Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Muriel - vielen Dank für deine Auführung - ich finde das wirklich so spannend.
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Muriel
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Muriel »

*MAMPF*

nur in Kürze:
Länger werden kann ein Pferderücken nicht, denn Pferde haben keine Bandscheiben.(Quelle 12) Beim Menschen gewinnen die Bandscheiben bei Entlastung des Rückens (z.B. beim Schlafen im Liegen) Volumen und die Wirbelsäule wird messbar länger. Es ist ein Trugschluss, dass ein Pferd ein vergleichbares Bedürfnis nach mehr Abstand zwischen den Wirbelkörpern hat.(Quelle 20)
Dieser Absatz steckt so voll hanebüchenem Unsinn, dass man kaum Worte dafür hat. Eine simple Googlesuche hätte eine Vielzahl von Bildern hervorgebracht, auf denen deutlich zu sehen ist, das Pferde Bandscheiben haben. Zum Glück, denn sonst könnte sich das Tier wohl kaum schmerzfrei bewegen... das dann mit dem Schlafbedürfnis des Menschen zu vergleichen, der damit "ein Bedürfnis nach mehr Abstand" hat, ist genauso sinnfrei. Natürlich ist der Effekt beim Menschen meßbar , aber sicher nicht der vordringliche Grund zu schlafen bzw im Liegen zu schlafen *augenroll* Die Schlussfolgerung wäre, Pferde schlafen im Stehen, weil sie keine Bandscheiben haben. :wall:
-Dass Pferde die Dehnungshaltung offensichtlich genießen liegt daran, dass sie nicht „vernünftig“ die gesündere, aber deutlich anstrengendere Versammlung bevorzugen und dass der Reiter hierbei die Hilfengebung im Maul minimiert.
Bitte was soll hier eine fachliche Aussage sein?
Dass ich lieber Suppe esse als Salat, liegt daran, dass Suppe kochen einfacher ist und ich nur mit dem Löffel rühren muss statt zu schnibbeln. Oder so.
Und weil der Reiter weniger im Maul zieht, mag das Pferd keine Versammlung... ich finde in diesem Satz einfach weder Logik noch Sinn.

Und das geht einfach so weiter, wenn man mal die schön klingenden Worte genauer betrachtet.
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

Habe diesen Dressur-Studien-Artikel damals auch gelesen. Eigentlich könnte man den hier nicht nur verlinken sondern direkt zitieren - er ist wirklich sehr stark anzuzweifeln. Nicht nur das von Muriel zitierte - als ich den Artikel damals gelesen habe kam ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Leider hab ich keine Ausbildung in diese Richtung und täte mich schwer all diese Sachen sachlich zu widerlegen - aber ich bin ernsthaft erstaunt darüber, dass man widerspruchslos so einen Käse in die Welt setzen darf.
Ich hab den Artikel grade noch einmal durchgelesen - jetzt weiß ich wieder warum ich den einfach nur furchtbar fand.
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ehem User

Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von ehem User »

Ich habe gerade nochmal jellas Post gelesen und da kommt mir die Frage:

Wie ist das mit der Dehnung im Schritt?
Gibt es die Dehnungshaltung dort wirklich genauso (viel) wie in Trab und Galopp?

Die Frage stellt sich mir, weil im Schritt ja einiges an Spannung fehlt, was in den anderen Gangarten durch den viel höheren Schwung von ganz allein da ist.

Mein Pferd tut sich ja wie gesagt mit der Dehnungshaltung noch schwer - dennoch läuft sie im Schritt von Anfang an in entspannter Kopf-Hals-Haltung.
Ich behaupte, dass einige das schon als Dehnung bezeichnen würden.
Ist es das aber wirklich?

Eigentlich dürfte es doch erst eine sein, wenn die Hinterhand gut mitarbeitet und der Rumpf angehoben wird.
Was ich im Schritt für sehr anspruchsvoll halte im Gegensatz zum Trab.
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

ich denke im Schritt ist es eine Dehnung aber ohne Spannungsbogen. Das heißt, das Pferd kann da sein Nackenband dehnen - aber der Trainingseffekt (Rückentätigkeit) ist eher als vernachlässigbar einzuschätzen. Wichtig wäre mir hier halt auch, ein von hinten gut vortretendes Pferd und kein Geschlurfe und Gebummel.

Wichtig finde ich es aber dennoch - denn hier zeigt sich Losgelassenheit, Takt, Entspannung und auch Vertrauen. Ein verspanntes, nervöses und ängstliches Pferd wird nicht den Hals entspannt fallen lassen. Egal ob Schritt, Trab oder Galopp. Eine Schrittpause am langen Zügel mit entspanntem Hals ist auch immer Verschnaufpause und Belohnung. Daher finde ich das immer wichtig. Gerade nach anstrengender Galopparbeit gibts bei mir Schritt am durchängenden Zügel, den ich nur noch an der Schnalle (hab keine, aber ihr wisst was ich meine ^^) in der Hand habe. Finde das für die Psyche ganz wichtig.
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ehem User

Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von ehem User »

Absolut, das wollte ich auch gar nicht bestreiten. :-)
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kolyma
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von kolyma »

plüschtiger hat geschrieben:Absolut, das wollte ich auch gar nicht bestreiten. :-)
Das dachte ich auch nicht ^^

Wollte nur sagen, dass die Dehnung nicht immer nur in Zusammenhang mit Muskulatur steht sondern auch ein Beleg für Entspannung und Losgelassenheit ist.

Mein Pferd würde ja - wenn er könnte - hauptsächlich über den Unterhals laufen. Das führt unweigerlich dazu, dass er den Rücken wegdrückt. Ein weggedrückter Rücken löst (meiner Ansicht nach) immer Stress und Unwohlsein aus. Egal ob dabei Verspannungen entstehen (was ich für unvermeidlich halte) oder nicht (Hängematte - auch nicht gut).
Mein Pferd hatte sich also (auch weil ich oft die Ratschläge meiner RL oft aus vermeidlicher Besserwisserei in den Wind geschlagen habe) einen derartig fetten Unterhals hintrainiert, dass an Dehnung überhaupt nicht mehr zu denken war. Er war kaum mehr im Stand dazu zu bewegen den Kopf runter zu nehmen.

Ist vergleichbar mit dem jahrelangen Laufen auf High-Heels. Die Achillissehne verkürzt sich derartig, dass ein gesundes barfußlaufen Schmerzen bereitet.

Mein Pferd konnte weder im Freilauf noch an der Longe, noch am Kappzaum (nach LK) den Hals fallen lassen. Von dem psychischen Belastungen, die diese unangenehme Haltung hervorrufen mussten ganz zu schweigen. Wir mussten komplett von vorne anfangen - was heute der Grund ist, dass ich mit Dreieckern longiere (nach dem mich meine RL am liebsten an den Haaren vom Pferd gezerrt hätte ^^).

Kaum hatte mein Pferd eine Orientierung (die ich ihm mit der Hand nicht geben konnte) war nach kurzer Zeit eine Dehnungsbereitschaft erkennbar. Ein guter Reiter hätte das sicher auch ohne geschafft. Leider bin ich nur ein Otto-Normal-begabter Reiter.

Heute bietet er Dehnung selbst im Gelände an, was mich unglaublich freut. Das war eigentlich immer mein Ziel - ein Pferd welches im Gelände gesund laufen kann.


Daher bin ich auch der Meinung, dass Dehnungsbereitschaft und ein Über den Rücken gehen auch das eigentliche Ausbildungsziel sein kann. Um mal hier Silke Hembes (Der Weg zum guten Reiten, Seite 238) sinngemäß zu zitieren: "Wer sein Pferd SO (in korrekter Dehnungshaltung) reiten kann, schadet ihm auf keinen Fall."
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jella
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von jella »

Plüschtiger; ich meine damit, dass ich die Nase vor lasse, sie aber nicht im Sand wühlen lasse. Meine RL meinte letzte Woche diesbezüglich zu mir;
ich soll mich entspannen und den Schritt DURCHLASSEN. Ich war das erste Mal im Fellsattel mit ihr im RU u. war ein wenig verspannt/ängstlich. Sie meint, wenn ich sie kurz nehme, würde sie nur noch mehr Spannung aufbauen u. ein ´Pferd das angespannt ist, würde viel mehr sehen/hören. Wenn ich die Nase vor lasse, sie aber trotzdem im Fleiß erhalte ist dies eine gute Lösungsarbeit fürs Pferd!
Und siehe da, ich richtete mich auf, nahm auf meinem Hintern Platz u. mein Pferd zackelte nicht mehr u. dehnte sich an den Zügel.
Ich habe sie die ganze Zeit am Zügel, er hängt nicht durch, aber ich bin flexibel in der Hand u. gehe mit ihrer Kopfhaltung mit.
Im Trab ist es genauso, ich schaue, wie weit sie sich vorstrecken möchte, so lange das Genick offen bleibt, sie aber nicht über dem Zügel läuft, habe ich sie stets in der Verbindung, die aber durchaus sehr, sehr lang sein kann.
ehem User

Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von ehem User »

Ich verstehe, was du meinst.
In meinen Augen ist das aber noch keine Dehnungshaltung, sondern die Erarbeitung von Losgelassenheit bzw. überhaupt erstmal Entspannung/Zwanglosigkeit.
In dem Moment, wo sie aufhört zu zackeln und den Hals entspannt fallen lässt, kannst du überhaupt erst zum Arbeiten kommen.
Und konstanten Zügelkontakt kann (und sollte) man ja auch haben, ohne dass sich das Pferd aktiv von hinten durch den ganzen Körper an den Zügel dehnt.

Wohl ein klassischer Fall von Missverstehen, weil die Definition von Dehnungshaltung nicht für beide die Gleiche war. :-)
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Muriel
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Re: Dehnungshaltung - Sinn und Unsinn

Beitrag von Muriel »

Und konstanten Zügelkontakt kann (und sollte) man ja auch haben, ohne dass sich das Pferd aktiv von hinten durch den ganzen Körper an den Zügel dehnt.
Das ist wieder für mich eine große Frage nach der Qualität. Wenn Losgelassenheit und Durchlässigkeit da sind, dann geht das vielleicht mit einer Verbindung, die das Pferd dann nicht stört.
Andrerseits kann auch ein durchhängender Zügel Informationen übertragen und eine Verbindung darstellen.

Hab gerade mal in alten Bildern gestöbert, so sah das Fjordi an der Longe noch 2011 aus:
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