Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Moderator: Keshia

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Equester
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Equester »

Nucades hat geschrieben:
Singen hat bei meinem Pferd mittelfristig dazu geführt, dass er, wenn ich angefangen habe zu singen, angefangen hat zu gucken, wo die "Gefahr" lauert
So schrecklich singst Du? :lol2:


Sorry :hug: Matheaufgaben lösen hilft auch ;)
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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Hottie
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

Schimmelchen hat geschrieben:Probier es mal mit singen :-)

Deine Atmung verändert sich dadurch und du bist etwas von deiner Angst abgelenkt. Bei meinem Pony funktioniert das sehr gut; er wird sofort ruhiger (obwohl ich gaaaaanz schlecht singe ;) )
Singen klappt bei uns sogar manchmal ganz gut, obwohl ich auch schlecht singe ;) . Ich singe dann auch tatsächlich den ganzen Ausritt vor mich hin, also nicht nur, wenn da gerade ein Trecker kommt oder so...
Equester hat geschrieben:Noch ganz kurz eine Anmerkung: ich kann Vermeidungsstrategien absolut verstehen, ich habe sie ebenfalls praktiziert. Leider geht der Schuss nach hinten los. Je weniger ich dem Pferd "anbiete", desto schlimmer wird es. Sie brauchen den äußeren Reiz gemeinsam mit dem Reiter, z.B. auch die Situation: der Wind weht :panik: (was er ohne das Pferd je zu beeindrucken auch auf der Weide macht ;) )ansonsten verkleinert sich der Aktionsradius unmerklich, aber zunehmend. Waren es am Anfang nur die rennenden Pferde auf der Nachbarkoppel, ist es irgendwann die Blume, die sich bei leichtem Wind sinnlich hin und her wiegt.......

Das Problem ist nur, man kann das alleine im Grunde nicht auflösen. Angst läßt sich nun mal nicht wegdiskutieren :nix: . Besser ist es, sich der Situation zu stellen. Aber nicht alleine, sondern mit jemandem, der einen begleitet. Das muss kein Trainer oder ein ach so wissender Mensch, es reicht, wenn jemand ohne Angst das Pferd z.B. an den Strick nimmt, der Reiter oben drauf sitzt und man gemeinsam dem Wind die Stirn bietet. Das gibt dem Menschen die Sicherheit, dass das Pferd nicht abhauen kann, dem Pferd gibt es Sicherheit, dass der Mensch da oben ruhig bleibt.

Wenn mich schon kleine Hopser nach unten befördern, was meine Angst wachsen läßt, muss ich dem Übel zur Wurzel folgen. Sprich: ich nehme Unterricht und lerne ausbalanciert zu sitzen. Wenn ich weiß, dass ich nicht bei jedem kleinen Hopser einen Freiflug gewinne, steigt meine Sicherheit, die bringt Ruhe und damit beruhigt es auch das Pferd. Am besten macht es sich, wenn man auf dem eigenen Pferd eine Sitzschulung macht, da aber bitte mit einem erfahrenen Trainer, der auch die Ängste des Menschen ernst nimmt.

Was man sich aber immer klar machen muss: es sind immer nur kleine Schritte, keine gigantischen Veränderungen über Nacht (ich mache eine Sitzschulung und alles ist schön). Man muss regelmäßig mit einem angstfreien Partner auf dem Platz am Strick reiten, man muss regelmäßig und mehrfach Sitzschulung machen etc. Und dann muss man sich immer klar machen, was man schon erreicht hat. Man sollte sich für jede noch so kleine Verbesserung feiern ;) .
Vielen Dank für die Tipps. Ehrlich gesagt, funktioniert bei uns diese Vermeidungstaktik aber ziemlich gut. Mein Aktionsradius wird tendentiell größer und nicht kleiner, weil ich immer mehr positive Erfahrungen sammel und mutiger werde, aber genauso gibt es Situationen, in denen ich ihn nie reiten würde. Zum Beispiel bei Sturm. Da hat er wirklich Angst, steht bei der Bodenarbeit zitternd neben mir und sein Puls rast :? und ob du es glaubst oder nicht, ja er hat auch auf der Koppel in der Herde Angst dann! Man muss natürlich zwischen einem lauen Sommerwindchen und einem Sturm unterscheiden ;) .
Als meine Angst sehr groß war, habe ich mich tatsächlich auf ihm führen lassen und später dann an die Longe nehmen lassen (das lag aber auch daran, dass er da nur minimal angeritten war). Das hat uns damals sehr gut geholfen.
In meinem letzten Post habe ich die Situationen beschrieben, in denen ich runtergefallen bin und auch geschrieben, dass ich mich für durchaus sehr sattelfest halte und eben definitiv nicht bei einem Hopser runterfalle (unso beeindruckter war ich allerdings, als er mich in einer absoluten Paniksituation innerhalb von Millisekunden in den Sand befördert hat).

Meine neue Strategie sieht jetzt so aus: ich akzeptiere, dass mein Pferd ein schwaches Nervenkostüm hat und es Situationen gibt, die ihn psychisch so überfordern können, dass er absolut kopflos reagiert. Diese Situationen versuche ich definitiv zu vermeiden. Ansonsten arbeite ich an meiner Gelassenheit, damit uns eben nicht jedes wackelnde Blümchen aus der Fassung bringt ;) . Dabei helfen mir meine Merksätze, die ich auch schon mal anstelle von Singen immer wieder und wieder wiederhole ;) . Letzte Woche hat eigentlich alles sehr gut geklappt, ich glaube, ich habe ihm auch oft zuviel Druck gemacht, wenn er vor etwas Angst hatte :tuete: , seitdem ich jetzt versuche, das viel entspannter zu sehen, steigert er sich auch viel weniger in irgendwas rein. Gucken tut er natürlich trotzdem, aber es wird dann nicht immer schlimmer im Laufe der Einheit. Auch da funktioniert die Vermeidungsstrategie recht gut, wenn er in einer Ecke Angst hat, dann meiden wir besagte Ecke eben anfangs (und schleichen uns dann im Laufe der Stunde unmerklich immer näher :-D ).
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slowmotion
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von slowmotion »

Bachblüten für Pferd und Reiterin können sicher nicht zaubern, aber gut den gerade aufbauenden Prozess unterstützen. ;)
Wir müssen mit allem rechnen - auch mit dem Guten.

Tamina Kallert
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Hottie
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

Danke für den Tipp :) . Vermutlich hilft es vor allem, wenn es die Reiterin nimmt ;) , ich werde es mal ausprobieren.
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Caro-Lina
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Caro-Lina »

So............nun ich auch mal...........

Was mache ich nun nach meinem letzten Crash am Mittwoch?

Habe ich Angst, habe ich keine?????????

Im Moment bin ich völlig emotionslos und betrachte mein Pferd mit (innerlichem?) Abstand............

Ist mir noch zu helfen??? :(


Dazu nur kurz, dass ich schon 2x von Tarzan runtergeflogen bin, aber diesmal war es (etwas) heftiger........Auf Neisti hätte ich mich wahrscheinlich nach den ersten beiden Malen nie wieder drauf gesetzt (naja.........unter heftigem Protest und vielleicht so nach 3-4 Wochen), aber bei Tarzan war es die beiden letzten Male okay..........und ich bin einfach wieder drauf.

Aber diesmal?? :(
Viele Grüße von Caro-Lina
Hier geht's zum Dschungel :-)
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Mein TB: Ein Hoffnungsfunke ist dabei! :herzi:
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Hottie
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Hottie »

Ich habe deine Geschichte gerade erstmal gelesen, gute Besserung! :hug:
Ich glaube, ich würde es langsam angehen lassen an deiner Stelle. Dich erstmal auskurieren, deine Trainerin reiten lassen, schauen, ob das mit dem Bocken öfters vorkommt, dann eventuell doch mal Pferd und Sattel checken lassen, wenn nicht, selbst wieder reiten, aber vielleicht erstmal nachdem die Trainerin geritten ist nur ein bissel Schritt. Bei ganz arg Angst auch ruhig führen lassen und später an die Longe nehmen lassen, das hilft gut und du wirst merken, wie sicher du dich fühlst. Das wird schon wieder :hug: .
Ich habe das auch echt so gemacht, dass mich eine liebe Bekannte geführt hat, als meine Angst ganz schlimm war. Das sah dann so aus, dass mein Pferd tiefenentspannt seine Runden gelaufen ist und ich mit weichen Knien oben drauf saß und bei jedem Geräusch zusammen gezuckt bin ;) (damals ist er wegen einem Geräusch losgeschossen). Aber es hat geholfen!
Dora
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Re: Wie (Angst)Gefühle besser in den Griff bekommen?

Beitrag von Dora »

Der Thread ist schon was älter, aber vielleicht hilft mein Beitrag ja dem ein oder anderen...

Ich hatte in meiner Kindheit den ein oder anderen gefährlichen Unfall mit Pferden, das hatte allerdings keine große Auswirkung auf mein Sicherheitsempfinden. Vor 12 Jahren hatte ich dann in der Reithalle einen schlimmen Sturz ( auch noch ohne Helm)bei dem ich kurz dachte mi das Genick gebrochen zu haben...
Vor ca. 6 Jahren eine Situation vom Boden aus, in der mich meine damalige Stute in einem völlig überforderten Zustand mehrmals angestiegen hat.
Nach der Situation vor 12 Jahren habe ich das erste mal wirkliche Angstsymptome entwickelt. Die Situation vor 6 Jahren hat die Symptome dann auch in Bodenarbeitssituationen hervortreten lassen...
Ich habe Jahre lang, fast ein ganzes Jahrzehnt lang einfach versucht diese Angst zu unterdrücken und auch vor anderen zu verheimlichen. Im Grunde hat mir das eine riesen Bürde auferlegt.
Vor ca.3 Jahren habe mich mir dann endlich eingestanden, dass ich in einigen Situationen wirklich sehr große Angst bekomme - im Grunde wie bei einer Traumatischen Belastungsstörung. in Situationen die mich in irgendeiner Art und Weise an die zwei Unfälle erinnerten, habe ich kurze Zeit Angst um mein Leben. Am Boden regiere ich sogar unwillentlich körperlich, in dem ich reflexartig Ausweichbewegungen mache wenn irgendwas in meinem Stammhirn denkt, ein Pferd könnte mich überrennen, ansteigen ... leider ist meine feinjustierung etwas fehlerhaft. Mein Körper vermutet das in Situationen in denen andere Menschen noch garnicht regieren.

Es war ein großer Schritt in Richtung Heilung in dem ich es mir selbst und dann anderen eingestanden habe. Diese Angst passt garnicht zu meinem Selbstbild und auch andere Menschen waren überrascht, weil ich so wohl nicht wirke.

Ich habe mich Jahrelang gezwungen in Situationen trotz Angst reinzureiten, irgendwie dran vorbei, oder zumindest irgendwie in die Ecke - erfolglos. Es wurde eigentlich immer schlimmer... Heute mach ich es anders. Ich lote aus wo meine Komfortzone ist und bewege mich mit dem Pferd erstmal in dieser. Wenn wir beide uns gut und sicher fühlen ( absolute Grundvoraussetzung) dann bewegen wir uns mal Richtung Rand und schauen was geht. Immer mit der Option wieder zurück in dem Komfortbereich gehen zu können. Und ja, das schränkt ein - aber so konnte ich nachhaltig schritt für Schritt meine Komfortzone erweitern und kann wieder viel mehr Dinge ohne Angst machen, die früher nur mit Angst gingen. Und das beste, es funktioniert auch mit sensiblen Pferden.

Beispiel Gruselecke:

Früher hätte ich mich und das Pferd da reingezwungen. Heute meide ich diese Ecke und reite erstmal dort wo es entspannt möglich ist. Sobald wir da entspannt unterwegs sind, erweitere ich unseren Radius Stükchenweise in Richtung Gruselecke. Das klappt eigentlich ganz gut. Im Gelände steige ich in Gruselsituationen ab und im Anschluss wieder auf. Anfänglich bin ich sehr oft ab und wieder aufgestiegen. Heute bin ich ganz stolz unseren ,,Endgegner-Weg" reiten zu können ohne dass sich die Stute erschrickt, da ich mittlerweile in der Lage bin ihr Sicherheit zu geben. Das habe ich aber über ein Jahr vom Boden aus vorbereitet.

Ich fühle mich mit diesem Weg mittlerweile sehr wohl. Leider bedeutet das auch, manche Sachen nicht mehr machen zu können. Ich kann leider nicht mit Menschen ausreiten die Absteigen verpönen. Da es immer mal sein kann, dass ich absteigen muss. Ich versuche im Allgemeinen die ,,da muss man halt durch - Fraktion" im Stall zu meiden.
Ich arbeite auch viel an Rittigkei und Durchlässigkeit da mir das Sicherheit gibt.

Im Allgemeinen habe ich mittlerweile eine überwiegend schöne und Angstfreie Zeit im Stall :-)

Vielleicht hilft mein Erfahrungsbericht ja der ein oder anderen Person ;)
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