Equester hat geschrieben: ↑Mo 19. Apr 2021, 12:41Romy hat geschrieben: ↑So 18. Apr 2021, 09:23
Ich belohne fast jedes Angebot und bei mir kann auch das Pferd mitentscheiden, wann es eine Belohnung bekommt - wenn es mich danach fragt, bekommt es Futter.
Hm, und Du hast keine Freßmonster? Oder ist dieses danach fragen für Dich kein betteln, sondern eine Fortsetzung für irgendwas? Und wie ziehst Du Grenzen, ich meine, wie vermittelst Du bestimmte Dinge? Wenn es immer was gibt, ist ja der Ansporn aus meiner Sicht nicht wirklich da. Oder überlese ich da etwas in Deiner Beschreibung? Also meine wären bei dieser Art der Belohnung nur noch in meinen Taschen unterwegs

Ich finde es spannend, dass diese Vorhersage, die du im letzten Satz machst, von ganz vielen Menschen kommt, die restriktiver belohnen, also nach konkreten Kriterien und komplett vom Menschen bestimmt. Auf der anderen Seite beobachte ich aber das Gegenteil - und zwar bei allem mir bekannten Personen bei denen Futter keine begrenzte Ressource ist und wo das Pferd es einfach haben kann. Diese Pferde sind meiner Erfahrung nach viel weniger gestresst und auf das Futter fokussiert.
Wie gesagt ist für mich die passendste Analogie das (nonverbale) Feedback in einem Gespräch. Unter welchen Umständen wäre ich gestresster und gieriger auf dieses Feedback? Wenn mein Gegenüber (a) oft keinerlei Reaktion zeigt und nur sehr selektiv auf ganz bestimmte Äußerungen von mir mit "ja" antwortet oder (b) kontinuierliches Feedback gibt, das im Prinzip immer vorhanden ist aber in seiner Intensität variiert (fortgesetzter Blickkontakt, Nicken, "hmm", "ja", "ganz genau, das ist ein toller Punkt, den du da machst!")?
Zur Frage ob meinen Pferde betteln: aus meiner Sicht nicht. Erstens passt für mich schon der Begriff "betteln" nicht, weil er ein Rollenverständnis und eine Machtverteilung nahelegt, die in meinem Umgang mit meinen Pferden so nicht gegeben sind. Man kann nichts erbetteln was einem ohnehin gehört - unser Futter gehört meinen Pferden mindestens genauso wie mir, der Unterschied ist vor allem, dass ich es für sie trage.

Nach Futter zu fragen sieht bei uns so aus, dass die Pferde mich ansehen, gern mit leicht schiefgestelltem Kopf.

Kann gut sein, dass manche Personen das als Betteln bezeichnen würden, aber ich bin dankbar für diese Kommunikation.
Sollte doch mal ein Pferd an meine Tasche gehen, schiebe ich die Nase zur Seite bevor es weitergeht. Sollte ein Pferd hapsig versuchen, das Futter aus meiner Hand zu gieren, bleibt die Hand so lange geschlossen bis ich ein weiches Maul an meiner Hand spüre oder gar keins mehr. In beiden Fällen führt unvorsichtiges Verhalten dazu, dass das Pferd das Futter deutlich langsamer bekommt als es der Fall wäre, wenn es einfach vorsichtig gefragt hätte. Das lernen die Pferde ziemlich schnell und sind dann sehr vorsichtig.
Equester hat geschrieben: ↑Mo 19. Apr 2021, 12:41Und wie ziehst Du Grenzen, ich meine, wie vermittelst Du bestimmte Dinge? Wenn es immer was gibt, ist ja der Ansporn aus meiner Sicht nicht wirklich da.
Wieder analog zum oben beschriebenen Geben von Feedback in einem Gespräch. Auf die konkrete Situation mit dem Pferd übertragen differenziere ich durch mindestens drei Dinge: die Menge des Futters, die Art der Futtergabe und meine Emotion (nach Wichtigkeit geordnet in aufsteigender Reihenfolge).
(1) Menge: Ich füttere Mais- und Haferflocken und eine normale Portion besteht aus einer Maisflocke (oder einem Maisflockenbruchteil) oder ungefähr drei Haferflocken. Wenn ich signalisieren möchte, dass ich die Handlung vom Pferd richtig klasse fand, werden die Portionen größer und ich gebe mehrere Portionen nacheinander.
(2) Art der Futtergabe: Wenn das Pferd mich nach Futter fragt, ohne dass ich von selbst einen Anlass fürs Belohnen gesehen hätte, sind meine Bewegungen beim Futtergeben langsamer, flacher, ohne viel Körperspannung und gehen dadurch nur einen Teil der Strecke bis zum Pferdemaul. Wenn ich signalisieren möchte, dass ich die Handlung vom Pferd richtig klasse fand, bewege ich die Futterhand energisch und schnipsig bis direkt unters Pferdemaul. Natürlich betrifft das nicht nur meine Hand, sondern meine gesamte Körperspannung und Bewegung.
(3) Meine Emotion: Wenn das Pferd mich nach Futter fragt, ohne dass ich von selbst einen Anlass fürs Belohnen gesehen hätte, ist meine Emotion ähnlich zu meiner Art der Futtergabe flach und weich. Wenn ich signalisieren möchte, dass ich die Handlung vom Pferd richtig klasse fand, bin ich viel enthusiastischer.
Das mit dem Ansporn ist dennoch ein guter Punkt - der wäre vielleicht sogar höher, wenn ich nur sehr selektiv füttern würde. Ich sehe das aber als Vorteil, denn dadurch dass bei uns Futter nicht knapp ist, neigen die Pferde viel weniger dazu, Dinge zu tun nur um an das Futter zu kommen. Das stellt höhere Anforderungen an uns als Menschen: Wir dürfen lernen, die Situation so zu gestalten, dass das Pferd auch wirklich mitmachen will.
