Reitmaus hat geschrieben:
Ich hab jetzt nicht den ganzen Thread gelesen, nur kurz in die letzten Postings reingelesen, aber ich finde dass der Begriff "Druck" etwas falsch interpretiert wird. Erstmal ist eine Berührung nicht zwangsläufig "Druck", sondern "Kommunikation". Ich finde, der Unterschied zwischen negativ und positiv ist die "Lautstärke" der Unterhaltung. Schreien wir uns an (=Tendenz starker Druck) oder reden wir sanft miteinander (=leichter Druck).
Wollte man den "Druck" gänzlich aus dem Umgang verbannen, weil man meint es wär negativ, würde man vermutlich komplett auf Kommunikation verzichten müssen.
So reicht eben inzwischen meine Körpersprache, um mein Pferd rückwärts zu schicken.
Ist "Druck" nur eine physische Berührung? Oder ist ein Fingerzeig auf das Bein, welches weichen soll, nicht auch ein (mentaler) Druck? Viele von euch würden es wohl nicht als "Druck" bezeichnen, weil es keine Berührung ist, aber für mich ist eine sanfte Berührung nicht schlimmer als ein Hinzeigen, ein zielgerichterter Blick o.ä.
An dieser Stelle möchte ich einen Ausflug in die Lernpsychologie einbringen, weil Du, liebe Reitmaus, das Wort "negativ" synonym mit "schlecht" verwendest. Das ist jetzt kein Angriff gegen Dich, gar nicht, das passiert häufig, wenn man sich über Lernen mittels positive und negative Verstärkung unterhält und die Begriffsdefinitionen nicht klar sind.
"Negativ" und "positiv" im Kontext mit Lernen ist völlig wertneutral. Es hat eine andere Bedeutung:
Also *denOberlehrerrauskram* ...
Lernen kann man auf vier verschiedene Arten.
- mittels positiver Verstärkung: Zeigt der Lernende die gewünschte Reaktion, wird etwas für ihn Angenehmes hinzugefügt, er erhält eine Belohnung. Das Kind hilft beim Abwasch und erhält eine Tafel Schokolade. Folge: Es wäscht häufiger ab. Erwünschtes Verhalten wurde also verstärkt.
- mittels negativer Verstärkung: Zeigt der Lernende die gewünschte Reaktion, wird etwas für ihn eher unangenehmes weggenommen. Ein Fernsehverbot wird aufgehoben, weil das Kind den Abwasch gemacht hat. Um künftig Fernsehverbot zu vermeiden, wäscht das Kind häufiger ab. Erwünschtes Verhalten wurde also ebenso verstärkt.
- mittels direkter Bestrafung: Der Lernende zeigt unerwünschtes Verhalten und wird durch Hinzufügen von etwas Unangenehmen bestraft. Das Kind erhält eine Ohrfeige, weil es frech war (bitte nicht über meine Beispiele diskutieren

) Unerwünschtes Verhalten wird seltener gezeigt.
- mittels indirekter Bestrafung: Der Lernende zeigt unerwünschtes Verhalten und wird durch Wegnahme von etwas Angenehmen bestraft. Das Kind erhält Hausarrest (=Wegnahme von Spielen im Freien). Unerwünschtes Verhalten wird seltener gezeigt.
Nun kann man massig Bücher und Dissertationen darüber lesen, dass die Motivation beim Lernen über positive Verstärkung am größten ist und das hierbei der Lernende (Mensch wie Tier) die größte Eigeniniative und Kreativität entwickelt.
Bei der negativen Verstärkung besteht die Gefahr, dass der Druck nicht jedesmal wieder auf Stufe 1 beginnt, sondern gleich auf Stufe 5, weil ja das Pferd letztes Mal bei 5 reagiert hat. Der Mensch muss sich hier richtig im Griff haben und sehr bewusst mit dem Druck umgehen. Druck auf Stufe 1 ist letztlich Körpersprache, ein Fingerzeig, ein Blick.
Bestrafung beider Formen dagegen hat nur einen sehr kurzzeitigen Effekt. Sobald der Lehrende nicht da ist, zeigt der Lernende das unerwünschte Verhalten wieder.
Deshalb empfinde ich die Diskussion über Hand an die Brust legen, damit das Pferd rückwärts weicht, ist nicht böse, mit der Gerte auf die Brust titschen aber schon, als müßig. Beides ist negative Verstärkung bzw. Druck auf unterschiedlicher Stufe.
Wie schon weiter oben geschrieben: Völlig ohne Druck = negative Verstärkung zu arbeiten, erscheint mir illusorisch. Wüsste gar nicht, wie bestimmte Dinge umzusetzen wären ohne ein deutliches Signal, auf Reiten müsste man dann ganz verzichten. Dennoch finde ich es für mich wichtig, den Fokus auf die positive Verstärkung zu richten und zu sehen, was macht mein Pferd von alleine richtig. Das verstärke ich über C/B und muss so viel weniger "Anweisungen" geben, weil mein Pferd sich von sich aus richtig verhält. Außerdem hilft es mir, immer auf Stufe 1 anzufangen, wenn ich erwünschtes Verhalten hervorrufen möchte.