Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

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eseilena
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von eseilena »

:panik: Ich wollte keinesfalls ausdrücken, dass ich es angenehmer fürs Pferd fände, wenn der Kiefer statt der Zunge den Druck abbekommt :panik:

Mir ging es nur grundsätzlich um mein Verständnis der "Sachlage". Danke für die Erklärung (und die Zunge ist an dieser Stelle tatsächlich breiter als der Kiefer? Interessant) !
Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

eseilena hat geschrieben:die Zunge ist an dieser Stelle tatsächlich breiter als der Kiefer?
Wenn ich von dem ausgehe, was ich bisher beim Zähneraspeln in der Hand hatte, definitiv ja. :-n
Lemmy
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Lemmy »

Ramona hat geschrieben: Wenn ich mir überlege, wofür ein Nussknacker gemacht ist, dann wirkt die Kraft doch nicht auf die sich aufstellende Spitze bzw. einen Punkt den die Spitze dann berührt, sondern auf die Nuss innerhalb der beiden Schenkel. Der Gaumen ist da aus meiner Sicht sowieso nicht das Problem (was ja inzwischen auch belegt ist, s. oben), sondern die Zunge, die zwischen den beiden Schenkeln des Gebisses gequetscht wird.
Sorry! Das war schlampig formuliert. Der Nussknackereffekt besteht sicherlich in der seitlichen Quetschung des Unterkiefers/ der Zunge. Allerdings ist eine seitliche Annäherung der Trensenschenkel ohne gleichzeitiges Ausweichen des Mittelgelenkes nicht möglich. Abhängig von der Kopfhaltung müsste also ein seitliches Quetschen schon mit einer Annäherung des Gelenkes an den Gaumen verbunden sein.

Lemmy.
Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

Lemmy hat geschrieben:Abhängig von der Kopfhaltung müsste also ein seitliches Quetschen schon mit einer Annäherung des Gelenkes an den Gaumen verbunden sein.
Warum? Der Nussknackereffekt dürfte bei sachgemäßem Gebrauch der Zügel, also nur sehr geringer Einwirkung, ja ohnehin kein Problem darstellen, sondern nur wenn gezogen wird. Die Zunge kann aufgrund ihrer Beschaffenheit ein Stück weit nachgeben bzw. komprimiert (d. h. gequetscht) werden. Wenn die Zunge nicht nachgeben könnte, müsste sich das Gelenk dem Gaumen annähern, das kann ich nachvollziehen. Da sie aber nunmal nachgeben kann, genauso wie der Unterkiefer, kann das Gebiss sehr wohl mehr Druck auf Zunge und Unterkiefer ausüben, ohne sich dabei mit dem Gelenk dem Gaumen zu nähern.

Bei Pferden, denen das Maul nicht mittels Reithalfter eng verschnürt wird, kann man genau dieses Maul öffnen bei Zug ja auch beobachten. Warum machen die Pferde das wohl?
Lemmy
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Lemmy »

Nimm' mal eine Bogenpeitsche oder lange Gerte am Griff und an der Spitze in beide Hände und führe dann die Hände zur Mitte hin zusammen. Dabei weicht die Mitte der Peitsche nach außen aus. Genau das gleiche passiert mit der gebrochenen Trense, wenn sich beide Schenkel nähern - nur noch leichter, da das Gelenk sehr viel beweglicher ist. Das ist einfach nur Physik und gilt grundsätzlich. Die Frage, ob sich die Schenkel bei Zug annähern und damit quetschen, scheint von der passenden Größe abzuhängen. Ist die Trense zu breit für das Maul wirkt die Auflage im Bereich der Laden als Umlenkpunkt und der außen überstehende Teil als Hebel. Dann entsteht seitlicher Druck und Druck gegen den Gaumen. Passt die Trense in der Breite, steht außen nichts über, es entsteht kein Hebel und die Schenkel nähern sich nicht an. Das legen auch die Röntgenaufnahmen mit verschiedenen Trensen und unterschiedlichen Zugkräften nahe.

Zum Thema Maulöffnung: Das Maul öffnet sich durch eine Rückwärts-Abwärts-Bewegung des Unterkiefers, bei der die Zunge mit zurückgenommen wird. Das ist sicherlich eine Reaktion auf zu starken Zügelzug, der aber eher abwärts gerichtet auf die Zunge wirken dürfte. Auch das zeigen die Röntgenuntersuchungen sehr gut: dort wird die Zunge massiv eingedrückt, nur eben ohne seitlichen Druck.

Noch mal: Ich bin absolut kein Gebissanhänger und reite selbst nur mit LG-Zaum. Aber ich denke trotzdem, wir sollten uns bemühen die Tatsachen soweit wie möglich anzuerkennen und keine Weltanschauung aus dem Thema machen.

LG, Lemmy.
Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

Lemmy hat geschrieben:Nimm' mal eine Bogenpeitsche oder lange Gerte am Griff und an der Spitze in beide Hände und führe dann die Hände zur Mitte hin zusammen. Dabei weicht die Mitte der Peitsche nach außen aus. Genau das gleiche passiert mit der gebrochenen Trense, wenn sich beide Schenkel nähern - nur noch leichter, da das Gelenk sehr viel beweglicher ist. Das ist einfach nur Physik und gilt grundsätzlich.
Diese Betrachtung ist leider unvollständig. Es stimmt dann, wenn man davon ausgeht, dass die Schenkelenden sich auf einer geraden Linie aufeinander zubewegen. Ich hab das eben mangels eines anderen Gegenstandes mit einer Schere ausprobiert. Wenn ich die geöffnete Schere auf den Tisch lege und die beiden Scherenringe entlang der Tischkante (also auf der geraden Linie) gleichmäßig aufeinander zu bewege, um die Schere zu schließen, dann bewegt sich das Gelenk nur nach vorne in Richtung Tischkante.

Wenn diese Annäherung der Schenkelenden beim Gebiss auf der geraden Linie stattfinden würde, dann müsste es jedoch einen Nussknackereffekt geben, bei dem das Gelenk den Gaumen berührt oder sich diesem zumindest annähert.

Ich kann die Scherenschenkel allerdings auch schließen, indem ich an den Ringen "ziehe" und diese sich auf einer Bogenlinie einander nähern lasse. Dann bleibt das Gelenk unverändert auf derselben Position auf dem Tisch liegen. Die Ringe und ein Teil der Schenkel ragen bei der geschlossenen Schere dann aber über die Tischkante hinaus.

Genau das kann man meiner Meinung nach genauso auch auf das Gebiss im Pferdemaul übertragen, wo auch nicht das auf der Zunge liegende Gelenk seine Position verändert, sondern die Schenkelenden sich auf einer Bogenlinie einander annähern. Gerade weil nachgewiesen ist, dass sich das Gelenk nicht dem Gaumen nähert, bleibt nur diese Erklärung übrig. Und deswegen gibt es den Nussknackereffekt eben leider doch, nur nicht in Bezug auf den Gaumen, sondern in Bezug auf Zunge und Unterkiefer.

Mir geht es übrigens auch nicht darum das Reiten mit Gebiss zu verteufeln, mich hat lediglich die unvollständige Betrachtung des Nussknackereffekts gestört.
Lemmy
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Lemmy »

Ramona, du hast Recht! Ganz großen Respekt vor deiner Gründlichkeit! :hutab:

Lemmy
Ramona
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Ramona »

Danke.

Eben ist mir übrigens noch ein Fehler aufgefallen. :oops: Es muss natürlich heißen:
Ramona hat geschrieben:Wenn ich die geöffnete Schere auf den Tisch lege und die beiden Scherenringe entlang der Tischkante (also auf der geraden Linie) gleichmäßig aufeinander zu bewege, um die Schere zu schließen, dann bewegt sich das Gelenk nur nach vorne in Richtung Tischmitte.
Rennfisch
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Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von Rennfisch »

Ich hab versucht den Scherenvergleich nachzuvollziehen, mit dem Ergebnis, dass ich jetzt einen Knopf im Hirn hab :neben: Ist auch durchs ausprobieren nicht besser geworden... :-e

Zum Glück brauch ich nur mein Pferd fragen, was er lieber hat. Gebiss: Bäh, geh weg damit, ichziehdenKopfganzweithoch, und wenn ich es dann drin habe, kaut er mit weit aufgesperrtem Maul drauf rum. Kappzaum: Pferdi senkt den Kopf und schlüpft praktisch von allein rein. Ich hab jetzt mal probeweise die Zügel beim Kappzaum befestigt und bin damit geritten. Siehe da, er kann sich in allen Gangarten an den Zügel dehnen. Dem Gebiss weicht er aus, wie er nur kann, Kopf hochreißen, Rücken wegdrücken, davonrennen.

Ich werd dadurch sicher nicht zur militanten Gebissgegnerin, aber wenn ich schon so eindeutige Signale kriege... am liebsten würd ich Funky ja nur mit Halsring reiten, aber da meint er, meine Richtungsvorgaben sind Vorschläge, auf die er bei Belieben zurückkommen kann, das müssen wir noch etwas üben :lol:
:aquarium2:
ehem User

Re: Warum gebisslos? - Schäden durchs Gebiss

Beitrag von ehem User »

Was mich bei aller Physik ehrlich gesagt am meisten überzeugt hat waren Obduktionsberichte, Fotos und Röntgenbilder von Pferdekiefern, die durch die Bank weg überall, bei jeder Art Pferd, das mit Gebiss geritten wurde, vernarbtes Gewebe, Haarrisse im Knochen, verheilte Frakturen usw zutage gefördert hat. Also nicht nur in der Topspitze des Leistungssportes, sondern bei Freizeitponys, besonders Reitschulponys etc.

Ich gebe zu, ich verstehe die ganzen Winkel- und Nussknackerangaben nicht wirklich, aber das hat mich persönlich schon sehr stark abgeschreckt. Mit Knotenhalfter am Pferd fühle ich mich deswegen wohler, weil ich einfach ganz klar SEHEN kann was ich mache und wie das Pferd darauf reagiert. Hinzu kommt, dass ich meine eigenen Fertigkeiten nicht für so gut halte, dass ich bei Erschrecken o.ä. immer noch eine weiche Hand hätte.

Ist einfach so eine gefühlsmäßige Entscheidung, ich habe gern alle Faktoren schön übersichtlich, damit der einzige Chaosfaktor in einer Situation ich und das Pferd sind - und nicht Ausrüstung, die irgendwie interferiert. Hätte ich die "Eier in der Hose" und die Fähigkeiten, würde ich am liebsten nur mit Halsring reiten. Je weniger Gebimsel ich am Pferd habe, desto mehr weiß ich wieviel Kooperationsbereitschaft beim Pferd wirklich da ist.

Ich verurteile aber niemanden pauschal, der sein Pferd mit Gebiß reitet und sich die weiche Hand in jeder Situation zutraut. Ich kann es nur selbst nicht.
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