Wege aus dem Nein

Moderator: Keshia

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Romy
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

crinblanc hat geschrieben: Sa 2. Nov 2024, 19:00in letzter Zeit bin ich bei einem "Nein" der Füchsin schlicht zum Bunten gegangen, und hab den gefragt, ob er Lust hat....
Füchsin hat dann doch zugeschaut- und stand teilweise von selbst daneben und gab (ungefragt) das Streberlein, vor allem, wenn sie etwas schon kann, was der Bunte grad erst kennenlernt. Wird dann natürlich auch gefeiert und ins Spiel (Lektion auf "ernsthaft") einbezogen. :nix:
So mache ich bei meinen Pferden immer die Hufe. Ich bearbeite einen Huf eines Pferdes (wie immer bei uns mit Futter-Belohnungen). Sobald es den Huf wegzieht, gehe ich zum nächsten Pferd - und so geht es die Runde rum. Je nachdem, wie viele Pferde gerade dabei sind und mitmachen wollen, kann es also dann erstmal eine ganze Weile dauern, bis das Hufwegzieh-Pferd wieder dran ist. Man mag gar nicht glauben, was für geduldige Hufstillhalter die Pferde dadurch geworden sind - kein Vergleich zu früher, als ich noch meinte, ich müsse auf ein "Nein" des Pferdes mit "Doch" antworten.

Zum Nein seitens des Menschen: bei uns gibt es durchaus einige wenige Situationen, in denen das vorkommt. Das sind aber dann fast ausschließlich Situationen, in denen ich nicht fit bin, nicht aufgepasst habe, nicht rechtzeitig trainiert habe und es dann erst viel zu spät merke... Wenn ich hingegen eine Situation durch Aufzeigen von Wegen anstatt durch Versperren von Wegen lösen kann, dann hab ich keinerlei Motivation, mich fürs Versperren zu entscheiden. Viellicht auch, weil ich als Mensch es nicht mag, wenn jemand Nein zu mir sagt und mir Wege versperrt. Ich bin da wohl ein bisschen wie Pia. Aber wie Nucades und Riff schon sagten, hier ging es mir eher um ein Nein seitens des Pferdes. :-)
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Biggi01
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Biggi01 »

Ich lese hier sehr interessiert mit.

Eigentlich bin ich eher"old school", und mit dem ständigen Futterlob zum Beispiel kann ich wenig anfangen.

Trotzdem überdenke ich durch das Lesen solcher Beiträge meine Sicht- und Vorgehensweise, und würde bei einem "neuen" Pferd wohl einiges anders machen.
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crinblanc
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von crinblanc »

Futterlob ist bei der Füchsin auch ein schmaler Grat, nicht etwa, weil ich es nicht mag, sondern weil sie in ihrer Vergangenheit das Koppen als einzige Möglichkeit kennengelernt hat, Glückshormone auszuschütten.
Und bei ihr ist das offenbar beidseitig verknüpft: Sie koppt zwar nach wie vor in Situationen, die sie stressen (guter Anzeiger), auch zb in der Rosse in Ruhe (kann wohl jede Frau nachvollziehen)- aber auch, wenn sie Glück/Wohlbefinden aus anderen Quellen (Leckerli, Lob) empfindet.
Deshalb hab ich bei ihr von Anfang an eher mit Kraulstellen und Stimmlob belohnt- liebt sie beides, und selbst bei richtig begeisterter Freude meinerseits (quietschendes Stimmlob) koppt sie kurz mal :nix:
Bei hochfrequentem Futterlob steigert sie sich extrem rein. Ab und zu Lecker geht, mittlerweile. Aber Clickerfrequenz- zuviel.
Gibt bei ihr zum Glück eben andere Möglichkeiten, mich für ein "Ja" (mittlerweile oft, bevor ich gefragt hab) zu bedanken. Für ne gute Kraul-Nummer ignoriert sie auch mal den Futtereimer...

(übigens- liegt das Lob-Futter in gleicher Menge im Eimer, wird gefressen und gut. Kein Schnicker.. :nix: )
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Romy
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

crinblanc hat geschrieben: So 3. Nov 2024, 09:30Bei hochfrequentem Futterlob steigert sie sich extrem rein. Ab und zu Lecker geht, mittlerweile. Aber Clickerfrequenz- zuviel.
Meine Erfahrung ist, dass gegen Aufregen eine Entwertung des Futters hilft, indem es einfach keine knappe Ressource mehr ist. Bei uns gibt es ganz viele ganz winzige Portionen an Futter (pro Portion 1-3 Maisflocken) und die gibt es auch zwischendurch einfach so, wenn die Pferde danach fragen. Dadurch ist Futter so normal geworden, dass es nicht mehr zu Aufregung führt. Auf Spaziergängen nehmen sie das Futter oft gar nicht an (wenn ich es nicht direkt zum Maul führe), weil es oft einfach etwas Besseres zu tun oder zu entdecken gibt oder man gerade so schön im Geradeaus-Lauffluss ist.

Solche Aufregung kenne ich persönlich nur von Pferden, die Futter als Kommunikationsmittel noch nicht gewöhnt sind oder bei denen der Mensch es sehr sparsam handhabt und ein "vielleicht" im Spiel ist. Das wurde auch in zahlreichen Studien zur Wirkung von Belohnung gezeigt: sichere Belohnung führt nach einiger Gewöhnung nicht mehr zu einer überschießenden Dopamin-Reaktion. Das ist auch genau der Grund, warum variable Verstärkung so effektiv und beliebt ist, weil man sich damit die starke Wirkung aufrecht erhält. Ich will die explizit nicht haben (beziehungsweise wenn, dann durch besonderes Spezialfutter) und deswegen ist unser Futter immer und ohne großen Aufwand verfügbar.

Die Kehrseite ist, dass man sich damit natürlich auch die Manipulationswirkung des Futters kaputt macht. Maymun zum Beispiel streckt noch nichtmal 10 cm den Kopf nach vorne, um ans Futter zu kommen, wenn ich ihn in eine Richtung locken will, in die er nicht gehen möchte.
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von crinblanc »

Romy, das hab ich bereits versucht, hab auch irgendwo gelesen, daß es dazu Studien geben soll - ich sag ja, Futter als "Futter" ist absolut unaufregend, mittlerweile. Werf ich die Möhre/Lecker/Sellerie (neuerdings das superober-Ding :lol: ) in ihren Eimer, frißt sie es halt.
Ich glaub, mein Pony hat die Studien nicht gelesen- oder unser Alltag eignet sich nicht als Studienaufbau. :nix: :könnte schon sein :mrgreen:

Futter aus der Hand egal wie oft und egal wie beiläufig geübt, vor allem aber gekoppelt mit einer besonderen Stimmung (Lob, Freude) läßt sie bei höherer Frequenz schnicken.
Es gibt auch bei uns durchaus Futterlob-Anlässe, die werden auch beibehalten und größtenteils ohne schicken "ausgehalten"Und auch die Hagebutte "im vorbeigehen", natürlich. - aber Futter im 10-sekunden-Takt (clickern) überfordert sie schlicht.
Dadurch, daß es für sie sowieso Sachen gibt (Kraulen), die Futter weit toppen, find ich das gar nicht schlimm :nix:

Übrigens gab es auch bei uns so nette Begebenheiten, daß ich sie zb am ersten Weidetag (frisches Gras, wohl das Nonplusultra) angesprochen hab, sie tatsächlich zu mir kam, und das überrascht angebotene Lecker (ich hab sie nicht damit gelockt, hab es erst ziemlich überrumpelt aus der Tasche gezogen, als sie neben mir stand) mehrfach ausgespuckt hat, mit den sichtbaren Kommentar "ich komm, weil du das möchtest und ich dich mag, aber doch nicht für so ein trockenes Stückchen". sprachs, tauschte einmal Atem mit mir :herzi: und versenkte neben meinem Fuß das Näschen ins Gras...
Also in dem Fall war's dann wohl ein Nein (danke) zum Leckerli.
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Romy
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Richtig schön, dass das für euch so funktioniert! :-) Ich denke auch überhaupt nicht, dass Futter eine Notwendigkeit ist und es ohne nicht geht, einen positiven Umgang mit seinem Pferd zu haben. Für mich macht es Futter nur einfach leichter, Danke zu sagen und den Pferden eine Freude zu machen. Ich fühle mich damit einfach besser. Übrigens ist dieses interne Kriterium ("ich freue mich") bei mir der Auslöser für die Futtergabe, anstatt des externen Kriteriums, was das Pferd genau gemacht hat. Manchmal kann ich gar nicht genau sagen, was das Pferd gerade genau gemacht hat, um sich das Futter zu verdienen - ich merke nur, dass ich mich darüber gefreut habe.
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Scheckenfan
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Scheckenfan »

Romy, ich finde euren Weg total spannend und schön, habe auch viele deiner Videos geguckt. Aber ich denke auch, dass ist schon recht "speziell" und braucht die dazu passenden Menschen (samt deren Ziele und Wünsche) und Pferde.

Ich Versuche deinen Ansatz mal für mich zu übersetzen bzw aufzuschlüsseln:
Letztlich sehe ich aber auch bei dir, dass ein Nein vom Pferd dazu führt, dass du die Frage mehrfach neu und dabei gern auch mehrfach anders stellst. Du also das Nein vom Pferd auch nicht als unbedingtes, nicht zu hinterfragendes, unveränderliches Nein annimmst (was dann in der Tat den Bewegungsspielraum arg eingrenzen würde) sondern letztlich schon daran arbeitest, aus dem Nein ein Ja zu machen, mit möglichst minimalem Druck zwar, und ohne "Erfolgszwang" aber schon mit dem Hintergedanken, dass die Antwort vom Pferd auch ändern könnte.

Das heißt, der mehr oder weniger große Unterschied ist, dass DU als Mensch auf ein Nein vom Pferd nie mit einem Nein deinerseits antwortest und damit Konfrontationen vermeidest - richtig?

Und daraus folgt für mich die (explizit nicht emotional aufgelandene, sondern sachlich gemeinte) Frage: warum ist für dich ein Nein vom Pferd 100% in Ordnung, ein Nein vom Menschen aber mit allen Mitteln zu vermeiden?
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
- Mahatma Ghandi
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Romy
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Scheckenfan hat geschrieben: So 3. Nov 2024, 11:46Ich Versuche deinen Ansatz mal für mich zu übersetzen bzw aufzuschlüsseln:
Letztlich sehe ich aber auch bei dir, dass ein Nein vom Pferd dazu führt, dass du die Frage mehrfach neu und dabei gern auch mehrfach anders stellst. Du also das Nein vom Pferd auch nicht als unbedingtes, nicht zu hinterfragendes, unveränderliches Nein annimmst (was dann in der Tat den Bewegungsspielraum arg eingrenzen würde) sondern letztlich schon daran arbeitest, aus dem Nein ein Ja zu machen, mit möglichst minimalem Druck zwar, und ohne "Erfolgszwang" aber schon mit dem Hintergedanken, dass die Antwort vom Pferd auch ändern könnte.

Das heißt, der mehr oder weniger große Unterschied ist, dass DU als Mensch auf ein Nein vom Pferd nie mit einem Nein deinerseits antwortest und damit Konfrontationen vermeidest - richtig?
Ganz genau. Ich verzichte nicht auf mein Ziel, sondern ich gehe lediglich Umwege, um da hinzukommen. Ein Nein des Pferdes wird von mir nicht generell akzeptiert, sondern nur für diesen Moment, in dem die Antwort noch Nein lautet. Also klar gibt es auch ein paar generelle Neins, die ich dann auch langfristig so stehen lasse. Aber nicht bei Dingen, die mir wichtig sind. Wenn ich etwas wirklich erreichen will, ändere ich die Art zu fragen, den Kontext oder sonstige Bedingungen, die dann dazu führen, dass das Pferd freiwillig Ja sagt. Das Ziel bleibt in der Regel bestehen, nur die Wege dahin ändern sich, wenn ich auf Widerstand stoße.
Scheckenfan hat geschrieben: So 3. Nov 2024, 11:46Und daraus folgt für mich die (explizit nicht emotional aufgelandene, sondern sachlich gemeinte) Frage: warum ist für dich ein Nein vom Pferd 100% in Ordnung, ein Nein vom Menschen aber mit allen Mitteln zu vermeiden?
Ganz einfach: weil ich es kann. Also ich sehe mich selbst meistens in der Lage, Situationen in meinem Sinne zu lösen, ohne dabei auf Konfrontation zu gehen. Bei einem Nein des Pferdes habe ich keinen Zweifel daran, dass ich trotzdem an mein Ziel komme - und kann mich deswegen ganz entspannt zurücklehnen und mit einem Lächeln den Kompromiss eingehen. Meine Pferde lernen das in der Regel auch, wenn sie älter und erfahrener werden. Aber ich möchte, dass diese Bereitschaft für Kompromisse und sich anpassen aus ihnen selbst heraus kommt und nicht aus einem äußeren Zwang. Genauso fühlt es sich nämlich für mich an, wenn ich Zugeständnisse mache: als ein Erleben meiner Kompetenz. Als eine Wahl, die ich treffe, obwohl ich auch anders hätte entscheiden können. Und dieses Kompetenzerleben möchte ich meinen Pferden ebenfalls ermöglichen, wo ich kann. :-)

Generell sehe ich es aber auch so wie du, dass das sehr stark vom Menschen abhängt. Ich bin von Natur aus ziemlich selbstbewusst und gelassen. Ich hab nie gelernt, dass ich mich durchbeißen und für mich einstehen muss, damit nicht über meine Grenzen getrampelt wird oder ich ausgenutzt werde. Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben das Gefühl gehabt zu haben, dass jemand über meine Grenzen trampelt oder mich ausnutzt. Das ist einfach nicht Teil meines Erlebens. Deswegen hab ich auch nicht den Drang zu "ich muss mich durchsetzen". Das, was ich will, passiert sowieso meistens. Und weil das OB nicht wackelig ist, kann ich im WIE flexibel sein. Eine ganz andere Situation wäre es, wenn ich das Gefühl hätte, dass wenn ich etwas jetzt nicht kläre, es dann später ganz schlimm wird. Dann hätte ich wohl kaum die Gelassenheit, zu sagen "wenn nicht jetzt, dann eben später - wenn nicht so, dann eben anders".
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Scheckenfan »

Ich kann das insofern nachvollziehen, als dass ich bei meiner Tochter das Prinzip "WIE ist wichtiger als WAS" lebe, was bei anderen Eltern immer mal auf Unverständnis stößt. Mir ist viel wichtiger, wie sie versucht, ihre Wünsche umzusetzen, als was diese wünsche beinhalten. Solange es nett und freundlich und auf Basis von Argumenten abläuft, bin ich maximal verhandlungsbereit :nix: ich denke das läuft in eine ähnliche Richtung.

Ich kann aber auch sagen, dass mein Herzenspferd jede Versuch von mir, ohne Nein zu arbeiten schrecklich frustrierend fand. Mag an meinen Fähigkeiten liegen, aber der war bedeutend zufriedener, wenn ich Fehlversuche seinerseits mit einem verbalen oder körpersprachlichen Nein kommentiert habe. Vielleicht wäre das zwischen dir und ihm anders gewesen, aber zwischen mir und ihm war das kein Weg, der uns glücklich gemacht hat. Und dabei ging es nicht um Dominanz oder Durchsetzen, sondern um Frustvermeidung. Er fand es schrecklich frustrierend, wenn er "raten" musste, was ich will. Er wollte bitte wie beim Topfschlagen "warm" und "kalt" hören.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
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Re: Wege aus dem Nein

Beitrag von Romy »

Klingt für mich sehr nachvollziehbar. Aber es setzt wahrscheinlich voraus, dass es das Konzept der "Fehlversuche" überhaupt gibt, oder? Wie war denn für ihn unterscheidbar, ob du seine Reaktion als Fehlversuch interpretierst oder als eine valide und informative Antwort auf deine Frage?
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