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Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 00:03
von Hina_DK
Wie gut ich das kenne, so beginnt fast jeder Ausritt und anfangs auch Spaziergang bei uns. Unter anderem aus diesem Grunde, weil Reddi das mit allen macht, auch mit der Bereiterin, die ihm das austreiben sollte (erfolglos) habe ich ihn als "Problempferd" bekommen ;). Nachdem ich einige Erkundigungen eingeholt habe, habe ich erfahren, dass die ganze Zuchtlinie und das sind nicht wenige, er hat 663 Halbgeschwister, diese und andere "unkooperative" Unarten hat. Von Angst kann da überhaupt keine Rede sein, die Pferdchen haben einfach einen sehr starken Charakter und sagen ganz klar ihre Meinung "Ich hab jetzt keinen Bock ganz alleine mit Dir durch die Gegend zu ziehen" ;). Beim ersten Alleinausritt mit ihm, landeten wir auch gleich wieder zu Hause, wobei er immer ganz furchtbar aufpasst, bei der Aktion seinen Reiter nicht zu verlieren. Es wird also nie gefährlich aber es nervt. Dann gewöhnte ich mir an, ihn gerade noch so im rechten Augenblick durchzuparieren und die Sache auszusitzen. Er zeigt das immer sehr schön mit den Ohren an, wann für ihn die Tour beendet ist, ich bin also immer gut drauf vorbereitet. Wir haben schon oftmals recht lange gestanden, ohne dass ich ihn vorwärts trieb aber auch ohne, dass er weiter rückwärts ging. Sturkopf gegen Sturkopf ;). Er steht aber nicht gerne sinnlos rum und entschließt sich dann irgendwann doch mal weiter zu gehen und dann war es immer eine Frage, ob vorwärts oder rückwärts. Rückwärts anhalten, vorwärts wird gelobt, wie verrückt. Damit besserte sich das zusehens. Ganz haben wir das Problem der Meinungsverschiedenheit in dieser Hinsicht aber noch nicht aus der Welt geschafft. Was ganz gut funktioniert ist auch, sowie er einen Schritt vorwärts geht, ihn zu ermuntern schneller zu gehen oder sogar anzutraben. Sitze ich da relativ passiv drauf, ist die Sache schnell wieder glaufen. Dann gehts wieder rückwärts. Unser Rekord war ganz am Anfang mal über 20 mal anhalten und diskutieren. Wir sind in einer Stunde genau 1 km weit gekommen ;). Jetzt sind wir bei 1-2 Diskussionen pro Stunde, was schon gar nicht mehr der Rede Wert ist. Beim Führen gibts mittlerweile gar keine Probleme mehr. Was man aber auch mit so einem Rückwärtsgänger machen kann, ihn weiter rückwärts zu schicken und zwar ganz gezielt. Dann ist es irgendwann nicht mehr seine eigene Idee ;).

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 10:02
von Firlefee
Tja, gestern wollte ich mal den einen oder anderen Tipp ausprobieren - was soll ich sagen, sie ging nicht einmal rückwärts :lol: Sie zögerte zwar, aber wir haben die doppelte Strecke zurückgelegt, danach bin ich zufrieden mit ihr zurückgegangen. Und ich glaub, sie fand das sogar gut!

Ich hab auch vorher immer mal wieder bei Spaziergängen zügiges Vorwärtslaufen belohnt, manchmal sogar nur gemächliches Mitgehen, wenn das auch schon nicht gut klappte. Vorwärtslaufen findet sie trotzdem doof ;) Aber sie tut es, manchmal kann sie sogar marschieren, dann wird sie halbwegs mit Lob überschüttet :-D

Naja, ich schau heute Abend mal, wie sie dann drauf ist :)

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 10:40
von Hina_DK
Firlefee hat geschrieben:Ich hab halt ein bisschen Bedenken, dass ich mit der momentanen Methode eine Art negative Verhaltenskette (Pony denkt: wenn ich erst rückwärts gehe, kann Besi nix machen und ich bekomme danach für jeden Schritt vorwärts was Leckeres) aufbaue... :weird:
Da brauchst Du Dir keine Gedanken machen, solche Kettendenkweise können Pferde nicht aufbauen. Das ist rein menschlich. Allenfalls wissen sie, dass Du rückwärts nicht magst und vorwärts etwas positives ist, das belohnt wird. Sie können das aber nicht miteinander verknüpfen, dass sie erst rückwärtsgegehen, damit sie dann bei anschließendem vorwärtsgehen belohnt werden. Die Hoffnung des Pferdes ist allenfalls, dass Du das rückwärtsgehen akzeptieren wirst.

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 11:00
von ehem User
Naja, so ganz unrecht hat Firlefee mit ihrer Befürchtung nicht, Hina. In Bezug auf das Rückwärtsgehen kann ich das nicht mit Sicherheit sagen, würde das aber auch nicht ausschließen wollen.

Schau mal, hier steht das schön beschrieben, wie es zum Aufbau einer negativen Verhaltenskette kommen kann. Ich denke, das meint Firlefee damit. Oder? :)

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 11:15
von Firlefee
Genau das, Bineline :-D Leider konnte ich das gestern nicht testen, weil Madame ja vorsorglich brav war... :augenroll2:

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 11:18
von ehem User
Vielleicht lag das ja daran, dass du positiver an die Sache rangegangen bist? Du weißt doch, wie das ist mit dem :spiegel:

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 11:27
von Hina_DK
Was Babette beschreibt, ist eigentlich eine andere Situation, es ist eine reine Kausalkette mit direktem Weg von Ursache bis Wirkung. Das Pferd scharrt, hört damit auf und wird belohnt. Das Pferd hebt den Ring auf, legt ihn über die Pylone und wird belohnt. In unserem Fall ist es aber anders, das ist keine geradlinige Kette. Das Pferd will nicht auf Tour, stoppt und geht rückwärts. Jetzt wäre bei einer gradlinigen Kette nur noch die Frage, wirds belohnt, weil ich mich drauf einlasse oder eben nicht. Ich entscheide also, ob ich das gut finde oder nicht. Natürlich werde ich mein Pferd stoppen also keine Belohnung. Das weiß das Pferd aber nicht vorher. Nun stehen wir und sind wieder an einem neutralen Punkt und die Frage steht im Raum, wie es weiter geht. Ich fordere zum vorwärtsgehen auf. Es ist also eine neue Aufgabe. Jetzt steht das Pferd wieder vor der Wahl, das zu akzeptieren und sich die gewohnte Belohnung dafür abzuholen oder nochmal seinen Weg auszuprobieren. Könnte ja evtl. auch belohnt werden. Und so komplex von Anfang der Aktion bis zum Ende denken die Pferde dann doch nicht. Es ist ja verschiedene Aktionen, die da miteinander verknüpft werden müssen.

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 11:44
von ehem User
Ja, aber ich kann auch Firlefees Bedenken nachvollziehen. Sie befürchtet, dass ihr Pferd meinen könnte, immer erst rückwärtsgehen zu müssen, damit es an die Belohnung kommt. Aus Sicht des Pferdes hieße das: Ich "muss" erst rückwärtsgehen. Wenn ich dann gleich tue, was von mir verlangt wird, erhalte ich eine Belohnung. Somit - meint Firlefee - würde u. U. das "zurück" für das Pferd positiv bestärkt werden. Ob das nun vom Pferd tatsächlich so miteinander verknüpft werden könnte oder würde, kann ich nicht beurteilen. Aber ausschließen würde ich es auch nicht ganz. ;) Um dem aber vorzubeugen, würde ich an ihrer Stelle meine Gürteltasche randvoll mit Leckerlis vollstopfen und jedes "vorwärts" belohnen, notfalls jeden oder jeden zweiten Schritt. Damit das Pferd wirklich nur das Vorwärtslaufen als lohnenswert(er) empfindet.

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 11:55
von Firlefee
Das könnte gestern der Grund gewesen sein :-D Wie sagt man außerdem so schön: jeder bekommt das Pferd, das er verdient? Tja... :lol:
Und Hina_DK, wenn Du es so erklärst, macht das wirklich Sinn! Danke :)

Re: Rückwärtsgehen - wie damit umgehen?

Verfasst: Do 11. Okt 2012, 12:49
von Hina_DK
Ich verstehe schon ein wenig, was Du meinst. Sie könnte meinen, dass auf Rückwärts grundsätzlich Vorwärts folgt und das dann belohnt wird. Aber diese Kette ist ja nicht durchgängig, sondern wird unterbrochen. Um ganz sicher zu gehen, dass das kein in sich immer gleich eingespieltes Muster wird, kann man aber auch Variationen reinbringen. Ich reite z.B. bei entsprechenden Anfragen im Rückwärtsgang bei ihm auch ab und an mal eine Volte aber eben nicht immer. Meistens parken wir erstmal. Man kann aber auch andere Zwischenschritte einschalten, die mit der ganzen Aktion nichts zu tun haben, z.B. anhalten und Hufgeben oder den Kopf im Genick nach hinten beugen oder sonstwas. Zudem würde ich dann auch mal in Momenten, in denen das Pferd gerade nicht selbst auf die Idee kommt, Rückwärtsrichten abrufen und das belohnen aber eben nur, wenn es so viele Schritte rückwärts geht, wie ich ihm selbst vorgebe. Dann lernt es auch, dass unaufgefordertes Rückwärtsgehen sich nicht lohnt, aufgefordertes dagegen durchaus.

Insgesamt ist es aber natürlich eine Frage dessen, dass das Pferd bei solchen Aktionen versucht, zu bestimmen, was passiert. Solche Situationen gibt es ja sehr oft, nur sind sie dann oft nicht so deutlich und normalerweise versuchen wir dann solche Sachen zu ignorieren, es sei denn, man arbeitet mit Dominanz und negativer Verstärkung. Beim Kopf durchsetzen wollen und Rückwärts nach Hause, kommen wir aber mit ignorieren einfach nicht weiter. Dominanz wollen wir aber auch nicht aufbauen, also brauchen wir eine lohnenswerte Ersatzhandlung für das Pferd. Es hat ja in der Regel keine Lust zu gehen, weil es nicht von den Kumpels weg will, spazieren gehen oder alleine ausreiten ätzend findet o.ä. Da ist also in erster Linie Motivation gefragt. Da bin ich allerdings auch noch heftig am knobeln, wie ich meinen Süßen dazu motivieren kann, dass er sich auch drauf freut, wenn wir alleine im Gelände unterwegs sind. Aber darüber haben sich auch schon die zahlreichen Vorbesitzer erfolglos Gedanken gemacht ;). Er kann Alleinritte ohne Gesellschaft einfach nicht leiden.

Die härteste Nummer, die er mal lieferte, war ein Ausritt, der keiner wurde. Ich gehe meist mit ihm ein Stück zum langsamen warm machen und steige dann auf. Er ließ mich aber nicht, ging sofort rückwärts. Das Spiel wiederholte er zig mal. Ich ignorierte das, führte ihn weiter vorwärts, probierte es nochmal. Letztendlich sind wir dann über eine Stunde spazieren gegangen, ich in voller Montour mit Helm und Sicherheitsweste, er mit Trense und Sattel. Er ging mustergültig, drängelte nicht und machte auch keine anderen Zicken, wir machten kleine Übungen zwischendurch, klappte alles hervorragen aber aufsteigen war einfach nicht drin. Alleine, dass ich neben ihm ging, reichte ihm scheinbar schon als Gesellschaft, die er so liebt, wenn er unterwegs ist, aus. Auf dem Rückweg sammelten wir meine Enkelin ein, die ließ er ohne jegliche Probleme aufsteigen und wir zuckelten dann so gemeinsam nach Hause ;). Seine Motivation ist also eindeutig Gesellschaft. Aber die kann ich ihm nicht immer bieten.