Wege aus dem Nein

Moderator: Keshia

crinblanc
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von crinblanc »

Bei Nucades :schreiben:

Ich finde das spannend- mir hat das jetzt mal wieder einen Blick über meinen für uns gut funktionierenden, eingespielten, passenden Tellerrand eröffnet.
(gut, ich bilde mir ein, durchaus öfter mal meinen Tellerrand zu verschieben- trotzdem ist ein Stups ab und zu ganz anregend :nix: )
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Romy
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Nucades hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 16:04Warum ist das so gekommen?
Für mich persönlich? Ich bin allergisch darauf, wenn Menschen Gedanken oder Absichten in mich reininterpretieren. Das kann versehentlich mal passieren, klar. Aber wenn ich dann kommuniziere, dass das NICHT meine Gedanken oder Absichten sind und dann die Personen darauf beharren, dass es doch so sei und ich ja nur so tue als ob, dann sehe ich rot. Schon von Kindheit her. Das ist tatsächlich das einzige Thema in meinem Leben, das mich ärgerlich, aber auch ein Stück weit verzweifelt macht.

Ich kann und will bestimmte Dinge in sozialen Interaktionen nicht tun (hat was mit Autismus zu tun):

(a) diesen ganzen sozialen Fluff - also bevor man zum Punkt kommt erstmal lange erklären, dass man die Person, der man antwortet, ja wirklich toll findet, sie auch gar nicht angreifen oder abwerten will, auch bloß nicht falsch verstanden werden will, und so weiter. Ich finde das super anstrengend, weil es für mich entweder trivial ist (warum soll ich jemandem extra sagen, dass ich ihn nicht angreifen will - das ist für mich der Normalzustand, das nicht zu wollen) oder weil es für mich irrelevant ist (was für eine Rolle spielt es, ob ich die Person mag? An der logischen Konsistenz meiner Argumentation ändert das ja hoffentlich nichts).

(b) zwischen den Zeilen kommunizieren. Ich denke wirklich nicht, dass ich besonders schüchtern bin. Wenn ich also mit etwas, das eine Person tut, ein Problem hätte und es relevant fände, das zu kommunizieren, dann sage ich es halt einfach direkt. Meistens interessiert es mich aber einfach nicht, was konkrete Personen machen, also zum Beispiel mit ihrem Pferd. Ich weiß gar nicht, wozu ich solche persönlichen Botschaften senden sollte - und dann auch noch in versteckter Form, die potentiell nicht ankommt. Erschließt sich mir nicht.

Weil ich aber weiß, dass Personen oft nicht damit klarkommen, wenn einfach über die Sache geschrieben wird und der Standpunkt sich nicht mit den bisherigen deckt, schreibe ich zumindest ein paar Disclaimer dazu. Also dass sich das, was ich schreibe, auf meinen eigenen Umgang mit meinen Pferden bezieht, dass für andere Menschen andere Dinge gut funktionieren, und so weiter. Ich finde es schräg, dass sowas überhaupt gesagt werden muss, weil ich es absolut selbstverständlich finde (siehe oben). Dementsprechend strengt mich das echt an. Aber wenn selbst das noch nicht genug ist, dann bin ich einfach raus. Ich kann und will solche Unterhaltungen einfach nicht führen - ist mir zu sozial, zu unlogisch. Ein Traum wäre, wenn es einfach nur um die Sache gehen könnte. Vielleicht ist das aber in einem Internetforum mit überwiegend Frauen nur schwer umsetzbar.
Nucades
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Nucades »

Danke, Romy, für deine Antwort und deine klaren Worte!

Das Thema "Geht's eigentlich noch um die Sache oder nicht schon längst um etwas Anderes?" treibt mich nahezu täglich um und erschwert für mich persönlich ganz häufig eine Kommunikation, wie ich sie mir wünsche.

Aber ich schweife ab...
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lungomare
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von lungomare »

ich versteh das Problem gar nciht. Equester hat geschrieben, das sei für sie gerade nicht das passende Thema. Punkt.
damit ist doch die Bahn frei für alle, die bisher hier munter diskutiert haben, weiterzudiskutieren, nur Equester steckt ihre Energie in andere und für sie relevantere Dinge.

wenn ihr euch über Sauerbratenzubereitung austauscht, stell ich als Vegetarier auch fest: oh, ess ich gar nciht, interessiert mich nicht, ich geh lieber den Kürbissuppenfred lesen. wenn ihr das zum Anlass nehmt, zu sagen: jetzt können wir nciht mehr über Sauerbraten reden, nur weil die Olle kein Fleisch isst.... ist das aber euer Ding. ;) also: Bahn frei, tauscht euch weiter aus.
Choose being kind over being right and you'll be right most of the times.
... die mit der buchstabenfressenden Tastatur..
crinblanc
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von crinblanc »

.... :breitgrins: du magst doch gar keinen Kürbis... ?
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Romy
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Wie wunderbar logisch, Lungo. Zwar war mein Problem nicht, dass mir ohne Equester kein Austausch möglich ist (obwohl ich ihre Perspektiven oft sehr bereichernd finde), aber dennoch hast du recht: wenn es hier wieder ums ursprüngliche Thema gehen kann anstatt um meine geheimen Absichten, dann fällt mir ein Austausch tatsächlich leichter. :-)

Ich hab nämlich auch noch ein paar Rückfragen zu den schönen Erfahrungsberichten.
_Eva hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 09:05Ansonsten kommt mir zum Thema Training immer wieder der Satz "setup for success" in den Sinn, sprich ich gestalte die Trainingsbedingungen und die Frage so, dass das Pferd möglichst nur eine Antwort geben kann, nämlich die, die ich haben möchte.
Von außen betrachtet mag das ziemlich ähnlich zur Romy's Herangehensweise sein, ich denke aber dass die Intention eine andere ist. Ich erwarte ja schon die eine, richtige Antwort.
Das klingt sehr schön und erinnert mich an eine Aussage, die im früheren AND-Forum mal jemand gemacht hat: sie versuche, ihr Training für das Pferd so zu gestalten, dass Fehler unmöglich sind und Erfolg unvermeidbar ist. Dass das Pferd also mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit positive Erfahrungen machen kann. Ich hab mich gestern gefragt, ob der Unterschied zu mir, den du ansprichst, in der Praxis irgendeine Auswirkung hat oder ob es nicht eigentlich egal ist, was die Intention dahinter ist. Eine mögliche praktische Konsequenz ist mir eingefallen und mich würde deine Meinung dazu interessieren.

Wenn es für dich die eine, richtige Antwort gibt, könnte ich mir vorstellen, dass du viel besser und sorgfältiger planen musst als ich. Bei mir ist es ja eher so, dass ich die Antwort des Pferdes als Übersetzungshilfe für meine Frage nutzen kann - also dass mir das Pferd zu verstehen gibt, was ich da eigentlich gerade gefragt habe. Ich kann also erstmal irgendwie irgendwas machen, den Effekt beobachten, und dann meine Anfragen schrittweise formen. In meiner Wahrnehmung bin dadurch quasi ich der Trainee, der durch Feedback des vierbeinigen Trainers das richtige Verhalten lernt. Mein Eindruck ist, dass ich es dadurch viel leichter habe, wohingegen du von vornherein viel mehr Wissen und Können einbringen musst. Ist das tatsächlich so? Also hast du das Gefühl, dass euer Ansatz sehr hohe Anforderungen an ein planvolles Vorgehen stellt? Falls ja - in welchen Situationen fällt dir das "setup for success" eher leichter, in welchen schwerer?

Und dann hab ich noch eine Frage an Suse.
WaldSuse hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 08:35Ne kleine Geschichte von gestern... Samson stand an ner Raufe und signalisierte ganz klar "Nö, jetzt nicht!". Ich hatte dann sowieso entschieden, ihn im Ruhe zu lassen, weil wir am Samstag fast drei Stunden draußen waren. Er ist dann, nach Leckerchengabe, mit gekommen. Ichhab ihn dann am Abend gefragt, warum er das gemacht hat, denn etwas gewurmt hat es mich schon....
Seine Antwort war dann für mich überraschend.... Er meinte, er wollte mal gucken, wie ich reagiere...
Ich hatte aus deinem Beitrag den Eindruck, dass "mal gucken, wie ich reagiere" für dich etwas Positives oder zumindest nichts Schlimmes ist. Das fand ich insofern auffällig, dass viele Menschen "das Pferd testet" eher als etwas Negatives darstellen. Ich selbst finde Testen ganz wunderbar, weil ein aktiv testendes Pferd natürlich viel mehr Lerngelegenheiten hat. Ich sehe das immer an meinem kleinen Aahnuu, der diese neugierigen "Jugend forscht" Vibes versprüht. Durch das aktive Auseinandersetzen mit der Welt lernt er viel besser als zum Beispiel ein Maymun, Situationen richtig einzuschätzen. Mich würde interessieren, warum Testen für dich in dieser Situation eine gute Antwort war, oder ob ich das vielleicht falsch verstanden habe. Und findest du, das ein und derselbe Test immer das gleiche Ergebnis haben sollte (die beliebte Konsequenz) oder gibt es bei euch Tests, die mal so und mal so ausfallen können?

Natürlich gehen die Fragen generell in die Runde, also wenn jemand anders dazu Erfahrungen und Meinungen hat, immer her damit! :-)
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WaldSuse
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von WaldSuse »

@Romy, ja, mich hat seine Antwort gefreut, sehr sogar. Einerseits, weil wir immer noch in der Kennenlernphase sind und er mit dieser Antwort Interesse an mir bekundet hat, und zweitens, weil seine Antwort sehr klar und spontan kam, was bedeutet, daß unsere mentale Verbindung besser wird. Ich habe immer versucht, auf meine Pferde zu hören, wenn sie wirklich NEIN gesagt haben und habe versucht, in ihrem Sinn darauf zu reagieren, wenn es möglich war. Dustin war, wie Samson auch, ein eher ruhiges, zuverlässiges Pferd. Aber auch bei ihm gab es Situationen, wo er wirklich Angst hatte, weiter zu gehen. Wenn das nur ein Auto im Wald war, bin ich da nicht drauf ein gefangen, denn da wußte er, daß er mir da vertrauen muß. Punkt. Ich hab aber deutlich gespürt, wenn er wirklich nicht mehr konnte. Da schaute er auch zu mir hoch und bat um Unterstützung. Da bin ich IMMER abgestiegen und gemeinsam haben wir die Gefahr gemeistert. Dustin fand Bodenarbeit fürn Ar...
Also, hab ich ihn sehr selten damit belästigt. Ich weiß nicht genau, warum, wahrscheinlich lag es an mir und meiner absolut nicht vorhandenen Kompetenz.
Jetzt bei Samson ist es anders. Er zeigt Interesse und ich muss nun dazu lernen. Wie gesagt, wir sind noch in der ersten Kennenlernphase, ich versuche, ihn zu verstehen. Und er scheint das bei mir auch zu machen. :-D
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Inspiriert durch ein Bild in Belganos Tagebuch und Birgits Frage, ob die Zeit zwischen zwei Fragen relevant sei, hab ich heute über das Thema Zeit nachgedacht und deren Wirkung im Umgang mit den Pferden beobachtet. Für mich ist Zeit tatsächlich ein total wesentlicher Faktor. Einfach weil sie kein leeres Loch zwischen zwei Ereignissen ist, sondern in dieser Zeit etwas passiert - auch wenn nicht ich es bin, der sie aktiv füllt. Das, was in dieser Zeit passiert, kann die Situation für das Pferd komplett verändern.

Vielleicht lässt sich das an einem ganz einfachen Alltagsbeispiel verdeutlichen. Ist es wichtig, ob mir jemand etwas zu Essen anbietet, nachdem ich gerade ein mehr als reichliches Mittagessen hatte und zum Platzen voll bin, oder ob er damit ein paar Stunden wartet, bis ich wieder richtig hungrig bin? Für mich kann das den Unterschied bedeuten zwischen einem Angebot bei dem mir schlecht wird und einem auf das ich mich gierig stürze. Zeit kann meine Antwort auf das Angebot also durchaus von einem "Nein, bloß nicht" in ein "Ja, unbedingt!" verändern.

In Bezug auf kleine Zeitskalen hab ich dazu heute mal das Aahnuuli beim Hufemachen beobachtet. Der kleine Zappelfloh macht an sich ja gerne mit, aber nach einer Weile fängt er an, den Huf wegzuziehen. Wie immer hab ich ihn das machen lassen und bin ein Pferd weiter gerutscht. Aber ich hab heute mal genau beobachtet, was er währenddessen macht. Anfangs, also direkt nach dem Wegziehen des Hufes und dem kleinen "danke, bis später" Leckerli, stürzte er sich aufs Gras (wie immer bevor wir etwas zusammen machen hatte ich gerade frisch nachgesteckt). Er versank im Gras als ob es sonst nichts gäbe auf der Welt und zwischen ihm und mir inklusive Hufbearbeitung schien ein ganzes Universum zu liegen. Und das löste sich dann ganz langsam und graduell in Nichts auf. Nach ein paar Minuten fing er an, sich beim Fressen langsam auf mich und das neue Huf-Pferd zuzubewegen. Dann nahm er immer mal wieder den Kopf hoch und guckte uns an. Dann stellte er sich neben uns und versuchte, an mir rumzustupsen und sich bemerkbar zu machen. Als auch das noch nicht half, stellte er sich mit der Hinterhand neben mich und hob sein Hinterhüfchen so, dass es nur einen halben Meter von da weg war, wo ich gerade den Huf des anderen Pferdes bearbeitete. Als er endlich wieder dran war, stand er wie eine Eins. Einfach nur durch Zeit, denn ich hab mit ihm währenddessen nichts gemacht.

In Bezug auf lange Zeitskalen habe ich heute mal gezielt einen bestimmten Weg ausgesucht, der neulich auf einem Bild in Belganos Tagebuch zu sehen war. Nach dem Hufemachen bin ich mit den Araberjungs diesen Weg gegangen, vor dem Maymun letztes Jahr noch richtig Angst hatte. Maymun hat es ja nicht immer leicht mit seiner Psyche und letztes Jahr war der absolute Höhepunkt. Da konnten wir teilweise mehrere Tage nur auf unseren Land neben der Koppel spazieren gehen, weil er sich nicht traute, das Land zu verlassen. Wenn wir in Ponybegleitung unterwegs waren, hatte er bei einer Stunde Spaziergang eine Stunde lang Stress. Auch auf bekannten Wegen, auch wenn überhaupt nichts passierte. Die Welt war einfach gefährlich.

Ich hab nicht versucht, dagegen zu arbeiten, sondern hab an Angst-Tagen einfach noch mehr als sonst darauf geachtet, dass er wenn wir nur zu zweit sind den Weg aussucht, dass wir umdrehen wann er will, dass ich auch schon ohne sein Initiative regelmäßig den Rückweg anbiete, und so weiter. Der Weg in Belganos Bild war einer, auf dem er letztes Jahr immer umdrehte. Er wollte da einfach nicht runter. Also sind wir eben umgedreht. Mit der Zeit ist die Angst verschwunden. Variationen gab es zwar immer schon auch von Tag zu Tag, aber die Zeitskala für eine wirklich nachhaltige Veränderung lag bei ungefähr einem Jahr (ganz genau kann ich das allerdings nicht sagen, weil die Winterkoppeln eine komplett andere Welt sind und es da auch emotional einen harten Schnitt gibt - der Winter ist angstfrei).

Und heute? Heute sind wir den ehemaligen Gruselweg runtergegangen. Maymun vorne als unser Anführer und dann eine Pferdelänge hinter ihm das Nuuli und ich. An einigen, etwas aufregenderen Stellen sah er wirklich imposant aus, mein schwarzes Streitross mit seinem Schwanenhals. An einigen Stellen hat er auf mich gewartet, scheinbar um zwischendurch mal wieder ein Mutmacher-Leckerli zu bekommen, bevor er uns weiter den Berg runter führt. Aber er hat uns geführt, den ganzen Weg entlang. Auch hier hat Zeit es uns ermöglicht, dass ich sein ursprüngliches Nein annehmen konnte und trotzdem zu meinem sicheren Geländepferd gekommen bin.

Genauso wie die Zeit formen unsere Wege aus dem Nein auch noch andere Kontextfaktoren wie Ort oder Bewegung. Mal sehen, vielleicht schreibe ich dazu irgendwann auch nochmal was. :-)
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von WaldSuse »

Für mich ist das total normal und ich mache das aus meinem Gefühl und Gespür für mein Pferd heraus. Samson hat mir klar gesagt, daß er mit mir jetzt noch nicht alleine vom Stall weg gehen kann. Ist total ok. Ich bin dann immer mal wieder mit ihm ein Stück weit weg vom Stall gelaufen und umgedreht, bevor er nicht mehr konnte. Und den letzten Spaziergang bin ich mit ihm los gelaufen mit dem Vorhaben daß ER bestimmt, wie lange. Daß ich sofort umdrehe sobald er Streß signalisiert. So weit, so gut. Nur, er signalisierte null Streß, nur Interesse. Und so sind wir ne ganze Runde in Ruhe zusammen am lockeren Strick gelaufen.
Ich denke da weniger drüber nach, ich mache.
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Klingt sehr gut, Suse! Ich glaube, dass die allermeisten Menschen versuchen, sich daran anzupassen, was das Pferd gerade kann und wo es momentan noch Schwierigkeiten hat. Die Unterschiede zwischen Personen liegen vermutlich eher darin, wie diese Anpassung im Detail gestaltet ist, also welche Ausprägung sie auf verschiedenen Dimensionen hat.

Eine sehr naheliegende Dimension ist das benötigte Angstlevel. Hier wäre ein Ende des Kontinuums, dass man abbricht, sobald das Pferd Unwohlsein zeigt und andeutet, dass es lieber weg will. Das wäre das, wohin ich eher tendieren würde. Manche anderen Menschen würden vielleicht bis zu einem größeren Ausmaß an Angst gehen wollen. Aus gutem Grund – man weiß ja, dass Exposition bei Angstproblematiken unter bestimmten Bedingungen super wirkungsvoll sein kann.

Eine andere Dimension ist der Grad an Vorplanung. Manche Menschen überlegen sich vorher, was sie meinen, das ihr Pferd leisten kann und packen dann kleine, nach ihrer Einschätzung machbare Portiönchen. Die sind dann aber bitte auch zu bewältigen vom Pferd. Hier ist mein Punkt auf dem Kontinuum eher einer, wo ich prinzipiell erstmal ohne sehr sorgfältige Vorauswahl Situationen teste und dabei manchmal auch ziemlich schwierige Situationen anbiete, die manche Menschen auch gut als Überforderung bewerten könnten. Und dann überlasse ich es eher dem Pferd, ob es das gerade kann oder nicht. Wenn nicht, kann es die Situation verlassen, solange das in Absprache mit mir passiert (also im Alltag, in Notfallsituationen ist nochmal alles anders, aber dazu vielleicht später mal mehr). Mein Fokus liegt also eher auf Zuhören und Anpassen anstatt auf Vorausdenken.

Eine dritte Dimension könnte sein, wie weit man bereit ist, zurückzugehen – also ob man Lernen eher als eine Treppe oder als ein Labyrinth ansieht. Für mich war es zum Beispiel schon auch eine spannende Herausforderung, 2023 zu akzeptieren, dass Maymun und ich unser Land nicht mehr verlassen können - nachdem wir vorher anderthalb Jahre fast täglich spazieren waren und ich 2022 bereits über eine zweitägige Wanderung mit Übernachtung nachgedacht habe. Hier kann ich mir gut vorstellen, dass manche Menschen eher gesagt hätten „So einen Kinderkram kann der aber, das machen wir jetzt“ (also nicht die Wanderung, sondern eine halbe Stunde spazieren auf altbekannten Wegen, die wir eigentlich auswendig kennen).

Sicher gibt es noch viel mehr Eigenschaften, wahrscheinlich sind die meisten von denen kontinuierlich und vermutlich unterscheiden Personen auch von Situation zu Situation, wo auf diesen Kontinuen sie ihre Interaktion mit ihrem Pferd platzieren. Und nein, ich denke beim Spazierengehen auch nicht über sowas nach, sondern gehe einfach nach Gefühl. Im Nachhinein zu analysieren, was ich da eigentlich tue, macht mir aber durchaus Spaß. :-)
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