Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Moderator: Keshia

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Lewitzer Flummi
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Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Lewitzer Flummi »

Nachdem ich am Wochenende nun zum zweiten mal von meinem Nachwuchspferd geflogen bin und er zum zweiten mal vermutlich aus Schiss vor der Aufstiegshilfe die Flucht ergriffen hat... Möchte ich ein paar Schritte zurück gehen und zunächst an der absoluten Basis=Vertrauen arbeiten.

Was für Übungen und Elemente kann man denn mit eher kleinen Budget in Angriff nehmen?
Sollte jemand ein gutes Buch kennen, wäre ich für Hinweise dankbar.
Liebe Grüße
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kolyma
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von kolyma »

Einfach zu handhaben und zu besorgen sind folgende Dinge/Bestandteile/Übungsaufbauten:

Planen in div. größen und Farben.
Absperrbänder (rot/weiß oder gelb/schwarz)
Luftballons
Rascheltüten
leere Plastikflaschen, Dosen
Flaggen/Fahnen/altes Bettuch
Regenschirm
Fahrradklingel
Karnevallströte
Alufolie
Stühle und sonstige fremdartige Gestenstände

Ein Flattertor ist mit Flatterband und Abwasserrohren aus dem Baumarkt schnell gebaut.

Aus Plane und leeren Flaschen lässt sich ein sehr gruseliger "Wassergraben" bauen, der durch die leeren Flaschen zusätzlich schwierig wird.

Aus leeren Flaschen und Dosen, sowie einem Müllsack lässt sich ein super Klappersack bauen, den man wahlweise noch über Stangen rappeln lassen kann.

Das durchreiten von Flaggen und oder großen Tüchern ist noch einmal deutlich schwieriger als "nur" durch einen Flattervorhang zu gehen.

Also man kann bei Antischeu-Training auch mal deutlich den Schwierigkeitsgrad erhöhen, wenn das Basistraining schon bekannt ist.


Ob das allerdings das Problem "Aufstiegshilfe" wirklich löst weiß ich nicht. Eigentlich bin ich immer dafür das Problem direkt in der Problemstellung zu lösen. Also da erst mal zurück gehen und das Stillstehen allgemein üben und dann das Stillstehen auf der Aufstiegshilfe, stillstehen an der Aufstiegshilfe mit Bein im Bügel usw. usf.
Bild Geduld ist die hohe Kunst sehr langsam wütend zu werden...:ohm2: :sofort:


"Besser wenig und das Wenige gut."Egon v. Neindorff

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Reitmaus
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Reitmaus »

Ich musste gerade schmunzeln : da hätten wir schöne Ideen für ein künftiges Übungsprogramm :

Absperrbänder -> dürfen nicht gefressen werden
Luftballons -> dürfen nicht gefressen werden
Rascheltüten -> dürfen nicht verfolgt und mit dem Huf erschlagen werden usw. *g*

Flattertor macht wahrscheinlich auch keinen Eindruck, da sie im OS Lamellen aus LKW-Plane haben, die leichter ist als die normalen Stall-Lamellen und bei Wind ganz schön rumschlagen. Aber die Idee mit den Laken ist auch gut, nur wie und wo hängt man die auf, wenn man nicht an einem Reitstall steht mit allerlei Hindernis-Ständern?

Übrigens, kleine Erfahrung am Rande : Regenschirm macht auf meine Ponys gar keinen Eindruck, wenn ich mit dem Ding auf die Weide komme. Schirm vor ihrer Nase auf und zu klappen, ihnen über den Kopf halten, sie damit berühren, über ihrem Kopf Schirm zusammenklappen - bei all dem muss ich bloss aufpassen dass sie mir das Teil nicht anfressen. Aber... in der Ferne Person mit Schirm gesichtet : GANZ andere Situation! (Ist aber schon ziemlich gut geworden und ich kann verhindern dass sie sich reinsteigern. Wollte damit nur sagen, dass Schirm-üben auf der Weide/Paddok/Platz nichts genutzt hat in der Hinsicht.


Also noch meine Ergänzungstips : beim Üben damit beginnen, sich mit dem Schreckobjekt (z.B. Rascheltüte) dem Pferd zu nähern bis es drauf aufmerksam ist, und bevor es an Rückzug denken kann, sich mit dem Objekt wieder entfernen. Das wiederholen, bis das Pferd Neugier zeigt, weil das Monster ja vor dem Pferd "flüchtet". (Auf unserer Weide flog mal ein grösseres Stück Plastikfolie im Wind rum, Pferde in heller Aufregung. Ich hab die Folie gepackt, hab mich den Pferden damit genähert, die haben skeptisch geguckt, ich dann wieder mit der Folie rückwärts, und nach 2-3x traute sich dann der grösste Angsthase, langsam mit grossem Sicherheitsabstand hinterher zu kommen. Ich wieder mit der Folie 2-3 Schritte auf ihn zu, dann wieder weg. Dann kam er wieder hinterher, ich mit der Folie weg gerannt und er mit aller Begeisterung hinterher, während ich ihn dolle gelobt hab. Schliesslich bremste ich ab und schwenkte die Folie wild hin und her, und er fand's toll und begann die Folie zu jagen. So war binnen 5 Minuten aus einem ängstlichen Fluchtpferd ein mutiges Pferd geworden, der von da an solche Sachen lieber jagt als davor wegzurennen. Und vielleicht tat's auch dem Vertrauen zu mir gut, weil er gesehen hatte dass ich nicht vor der Folie wegrenne, sondern das Ding am Kragen packte. - Wenn man sich mit einem Schreckobjekt auf das Pferd ZU bewegt und sich damit langsam weiter ans Pferd rantasten will, kann man erreichen dass es nicht flüchtet. Man kann vielleicht sogar erreichen dass es sich damit berühren lässt. ABER.... man erreicht damit nur, dass es das alles "erträgt", und es kann später jederzeit sein, dass es ihm in bestimmten Situationen dann doch zuviel wird, und es Panik kriegt - obwohl es vorher schon (vielleicht mit "angehaltenem Atem") einigemale das Objekt ertragen hat. Mit gut getimter Annäherung und Rückzug schafft man jedoch eine lockere fröhliche Spielatmosphäre, und die Angst wird viel gründlicher bewältigt, - meiner Ansicht nach. (Geht natürlich nicht bei jedem Objekt, aber für ein Pferd, welches auf die Art mutiger wurde, sind später auch feststehende Objekte nicht mehr sooo schlimm).

Und Ergänzungstip 2 : nicht nur auf dem vertrauten sicheren Platz/Paddock üben, sondern gern auch mal an ungewohnten Stellen (und wenn's nur 5 Meter ausserhalb des Paddock ist...das macht für manche Pferde schon einen Unterschied.).


@Lewitzer Flummi : ich kenne eure Geschichte nicht, bin gerade eben nach langer Zeit mal wieder hier reingesegelt. Wie oft hast du ihn schon geritten? Ist es wirklich die Aufstiegshilfe, vor der er Angst hat? Könnte es sein dass er physische Probleme hat, die er mit dem Aufsitzen in Verbindung bringt und sich mit der Flucht dem Schmerz/unangenehmen Gefühl entziehen will? Und - manche Pferde haben kein Problem damit, wenn sich der Reiter bäuchlings über den Pferderücken legt, aber wenn er aufsteigt und das Pferd plötzlich das rechte Reiterbein so unerwartet auf der anderen Seite auftauchen sieht, erschrickt es. Ich hab's so gemacht dass ich, auf der Aufsteigshilfe stehend, meine Jacke über dem Pferd geschwenkt hab, damit es sich dran gewöhnt, dass von oben über seinem Rücken plötzlich visuelle Reize auf der anderen Seite auftauchen.
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Lewitzer Flummi
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Lewitzer Flummi »

Bei uns ist das eine längere Geschichte...

Er wurde mit 2,5/2,75 Jahren anlongiert und auf die Körung vorbereitet, hat diese nicht geschafft, hatte 2 Monate pause und ging dann mit 3 Jahren für einen Monat zum Einreiten. Was da genau gelaufen ist, weiß ich nicht. Der "Bereiter" war nicht gerade leicht, bei einem Ausritt hat der Bube mehrfach versucht ihn loszuwerden, und irgendwann, als er nicht mehr damit rechnete, gewann er dieses Spiel. Ich kam erst dazu, als mein Kleiner klatschnass durch die Halle geritten wurde und dann noch mal raus ins Gelände musste. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt...

Nach dem Monat kamen beide Ponys das erste mal zu mir (beide fast zeitgleich gekauft) und der Bube verletzte sich schwer. War auch schon ein erschrecken, was das ganze auslöste...
Danach konnte ich erst mal nichts mehr machen und als er wieder fit war, war am reiten nicht mehr zu denken...

Bei meinem ersten Versuch, mich wieder drauf zu setzen, waren seit dem Anreiten 2,5 Jahre vergangen. Wir haben vorher Schritt für schritt gesteigert. Es lag also jedes mal vorher jemand quer drüber etc.
Beim anführen, als ich drauf saß, stieß er leicht mit dem Hinterhuf an die Aufstiegshilfe, welche aus zwei Getränkekisten bestand, die mit etwas Lärm um fiel.
Danach war in deren nähe immer Anspannung zu spüren. Wir haben uns wieder heran gearbeitet, ich habe das richtige drauf sitzen in wirkliche Minischritte zerlegt und immer wieder "Kopf tief " angefragt. Er stand ja auch beim ersten mal drauf sitzen schön still, ließ sich beim 3. Mal direkt danach drei wackelige Schritte bewegen.
Es gab viel Lob und Kekse...
Dann am nächsten tag früh wiederholt. Alles okay und nachmittags wollte ich noch mal und da schoss er mir weg... Auch danach war die Aufstiegshilfe wieder furchtbar.
Aktuell clicker ich, dass er sie berührt, anhebt etc. Aber wirklich Zielführend ist das in Moment auch nicht. Ich denke, auch aus anderen Verhaltensweisen, dass es wirklich am vertrauen zu mir hapert. Das muss als erstes gefestigt werden. Dann kommt der Rest hoffentlich von alleine wieder.
Liebe Grüße
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Lottehüh
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Lottehüh »

Du schreibst zwar, dass es noch andere Punkte gibt, in denen er Dir nicht vertraut, aber aus den genannten Situationen ist für mich auch denkbar, dass vielleicht irgendwo ein Aua sitzt. Hattest Du mal einen Osteo da?
Zuletzt geändert von Lottehüh am Mi 9. Jul 2014, 13:52, insgesamt 1-mal geändert.
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Reitmaus »

Oh je, das ist ja echt 'ne Geschichte...

Mir stellt sich da auch grad noch die Frage, wie du dich dabei fühlst. Vermutlich (unbewusst) auch ziemlich angespannt, unsicher, befürchtend dass er gleich wieder losschiesst? Damit verstärkst du dann sein Empfinden wieder, er wird auch wieder unsicherer.... Ich denke, einerseits muss das Pferd wieder Vertrauen zu dir bekommen, aber vor allem musst du selber auch wieder Vertrauen zum Pferd bekommen. Das eine geht nicht ohne das Andere. Und selber wieder Vertrauen zum Pferd bekommen nach solchen Erfahrungen, das ist sicher schwieriger als wenn man selber unbelastet ist und es "nur" darum geht, dass das Pferd Vertrauen fasst.

Wie die innere Umstellung bei einem selber zu bewerkstelligen ist, das lässt sich aus der Ferne vermutlich nicht so einfach sagen.

Abgesehen davon, an der eigenen inneren Einstellung zu arbeiten : wäre es möglich, dass ihr das Aufsteigen an einem ganz anderen Platz übt, mit irgendwas das ganz anders aussieht als eure bisherige Konstruktion? Oder vielleicht sogar vom Boden aufsteigen. Okay - ist nicht gut für den Pferderücken, aber das soll ja auch kein Dauerzustand sein. Nur einfach mal, damit die "Assoziationskette" der Erinnerungen bei euch Beiden unterbrochen wird?
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Lewitzer Flummi
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Lewitzer Flummi »

Osteo wird noch ein Thema werden. In Moment kann ich damit aber nicht noch kommen... Jack, mein anderes Pony, muss evtl.wegen eines Chips
im Sprunggelenk operiert werden. Bevor da die Kostenfrage nicht geklärt ist, muss ich die wenigen Kröten zusammen halten. Leider.

@ Reitmaus

Kann sehr gut sein, dass ich das größte Problem bei der Geschichte bin. Er war bis vor 1,25 Jahren noch Hengst und obwohl mein erstes Pferd/Pony auch ein Hengst war und wir gut klar kamen, hatte ich zum Ende hin richtig Angst vor ihm. Er war für mich zwar irgendwie händelbar, aber wohl habe ich mich nicht mehr gefühlt. Daher auch der Entschluss zu Schnippschnapp...
Aufsteigen von unten geht mangels Sattel mit Steigbügeln leider nicht. Jack's Sattel passt ihm nicht wirklich und als zweiten habe ich nur einen Fellsattel...
Liebe Grüße
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Napipony »

Mal die doofe Frage, wenn Jack wirklich an dem Bein operiert werden muss, wäre es dann eine Idee, den Flummi mal woanders hinzustellen, wo vielleicht mal jemand anderes mit ihm arbeiten könnte? Und dir dadurch vielleicht auch Sicherheit gibt und dir hilft. Und ja, hätte da ne Idee. Kann ja mal bequatschen, wenn wir uns mal sehen
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von Lewitzer Flummi »

Wäre sicherlich eine Idee, aber :geldalle: und eine Idee für Mister Ziege bräuchten wir auch noch. Ob der mit in die Klinik dürfte? Die Uni hatte damit kein Problem.

Mittlerweile hat auch mein Mann bemerkt, dass das so vermutlich nicht funktionieren wird. Irgendwann tu ich mir mal richtig was... Und dann?
Einen längeren Ausfall könnt ich mir im Moment echt nicht leisten. Ich käme schon nach 2 Wochen im Schulstoff nicht mehr nach. Was andere in drei Jahren lernen, pauken wir in zwei Jahren rein.

Wann hast du denn mal zeit zum Phonen? Haben wir ja schon lange nicht mehr getan...
Liebe Grüße
Die Flummis

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kolyma
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Re: Bestandteile Antischeu-/Gelassenheitstraining

Beitrag von kolyma »

So wie ich das verstehe, übst du das Aufsteigen immer in der selben Kombination. Aufstiegshilfe-Platz.... Wie wäre es denn, wenn du mal das Aufsteigen komplett anders übst?
Weil irgendwie dreht ihr euch da ja im Kreis und kommt nicht weiter.

Würde mal versuchen zum Beispiel von etwas Anderem aufzusteigen. Zum Beispiel von der Reitplatzbande, von einem Stein im Gelände, Holzstapel, usw.

Einfach das Thema Aufstiegshilfe direkt abhaken und andere Möglichkeiten suchen.
Idealer Weise ne zweite Person dabei, die ihn hält, damit du nicht gerade im Gelände schwer stürzt.

Ich weiß nicht, das Verhalten muss nicht unbedingt auf Schmerzen hindeuten. Es scheint mir eher ein ritualisiertes Verhalten zu sein. Nach dem Motto: "Wenn ich an der Aufstiegshilfe stehe verhalte ich mich X, selbst wenn ich nicht mal mehr weiß wieso..." Es reicht bei solchem ritualisierten Verhalten manchmal auch nur ein einziger Auslöser - ein Triggerpunkt. Möglicher Weise ist genau die Aufstiegshilfe dieser Triggerpunkt.
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