiert sein, nicht überfordert werden, die Ausrüstung muss passen etc. pp.

Bzw., man schadet dem Pferd nicht mehr, als wenn man zu wenig macht und es auf der Koppel gammeln lässt.
Denn meines Erachtens ist in keinem in Deutschland praktikablem Haltungssystem ausreichend Bewegung zu garantieren. :nix: