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Re: Mensch lernt reiten...

Verfasst: Mo 29. Apr 2013, 07:33
von ehem User
Tolles Thema! :friends:
Ich bin auch so ein Opfer des klassischen englischen Ausbildungsideales und habe leider auch schon ein paar "Reitschülerinnen" (ich gebe natürlich keinen RU, sondern nur ein paar Hilfestellungen für Leute, die bei uns gerne mal auf´s Pferd möchten) zu solchen gemacht.
Allerdings bin ich in den letzten Jahren dann doch endlich auf den Trichter gekommen, daß es in erster Linie wichtig ist, daß Pferd und Reiter sich wohl und sicher fühlen und sich der RU daran orientieren sollte, und nicht an irgendwelchen Ausbildungszielen. Das hat dazu geführt, daß ich bei mir und unseren Reitgästen viel mehr auf Lockerheit, Balance und Entspannung achte als auf korrekten Sitz und daß ich immer auch mal Menschen ohne Sattel auf´s Pferd setze. Übrigens gehören für mich dazu auch "Absteigübungen", also sich mal im Schritt oder Trab vom Pferd rutschen lassen.

Unser bevorzugter Reitstil ist der klassische englische (also der englisch-Reitstil aus der guten alten Zeit, als dort noch nicht Rollkur, sondern klassischen Prinzipien vorherrschten) und ich finde schon, daß wenn Reiter und Pferd sich in einem Stil reiterlich weiterentwickeln und gymnastizieren wollen, ein korrekter Sitz und korrekte Hilfengebung Sinn machen. Zumal die klassische Reitlehre ja auch aus den anatomischen und biomechanischen Gegebenheiten des Pferdes und seiner Bewegungen hervorgegangen ist.
Aber dieser Sinn muß dem RS und dem Pferd dann auch eingehend und nachvollziehbar erklärt werden und das gehört sicherlich nicht an den Anfang eines Reiter- oder Reitpferdelebens. Aller Anfang ist schwer, deshalb sollte man es sich da mMn einfacher machen und mehr auf Balance, Vertrauen, Sicherheitsgefühl und Spaß als auf Korrektheit achten. Eine Reitlehre für Anfänger, die sich daran orientiert fände ich auch mal eine super Sache!

Inzwischen habe ich nach langer langer Suche glücklicherweise endlich eine RL gefunden, die sich einerseits in der klassischen Reitlehre bestens auskennt und andererseits immer auch im Stande ist die dort vorgegebenen Bahnen zu verlassen um Pferd und Reiter in ihrem jeweiligen Lernstadium und der Tagesform individuell besser gerecht zu werden.

Re: Mensch lernt reiten...

Verfasst: Mo 29. Apr 2013, 09:04
von wiassi
Wir haben ja jetzt recht lange pausiert und da stelle ich jetzt beim wieder loslegen fest, dass die ganzen Fehler aus der früheren Reitschulzeit plötzlich wieder da sind. Klammern (Beine zu und leichttraben ohne Bügel) , nach vorne fallen (Sitz gerade!) unruhige Hände, die nach unten drücken (Hände tief!), automatisch mittreibende Beine ( Treiben, treiben treiben!) -das Erbe der Reitschule, siehe die damaligen kommandos in Klammern. Es ist so schwer das wieder los zu werden sehe ich grad jetzt wieder, das war in den letzten zig Jahren des ständigne Reitens alles kein Thema mehr und kommt jetzt doch wieder hoch. Wir geben uns da wir derzeit keine RL haben im Moment gegenseitig Unterricht, vor allem eben Sitzschule. Viel mit Bildern wie bei sally swift, das finde ich gut wieder abrufbar und eingängig. Den Kindern von GG und von Freunden gebe ich ja auch mal Unterricht, da machen wir es auch so mit inneren Bildern und fangen mit Reiten auch im Trailparkours im schritt an, wo das mitgehen und mitdrehen etc eher automatisch passiert und die Kinder vor allem mit Spaß dabei sind. Am Sitz korrigiere ich bei den Kindern da kaum, meistens ist der Sitz bei Kindern zu Anfang gut, bis er "in Form gepressst wird" oder durch zu starke Gänge beim Pferd überfordert. Zum Glück kann meiner in beinahe jeder Geschwindigkeit traben und galoppieren und also auch mal mit kleinen Kindern in langsamsten Trab "daherschlurfen" wenn nötig.
Statt vieler Kommandos mache ich lieber einige spielerische Voltiübungen zur Verbesserung der Wahrnehmung.

Re: Mensch lernt reiten...

Verfasst: Mo 29. Apr 2013, 09:40
von Equester
Ich habe viele Jahre Reitunterricht bekommen, habe auch bei bekannten Trainern Kurse mitgeritten und fand das damals überwiegend gut. Meine letzte RL ist auch die Osteo von der Trabernase und erst bei ihr wurde mir klar, was in den ganzen Unterrichtseinheiten zuvor eigentlich gefehlt hat: das Wissen um die Anatomie des Pferdes :staun: . Sie hat sich überwiegend auf meinen Sitz konzentriert und das Pferd dabei , "außer Acht" gelassen, hat mir klar gemacht, wie sehr meine innere Vorstellung Auswirkung auf meinen Sitz hat und hat mir so geholfen, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln. Zusätzlich kann sie Zusammenhänge sehr gut erklären, was ich zuvor von den anderen RL´s nicht bekommen habe, warum auch immer :nix: . Durch sie bin ich von Western auf Klassisch umgestiegen, bzw. einige Elemente der Westernreiterei haben wir beibehalten, weil es für Pferd und Reiter einfach angenehmer ist.

Heute gebe ich selber RU und ich muss sagen, es ist schon erstaunlich, dass mir die wenigsten wirklich erklären können, warum z.B. eine Aufwärtsparade wichtig ist, warum man in die Richtung gucken soll, wo man hinreiten möchte, wie man seinen eigenen Sitz kontrollieren kann, ohne dass jemand in der Mitte steht oder ein Spiegel uns verrät, dass man mal wieder die Position einen Skifliegers oder Rückenschwimmers eingenommen hat, was passiert wenn man klemmt usw. . Ich habe mich im letzten Jahr durch meine Ausbildung sehr eindringlich mit der Anatomie des Pferdes beschäftigt und ich finde, dass jeder der RU gibt, sich damit auskennen muss, um den Zusammenhang zwischen den Hilfen des Reiters und der Reaktion des Pferdes erklären zu können, da ich immer wieder feststelle, wenn man es vom Kopf her versteht, fällt die Umsetzung um vieles leichter. Ich achte beim Unterricht auch überwiegend auf den Sitz des Reiters, um den zu kontrollieren, muss ich aber nicht zwingend den Reiter angucken, ich gucke, wie das Pferd läuft. Ich kann sagen, ob der Reiter locker ist, oder klemmt, ob er rechts in der Hüfte einknickt oder gerade nach vorne fällt. Und ich muss sagen, es macht mir unglaublich Spaß, wenn nach dem RU Pferd und Reiter grinsend und zufrieden vom Platz gehen, weil sie entspannt sind und ohne Druck und Zügelzerren gelernt haben, sich besser auf einander einzustellen und dass ein Pferd nur durch den Sitz schön rund geritten und gelenkt werden kann. Ich möchte niemanden für ein Turnier vorbereiten, mein Anliegen geht dahin, dass Pferd und Reiter harmonisch miteinander umgehen können (und ganz nebenbei verlieren sie auch einige Ängste, die sich durch einen falschen Sitz eingeschlichen haben ;) ). Letzte Woche habe ich einer kleinen 8 jährigen RU gegeben (auf einem 1,72 m Pferd) und ein weiteres Kind stand am Rand, die ebenfalls RU nimmt. Als die Kleine an der Longe ohne Zügel das Pferd durch Schläuche und Hütchen gelenkt hat, kam die Frage, wie sie das denn macht, sie hat doch gar keine Zügel und die braucht man doch zum lenken.........

Re: Mensch lernt reiten...

Verfasst: Mo 29. Apr 2013, 10:24
von ehem User
ich finde es ja eigentlich nicht erstaunlich, gerade hier über die gebühr leute zu finden, die eben DOCH wissen, wie es geht :) - wirklich schön! das inspiriert mich, es in einer weile dann vielleicht auch mit reit- und nicht "nur" clicker/ba-unterricht zu versuchen.

gute didaktik scheint zu einem guten teil daraus zu bestehen, ausgetretene pfade konsequent zu verlassen, und zwar ein leben lang.