Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Moderator: Keshia

ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

Eines der für mich neuen Pferde am Stall, testete mich ganz offen-sichtlich (macht er wohl mit jedem Neuankömmling, wie ich im Nachhinein erfahren habe): ich sollte die Pferde abends das erste Mal alleine in ihre Ställe bringen, also Paddock-Kette auf und Pferd läuft in seine Box. Dieses eine wollte unbedingt zu allererst rausgelassen werden. Er stieg im Paddock und galoppierte auf dieser kleinen Fläche wie ein Blöder hin und her, keilte aus. Ich bin so erschrocken, dass ich im ersten Moment einen Schrei losgelassen habe. Hab mich dann aber schnell wieder gefangen und ihn schmoren lassen, bis alle anderen in den Boxen waren. Er ist daraufhin ganz anständig in seine Box gelaufen ohne Mucken ;)
Tja, und das mit dem Führen krieg ich auch schon deutlich besser hin. Sie laufen mittlerweile ganz gut mit mir und ich habe auch den Eindruck ganz gerne. Wenn sie dann brav daheim angekommen sind, gibts auch ein Leckerlie :whistle: . Die Besitzer benutzen zum Rausbringen auf die Weide die Führketten bei allen dreien (meiner braucht das grundsätzlich nicht), ich habe die noch nie einsetzen müssen, bei den Jungs und dem Mädl.
Benutzeravatar
Pirat
Nachwuchspferd
Beiträge: 403
Registriert: So 27. Mai 2012, 11:13

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Pirat »

Fenja hat geschrieben:...dass Pferd aber dann nur noch für das Futter etwas tut und nicht mehr für den Menschen :apfel: .
Das Pferd soll also für mich eine Lektion ausführen.

Jetzt stelle ich mir die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass ein Pferd etwas für den Menschen macht :kratz: . Denken Pferde so?
hallo,

ich komme ja aus dem hunde-clicker-bereich und bin mit diesen (positiven) erfahrungen "ans pferd" gegangen.
in der hundeschule gab es auch leute, die meinten "ich will ihm kein leckerchen geben, dann tut er das nur fürs leckerchen..."

ich habe für mich beschlossen:
mir ist es egal, "warum" mein hund kommt.
wegen mir??? :nix: wegen dem leckerchen??? :nix:

HAUPTSACHE ist doch: DASS er kommt!!!

das bedeutete für meinen hund, daß er 90% seines lebens frei herum laufen konnte! und in 90% der fälle auch sofort zurückkommt!
was juckt mich da, WARUM er zurückkommt?!?

zu meinem pferd:
ich sehe, welche freude er im letzten halben jahr am clickern entwickelt hat! vorher war ausprobieren unerwünscht...
jetzt fängt er an dinge auszuprobieren. sie fangen an "aktiv" zu werden. und das gefällt mir (meistens :zunge:)
er bekommt so einen gesichtsausdruck der sagt: hey? was machen wir heute? soll ich "dieses oder jenes" machen?
und wir arbeiten dann zusammen...

beim NHS, parelli etc (also bisher nur "gesehen" oder im netz belesen) - da fehlt mir die initiative des pferdes.
dieses freie ausprobieren.
der rahmen, in dem sie sich bewegen dürfen ist viel enger gesteckt, weil auf eine falsche reaktion eine verstärkung kommt.
das weglassen des drucks ist halt auch nur ein weglassen, keine "echte" freude oder belohnung...
und ich finde, daß man das den pferden tlw auch ansieht...

dennoch finde ich die idee "ich nerve und wenn du ansatzweise tust, was ich möchte, dann höre ich auf" nicht "verkehrt".
freies clickern braucht mMn zeit, geduld, gutes timing gute reaktionen/planung.
und wenn ich nicht auf "wir spielen uns zum ziel" lust habe, dann benutze ich schonmal die nerv-methode + clicker.
sprich: ich kitzel ihn an der schulter und wenn er das gewicht verlagert, dann "click".
es ist also nicht nur ein druck-weglassen, sondern die belohnung und freude spielen eine große rolle.

das schafft mMn eine ganz andere basis.
Benutzeravatar
Equester
Pegasus
Beiträge: 18695
Registriert: Di 15. Mai 2012, 08:52

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Equester »

Fenja hat geschrieben: Als ich sagte, dass wir mit Clickern arbeiten meinte er, dass er manchmal auch Futterlob nutzt, dass Pferd aber dann nur noch für das Futter etwas tut und nicht mehr für den Menschen :apfel: .
Das Pferd soll also für mich eine Lektion ausführen.Jetzt stelle ich mir die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass ein Pferd etwas für den Menschen macht :kratz: . Denken Pferde so?
Ich denke nicht, dass Pferde überhaupt so denken können. Mal ganz im Ernst, warum sollten sie etwas für uns tun? Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass sie etwas machen, ohne einen persönlichen Nutzen davon zu haben. Damit würden wir die Denkweise und den Horizont der Pferde deutlich überschätzen.
Pferde sind darauf ausgelegt, mit dem was sie tun, ihre persönliche Situation zu verbessern oder zu optimieren. Mal eben etwas für uns zu tun, ohne dass sie dahinter einen persönlichen Nutzen in Form von Futter und Wasser erwarten, macht für sie keinen Sinn.
Aus diesem Grund funktioniert das Clickern so hervorragend (bei den meisten Pferden, ich kenne inzwischen zwei, denen das Futterlob völlig wurscht ist) und bringt die Pferde dazu Dinge zu tun, die aus ihrer Sicht völlig unsinnig sind. Sie machen etwas und das Leckerchen am Ende der Aktion verbessert ihre Situation: sie bekommen Futter. Aber auch aus diesem Grund funktioniert die "ich mache Druck, bis Du das machst, was ich will" Methode. Mit der Reaktion auf diesen Druck und der daraus resultierenden Reaktion von uns - ich nehme den Druck weg - optimieren sie ihre Situation: der Druck ist endlich weg.



Fenja hat geschrieben:Die nächsten Fragen werfe ich einfach mal so in den Raum:

Gibt es eine Rangordnung zwischen Mensch und Pferd?
Wenn ja, gibt es Situationen, in denen man diese klarstellen muss, oder ergibt sich das aus dem täglichen Umgang?
Ich würde diese Frage ganz klar mit einem NEIN beantworten. Es gibt keine Rangordnung, es gibt nur jemanden, der es entweder besser weiß, oder aber, der Mittel hat, die das Pferd dazu zwingen, das zu tun, was man gerade will.
Die Rangordnung in einer Herde ist eine Aufgabenverteilung ganz nach den Fähigkeiten des Einzelnen. Es ist nicht der Chef, der am besten treten, schlagen, beißen kann, sondern der, der durch seine Erfahrung der Gruppe Sicherheit gibt. Auch unter dieser "Führungspostion" gibt es verschiedene Aufgaben, die von den einzelnen Herdenmitgliedern wahr genommen werden. Deshalb kann man auch nur schwer ausmachen, wer ist 2. 3. 4. usw. und ein angeblich rangniedriges Pferd kann in einer bestimmten Situation ein ranghöheres Pferd "schicken".
In dieses Sozialsystem reihen wir Menschen uns nun ein und übernehmen eine Aufgabe, kein Rang. Wobei hier das Pferd nicht die freie Auswahl hat, ob es nun damit einverstanden ist, dass ein Mensch es von A nach B bringt. Es muss folgen, traut es dem Zweibeiner diese Aufgabe nicht zu, kommt es zu den bekannten und immer wieder gerne beschriebenen "Dominanzproblemen". Das Pferd drängelt, schubst, oder rempelt den Menschen an, es ist aus Sicht des Menschen respektlos. Wie sieht das Pferd das? Die Figur, die einen da zwingt, von A nach B zu gehen, ist in seinen Augen schlicht unfähig, also muss darf man sich so benehmen, wie man es mit unfähigen Herdenmitgliedern auch macht: man sagt über Körpersprache: weg da, jetzt komme ich oder aber sie bekommen echte Angst und wollen einfach nur weg. Wir reagieren dann gerne mit Dominanztraining und üben auch mal Gewalt aus, um dem Pferd den notwendigen Respekt beizubringen. Da wir im Gegensatz zu dem Pferd uns beliebig bewaffnen und auch immer wieder aufrüsten können, "gewinnen" wir oft am Ende, aber haben wir dann auch den Respekt des Pferdes? Ich denke nein :nix:. Bei denen wir nicht gewinnen, sind dann die Problempferde, nur dass die Pferde im Grunde gar kein Problem haben ;) .
Fenja hat geschrieben:Ist es für euch wichtig, das ihr z.B. Vorhand/Hinterhand undabhängig voneinander bewegen könnt, auf Druck mit der Hand, Gerten/Fingerzeig, Blickkontakt?
Es ist mir bedingt wichtig, weil es für mich in vielen Situationen einfach bequem ist :shy:. Ich finde es im Sinne der Gymnastizierung wichtig, weil ich das Pferd damit in die Lage versetze, mich zu tragen und davon (hoffentlich) nicht krank zu werden. Es macht mir einfach Spaß, mich über Körpersprache mit meinem Pferd bei der Bodenarbeit "zu unterhalten. Ich empfinde es als befriedigend, wenn mein Pferd meine Gesten richtig deutet und es macht sich ein sehr gutes Gefühl in mir breit, wenn ich die Hinweise meines Pferdes deuten kann und die für ihn richtige Reaktion zeige.
Fenja hat geschrieben:(Wie) Arbeitet ihr mit Körpersprache?
Habt ihr Erfahrungen mit Natural Horsemanship?
Wenn ja, was nehmt ihr davon positives mit?
Kann man Natural Horsemanship und Clickern verbinden?
Wie baut ihr eine Patnerschaft/Freundschaft zum Pferd auf?Letztendlich interessieren mich eure Gedanken, auch wenn sie sich nicht auf die oben gestellten Fragen beziehen:
wie geht ihr mit Pferden um und warum?
Man arbeitet immer mit Körpersprache, das macht ja die meisten Probleme ;) , denn ganz oft wundern wir uns über eine Reaktion, dabei hat man genau das gerade über Körpersprache vom Pferd verlangt. Doof nur, dass wir das oft nicht gemeint haben :patsch:
Ja ich habe Erfahrung mit Natural Horsemanship und auch da kommt es - wie überall - darauf an, welchen Lehrer man erwischt. Viel Positives nehme ich da nicht mit, denn es ging in der Regel nur darum, dass das Pferd sklavisch gehorcht. So wie ich das NHS kennen gelernt habe, kann man es im Grunde nicht mit Clickern verbinden. Die eine Methode arbeitet mit Druck, der zur Belohnung weggelassen wird, die andere Methode ignoriert falsches Benehmen und belohnt ausschließlich die richtige Reaktion, die freiwillig vom Pferd angeboten wird.
Aber es gibt auch ein Zwischending, wenn ich z.B. das Pferd mit der Gerte antippe und es weicht, bekommt es dafür :click:. Ich habe durch das Touchieren Druck ausgeübt und für die richtige Reaktion gibt es eine Belohnung. Der Unterschied für mich liegt darin, dass ich den Druck bei ausbleibender Reaktion nicht steigere und dass die Belohnung auch eine Belohnung ist, nämlich etwas Leckeres im Maul :breitgrins:.

Mit meinem Pferd gehe ich eher unkonventionell im Sinne der Pferdefachwelt um. Er hat zu bestimmten Dingen eine eigene Meinung und die darf er auch haben (er mag es z.B. nicht zu spielen :nix:). Er folgt mir wohin ich auch gehe, offensichtlich kann ich diese Aufgabe also gut erfüllen. Wenn er mal nicht mit will, hat er dafür einen Grund, auch wenn ich diesen Grund nicht immer erkennen oder akzeptieren kann und dann manchmal doch darauf bestehe, dass er mitkommt, weil wir Huftermin oder sonst was haben. An "normalen" Tagen kommt es auch schon mal vor, dass er einfach nicht mit will (neues Heu, neue Wiese, neues Pferd in der Herde etc.), dann begnüge ich mich mit einer Krauleinheit und dem Einwurf eines Leckerchens und gehe wieder. Unserer Beziehung hat das noch nie geschadet, eher das Gegenteil ist dadurch eingetreten, er kommt nämlich an den anderen Tagen sehr gerne mit ;) . Mein Pferd rempelt mich ab und zu mal an, das liegt aber daran, dass er auf einer Seite blind ist, nicht weil er keinen "Respekt" vor mir hat, man muss also immer gucken, warum sie es machen. Da ich weder Turnierambitionen noch irgendwelche Termine habe, wo ich irgend etwas zeigen muss, ist die gemeinsame Arbeit in der Regel entspannt (ok, schlechte Tage haben wir beide mal :shy:) und ich mache immer nur das, was gerade geht. Manchmal geht halt nur ein Spaziergang, manchmal geht intensive Bodenarbeit, was gemacht wird, wird durch die Tagesform von ihm und mir entschieden. Oberste Devise ist aber: kein Stress! Warum ich das so mache? Weil ich mich dabei wohl fühle und es liebe, wenn er zufrieden guckt und mir zeigt, dass er sich wohl fühlt :herzi: und weil er mein bester Freund ist, auch wenn er "nur" ein Pferd ist.
Nach diesem Muster gehe ich auch mit anderen Pferden um und ich habe bisher keine nennenswerten Probleme gehabt. Sie arbeiten gerne mit und ich freue mich immer wie ein Kullerkeks, wenn nach einer Einheit das Pferd (und damit auch der dazu gehörige Mensch) entspannt ist und sich offensichtlich wohl fühlt.
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

Pferde sind darauf ausgelegt, mit dem was sie tun, ihre persönliche Situation zu verbessern oder zu optimieren. Mal eben etwas für uns zu tun, ohne dass sie dahinter einen persönlichen Nutzen in Form von Futter und Wasser erwarten, macht für sie keinen Sinn.
würde ich so nicht 100% unterschreiben. persönlicher nutzen ja. aber der kann nicht nur in form von futter oder wasser kommen.
auch reproduktionspartner sind zB eine resource, und ruhe.
stressminderung ist auch ein persönliches interesse, denn stress ist im allgemeinen der fittness (im evolutionssinn) nicht zuträglich
es kann für ein pferd zB schon ausreichen als motivation, dass es erkennt: oh, wenn du ein kompetenter aufpasser bist, kann ich mich ja entspannen.
Benutzeravatar
wiassi
Sportpferd
Beiträge: 1750
Registriert: Di 15. Mai 2012, 16:07
Wohnort: im Auenland

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von wiassi »

Wie geht ihr mit Pferden um und warum?
Mein Ziel ist ein freundschaftlicher Umgang, der von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Ich mag Pferde einfach. Am liebsten sind sie mir auf der Weide und wenn mein Pferd vom frisch aufgemachten Grastück zu mir kommt, weil es was mir mir machen möchte geht mir das Herz auf.

Ich mache im Umgang meine persönliche Zone klar und da hinein darf nur, wer eingeladen ist. Das hat nichts mit Pferd -Mensch zu tun, sondern ist allen Säugetieren mehr oder weniger angeboren. Stellt euch mal das Gefühl in euch vor, wenn ihr allein in einem leeren Wartezimmer sitzt und ein neu hereinkommender sich direkt neben auch setzt... erst mal Irritation....der persönliche gefühlte Bereich ist indivuduell. Also muss das Pferd meinen Anspruch auf Abstand respektieren, wie ich es auch nicht einfach antatsche.
Das setze ich bei bedarf gewaltfrei aber deutlich durch. Grundgedanke ist Souveränität ausstrahlen, nur wer unsicher in seiner Position ist, beißt gleich zu. Gleichzeitig erwarte ich von meinem Pferd keinen ständigen Sklavengehorsam, sondern Mitarbeit, mitdenken und repektiere auch seine Befindlichkeiten.

Gibt es eine Rangordnung zwischen Mensch und Pferd?


Das Spiel heißt nicht Rangordnung, sondern "wer bewegt wen" und in diesem Sinne gibt es eine artenübergreifende Hierachie. Wenn Pferde mit Kühen oder Schafen grasen kommunizieren sie auch und auch da gibt es ein Gefüge der Hierachie, in dem gewichen und durchgesetzt wird. Mit Hunden und Katzen geht das genau so. Manch ein Pferd hebt drohend das Bein, wenn ein Hund kommt -"Komm in meinen persönlichen Bereich und du bereust es" -und kein Hund würde denken, dass das Pferd pinkeln will. Manch ein Pferd weicht aber eben auch vor dem "Raubtier".
Im Verhältnis zum Pferd möchte ich nicht diejenige sein, die weichen muss. Ich möchte aber auch kein Raubtier sein.

Wenn ja, gibt es Situationen, in denen man diese klarstellen muss, oder ergibt sich das aus dem täglichen Umgang? Ja, es gibt diese Situaltionen,. Ich möchte nicht erst an der Schnellstrasse mit meinem Pferd diskutieren, ob ich absteigen darf oder nicht, ob es stehen bleibt oder nicht etc., ob es mir also vertraut oder nicht. Dementsprechend führe ich diese Situationen gezielt herbei und übe das erforderliche beiderseitige Verhalten in Ruhe und Freundschaft so, dass mein Pferd den Eindruck gewinnt, dass es das was ich will im Endeffekt selber möchte. Auch ich lerne ja in diesen Situationen immer dazu und das gemeinsame Lernen schweißt zusammen. Letztendlich ist das ja dass, was hinter "Motivation wecken" steht.

Ist es für euch wichtig, das ihr z.B. Vorhand/Hinterhand undabhängig voneinander bewegen könnt, auf Druck mit der Hand, Gerten/Fingerzeig, Blickkontakt?

Ja, da ich dadurch bei "Wer bewegt wen" besser mitmachen kann und mich mit leichter durchsetzen kann, bei den Sachen, die mir wichtig sind. Weil ich das Pferd entsprechend immer feiner bewegen kann, wenn ich es für nötig halte, aber es auch stillsehen kann, wenn erforderlich.
Gleichzeitig eröffnet die Körpersprache ein weites Feld an Kommunikationsmöglichkeiten, welche die verbale Sprache im Umgang mit dem Pferd so nicht hergibt.
Ich habe sehr viel über Pferde gelernt über "anforderungsfreie Zeit", einfach die Zeit, die ich mir nehme um die Pferde unereinander zu beobachten. Was macht den "guten" Herdenboss aus. worin unterscheidet er sich vom Despoten. Wie kann es sein, das mein Pferd den höheren Rang seines Pferdefreundes ohne wenn und aber anerkennt ( zB wenn es um Stuten ging) gleichzeitig aber trotzdem an sein Futter geht und ihn auch mal spielerisch auffordert zum rennen. Das machte er nur mit dem ranghöheren Freund, nie mit dem despotischen Chef. Und die Position des ranghöheren Freund, auf diese habe ich es abgesehen.

(Wie) Arbeitet ihr mit Körpersprache?

Ich mache sehr viel mit meiner persönliche Wahrnehmung, meiner Energie. Entspanne bewußt und sofort, wenn ich Druck rausnehmen will, fahre meine Energie bewußt hoch, wenn ich etwas möchte und kann damit immer feiner dem Pferd kommunizieren.
Ich nutze aber auch meine Körpersprache, um dem Pferd bewußt etwas zu signalisieren. Mein Ziel ist, es mit immer weniger Hilfsmitteln wie Seile, Halfter etc. auszukommen.
Ich nutze die beim Pferd zu beobachtende Körpersprache um herauszufinden, wie das Pferd drauf ist, denn ein scheinbar ruhiges Pferd kann introvertiert sein und dabei auch so unter Druck stehen, das es jederzeit explodieren kann. Wir haben so einen Kandidaten im Stall. Da muss man sehr genau beobachten, um ihn nicht zu überfordern. Wenn man ihm aber für ihn lösbare Aufgaben stellt ist er danach so was von begeistert und fröhlich...dabei kann das was heute lösbar war, morgen schon überfordern, daher ist Beherrschung der eigenen und genaue Kenntnis der Körpersprache beim Pferd für mich so wichtig.

Habt ihr Erfahrungen mit Natural Horsemanship?
Ja, seid 2004, habe meinen Level1 in pnh abgelegt und befinde mich jetzt so in Level 2-4. Ich bin aber kein "ausschließlich und nichts anderes"-Anhänger, habe immer auch weiter mit positiver Verstärkung wie Lob und Leckerlie gearbeitet, gerade auch bei Zirkussachen und auch immer Wert darauf gelegt, dass mein Pferd Freude dabei hat, mit fröhlichem Gesicht die zusammenarbeit beendet. Ich nutze meine Erfahrungen in nh bewußt viel für Desensibilisierung, Freiarbeit etc. aber eigendlich ist es auch unbewußt immer präsent im täglichem Umgang

Wenn ja, was nehmt ihr davon positives mit?
Letztlich sind alle Säugetiere irgendwie gleich gestrickt. Wenn man nh wirklich begriffen hat, kann man auch "Menschenherden" mit anderen Augen sehen. Dann wird eine ultra langweilige Besprechnung plötzlich sehr spannend, weil man die zwischenmenschlichen Aspekte mehr mitbekommt, vom Platzhirschgebahren, Radfahrersymtom, natürliches und gespieltes Führungsverhalten, Peter-Prinzip....all das eben. Das gibt es beim Pferd genauso, aber mit pferdischen Verhaltensweisen, die man kennen sollte. Es werden Verhaltensweisen erklärbar und es zeigen sich Wege auf, wo ich früher keine gesehen hätte. Bestes Beispiel unser introvertierter Elmi, den ich früher wahrscheinlich ganz falsch angepasst hätte. Aber wenn ich "der will nicht" für mich streiche bleibt "der kann nicht". Und das ist eine ganz andere Geschichte.

Kann man Natural Horsemanship und Clickern verbinden?Mache ich nicht, da ich anders angefangen habe. Aus Interesse am Clickern habe ich dass mit meinen Katzen gemacht und hochspannend gefunden, habe aber zuwenig Zeit dafür.

Wie baut ihr eine Patnerschaft/Freundschaft zum Pferd auf?Wie oben geschrieben Mein Ziel ist ein freundschaftlicher Umgang, der von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Mein Pferd soll immer gerne zu mir kommen und sich in meiner Gegenwart wohl fühlen, gerne mit mir was machen wollen und mir Vertrauen schenken. Dazu ist Konsequenz und Kontinuität nötig, Zeit und Ruhe, Gelassenheit und etwas, was das Interesse des Pferdes weckt. Sicher zählt auch Manipulation dazu, wenn ich schon (zumindest gefühlt) intelligenter bin, sollte ich das auch nutzen. Lasse deinem Pferd immer eine tür offen, aber stell sicher, dass es die richtige ist (PP).

Als mein Mann sich sein Pferd geholt hatte, habe ich zB sehr viel Wert darauf gelegt, dass das Pferd zu ihm geht und mich entsprechend im Hintergrund gehalten. Als es eine Phase „ich geh mal lieber“ hatte, war er der immer freundliche, der Richtung Eingang stand. Ich habe das Pferd leicht in Bewegung gehalten (Schritt –nie jagen) und immer dann den Druck weggenommen, wenn es in diese Richtung kam. Dann hat mein Mann leichtes Rückwärtsgehen andeutend es zu sich eingeladen.
Nicht lange und es war bei ihm. Da gab es Lob und Leckerlie und Streicheleinheiten. Und die Phase war damit auch beendet. Jetzt kommt er begeistert an. Für eine Freundin, deren Pferd sich z.T. 2h und länger nicht einfangen ließ, war diese Übung nach join up etc. der erste echte Beginn einer Freundschaft mit dem Pferd.
Auch gebe ich immer Vertrauensvorschuss. Wenn ich nicht davon ausgehe, dass das Pferd alles für mich tun möchte, aber vielleicht nur nicht weiß wie, dann brauche ich auch nicht anfangen. Etwas wie „verars…“ gibt es definitiv für mich nicht. Wenn das Pferd gelernt hat, sich zu entziehen, ist es an mir, ihm den Weg zu einer schöneren Zusammenarbeit zu zeigen und mich interessanter zu machen.

Ein Kernsatz für mich aus dem nh stammt von parelli: „Nimm die die Zeit die es braucht“ –wenn ich etwas anfange, plane ich so viel Zeit ein, das ich zu einem guten Ergebnis kommen kann. Dass muss nicht das perfekt verladene Pferd sein, sondern das kann bei einem Paniker schon das erste Kopfsenken in der Nähe eines Anhängers bedeuten. Und das kann auch schon mal nach 10 min sein. Aber wenn ich von vorne herein nur 10min üben kann, fange ich gar nicht erst an, um nicht mit schlechtem Ergebnis abbrechen zu müssen.


gottogott... roman...
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
Benutzeravatar
Hina_DK
Einhorn
Beiträge: 4801
Registriert: Mi 16. Mai 2012, 22:50
Wohnort: Dänemark

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Hina_DK »

Equester hat geschrieben:Oberste Devise ist aber: kein Stress!
Du hast einen sehr schönen Beitrag geschrieben und ich glaube, Deine oberste Devise ist sowieso der Schlüssel eines guten Umgangs und nicht nur mit Pferden.
Wir wollen ja eine schöne Zeit mit unseren Pferden verbringen und keinen Stress haben. Unsere Pferde haben wir für die Zeit der Entspannung gekauft. Deshalb ist es eigentlich vollkommen unsinnig, nur um seinen Willen durchzusetzen, mit dem Pferd zu "kämpfen" und damit die Situation in Stress ausarten zu lassen. Ich gehöre auch zu denjenigen, die keine Not haben, ihr Pferd, das gerade keinen Bock hat und ich gleichzeitig nicht überzeugend genug bin, auch wieder auf die Weide zu stellen, mich dort hinzusetzen und die Zeit damit zu verbringen, die Pferde zu beobachten. Viele lehnen das total ab, weil sie meinen, dass so niemals eine gute Partnerschaft zwischen Pferd und Mensch entstehen kann. Das bezweifle ich zwar, manchmal ist Geduld nämlich der bessere Weg und andererseits möchte ich auch keinen Partner, mit dem ich Stress habe. Besonders junge Pferde wie mein Tígull, brauchen oft erstmal ihre Zeit, sich wie man so schön sagt, selbst zu finden, erst dann sind sie auch offen für anderes. Warum soll ich diese Entwicklung brechen, nur weil ich der Meinung bin, jetzt gehts aber mal los. Gestern hatte ich mit ihm sogar eine sehr schöne Situation erlebt. Ich wollte Reddi seine neue Trense anpassen. Das habe ich auf der Koppel gemacht. Ich musste dann noch ein paar Löcher nachstanzen und Reddi fands langweilig aber er ist sehr geduldig. Tígull kam dagegen ganz wach und neugierig an und nach einer Weile versuchte er immer wieder, seinen Kopf in die Trense zu stecken. Eine Trense wurde ihm vor Monaten schon erklärt und weiß, dass sie für unterwegs gedacht ist. Ich habe das als ein Zeichen interpretiert, dass er gerne etwas mit mir tun wollte. Bisher hat er eher geblockt. Er ist so ein Kandidat, den ich schon oft auf die Koppel zurück gestellt habe, weil wir in stressige Situationen geraten sind.
Viele Grüße
Hina

Probiers mal mit Gemütlichkeit
ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

naja, ich muss sagen, wenn ich ein pferd reiten will, muss ich es regelmäßig arbeiten und gezielt aufbauen, ansonsten verspiele ich seine gesundheit.
da kann ich im zweifel nicht jedesmal sagen: ach ok, dann heut nicht, vielleicht morgen.
dann muss ich entscheiden, ob ich entweder aufs reiten verzichte, oder eben doch auch mal das pferd zu seinem glück überrede.

wobei idealerweise das pferd am training spaß haben sollte. und das ist halt manchmal leichter gesagt als getan

es gibt eben unterchiedlich motivierte kandidaten. die einen sagen nie nein, die muss man vor sich selbst schützen. die anderen sind vielleicht eher schwer zu motivieren.

allerdings kann ich da aus meiner eigenen erfahrung mit dem laufen sagen: wenn man neu anfängt, ist es oft jedesmal eine überwindung. aber nach einigen wochen bekommt man eine art lauf-jieper. wenn man vorher aufgibt, merkt man das natuerlich nicht.
umgekehrt ist es so, dass ich immer phlegmatischer werde, je länger ich mich nicht bewege. normalerweise bin ich tgl um die 2 stunden zu fuß unterwegs oder viel mit dem rad oder ich gehe laufen. wenn ich nur ein paar tage gar nichts tue, verliere ich jeden antrieb und mag mich gar nicht mehr bewegen.

bei pferden wird es diese effekte auch geben, da bin ich mir sicher (gesund und schmerzfrei vorausgesetzt), das ist keine höhere kognitive funktion sondern basale hirnchemie.
und dann muss man vielleicht mal 6 wochen lang dran bleiben, auch wenn das pferd nicht superduper begeistert ist.
dabei sollte man natuelrich alle möglichkeiten nutzen, motivationsfördernd zu arbeiten.
aber dranbleiben ist auch manchmal einfach wichtig
Benutzeravatar
Hina_DK
Einhorn
Beiträge: 4801
Registriert: Mi 16. Mai 2012, 22:50
Wohnort: Dänemark

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Hina_DK »

Das ist ja eigentlich auch der Knackpunkt. Ich selbst bin es, die erstmal den Weg finden muss, ihr Pferd zu motivieren, dass er Lust auf mich und unsere Arbeit hat ;). Die Baustelle ist in erster Linie meine eigene. In meinem Beispiel handelt es sich aber um ein junges Pferd, das leider zu früh angeritten wurde, mit 4,5 Jahren. Vom Kopf her war er aber noch nicht so weit, eben isländertypisch. Er durfte also zurück auf die Koppel und sich erstmal entsprechend entwicklen. Wie weit er ist, habe ich immer wieder angetestet und langsam scheint es so weit zu sein. Und nun kommt eben mein Part, die Motivierung des Pferdes :).
Viele Grüße
Hina

Probiers mal mit Gemütlichkeit
ehem User

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von ehem User »

Ich greife mal diesen Teil aus den eingangs gestellten Fragen heraus:
Fenja hat geschrieben: Habt ihr Erfahrungen mit Natural Horsemanship?
Wenn ja, was nehmt ihr davon positives mit?
Kann man Natural Horsemanship und Clickern verbinden?
Mein Pferd ist ein Crossover-Pony, d.h. ich habe sie etwas über zwei Jahre nach NHS gearbeitet. Dabei verstehe ich unter NHS das Lernen über negative Verstärkung, d.h. ich übe Druck aus und in dem Moment, wo das Pferd tut, was es soll, höre ich mit dem Druck auf.
Seit zwei weiteren Jahren arbeite ich mittels des Clickertrainings, also Lernen über positive Verstärkung: Zeigt das Pferd erwünschtes Verhalten, folgt die Belohnung, wobei der Click nur der Marker für den richtigen Moment ist.

Damit ist die Frage, das Pferd tut was, weil es was zu fressen kriegt und es tut es nicht für mich, hinfällig. Im NHS tut das Pferd was, um unangenehmen Druck auszuweichen bzw. ihn zu vermeiden. In keiner der beiden Trainingsarten tut es etwas "für mich".

Für mich schließen sich beide Vorgehensweisen in ihrer Reinkultur aus. Denn im reinen CT nimmt man das an, was das Pferd anbietet und formt sich daraus das erwünschte Verhalten. Da gibt es keinerlei Druck.
Allerdings kombiniere ich im Alltag häufig beides. So tippe ich mit der Gerte ein Bein an (Druck) und wenn es das hebt, gibts den Click und die Belohnung. Ich stelle dabei fest, dass ich viel schneller weniger Druck benötige, als in den Zeiten, in denen ich ohne positive Verstärkung gearbeitet habe. Sehr schnell reicht ein Zeigen auf das Bein aus. Ich bemühe mich, mit so wenig Druck wie möglich auszukommen, weil so einfach die Arbeitsatmosphäre viel schöner ist. Ich erlebe mein Pony viel motivierter und es zeigt mehr Eigeninitiative. Das gefällt mir und das ist von mir erwünscht (wenn auch nicht immer einfach ... ;) )
Benutzeravatar
Pirat
Nachwuchspferd
Beiträge: 403
Registriert: So 27. Mai 2012, 11:13

Re: Ganz allgemein: wie geht ihr mit Pferden um und warum?

Beitrag von Pirat »

@equester,

das hast du ganz toll beschrieben!
Antworten