nicht mit dem Kopf reiten....

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Reitmaus
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nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von Reitmaus »

"Man reitet nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Hintern."

Diesen Spruch haben sicher die Meisten von euch schonmal gehört, aber vielleicht fällt es Einigen (wie auch mir) schwer, den Gehalt dahinter zu erkennen. Heute wurde ich wieder mal dran erinnert, dass ich oft mit "zuviel Kopf" reite. Beim Reiten auf dem Platz haben wir immer wieder mal das Problem, dass die Lenkung unsauber funktioniert und dann dochmal der innere Zügel zum Einsatz kommt *schäm*, dass Tempowechsel nicht präzise klappen usw usw. Man sucht die Ursache beim Pferd : ist er vielleicht einseitig zu steif, hat er sonstige Probleme die ihn daran hindern sich besser zu bewegen, - aber an der Longe ist zwar eine gewisse Händigkeit, aber keine grösseren Probleme zu erkennen. Und bei sich selber : bin ich zu schief, sitze ich falsch, gebe ich die Hilfen nicht richtig, - diese Überlegung führt dann wieder dazu, dass man seinen Sitz analysiert und versucht, sich zu erinnern, wie die optimalen Hilfen nun auch wieder waren. Dabei ist es egal, ob man versucht zu ergründen, wo man seine Einzelteile zu positionieren hat oder ob man die Centered Riding-Bilder vor seinem inneren Auge durchblättert, auf der Suche nach dem Bild was momentan helfen könnte. Sicher sind solche Lehren gut und nützlich, aber wenn wir uns auf dem Pferd sitzend mit solchen Anweisungen beschäftigen, führt das eben anscheinend dazu, dass wir mit "dem Kopf" reiten statt mit dem Hintern.

Wie gesagt wurde mir das heute wiedermal bewusst. Ich ritt (zum 3. Mal in diesem Jahr) mit Handpferd auf dem Platz. Ich hatte mir mit Schaumstoffgassen und Pylonen einen Parcour gelegt, den ich auf eine bestimmte Art mit Handpferd meistern wolte. Das Handpferd war nicht sehr kooperativ heute und verlangte teilweise soviel Aufmerksamkeit, dass ich kaum noch an mein Reitpferd denken konnte. Die Zügel führe ich normalerweise beidhändig, nur manchmal übunghalber einhändig, und dann klappt es mit der Lenkung meist nicht mehr präzise genug. Beim Handpferdereiten führe ich die Zügel öfter bequemlichkeitshalber einhändig und - dann klappt es prima. Und heute hatte ich teilweise den Zügelkontakt komplett verloren, weil ich mit dem Getüddel Zügel-Handpferdestrick-Gerte ein Chaos veranstaltete. Und - das ist eben das Merkwürdige : mein Reitpferd lief perfekt. Alles was manchmal nur mit viel Mühe und innerem Zügel klappt, klappte heute einhändig oder ganz ohne Zügelkontakt. Mein Verdacht ist, dass ich heute eben SO mit dem Handpferd beschäftigt war, dass ich mein Reitpferd nur "mit dem Hintern" geritten bin. Nicht nur physisch mangels Zügelkontakt, sondern auch mental war ich so mit dem Handpferd beschäftigt, dass ich nicht "mit dem Kopf" über Sitz, Hilfen usw gebrütet hab, sondern nur einigermassen den Kurs vor Augen hatte, den ich durch den Parcours steuern wollte, und mein Sitz und Hilfen dann irgendwie "automatisch" richtig gewesen sein mussten.

Sowas in der Art habe ich auch gespürt, als ich mir vor ein paar Wochen auch eine "Jux-Aufgabe" gestellt hatte : ich hatte einen Autoreifen an ein Seil gebunden, das Seilende auf einen Stapel Reifen gelegt sodass ich es vom Pferd aus erreichen könnte. Nach dem üblichen Trainigsprogramm bin ich an den Reifenstapel geritten (dazu musste ich das Pferd auch präzise nahe genug heransteuern und exakt anhalten, damit ich das Seilende vom Pferd aus greifen konnte), habe dann das Pferd rückwärts und seitwärts treten lassen, damit es den schleifenden Reifen sehen kann (hatte es natürlich schon am Boden vorbereitet, aber vom Sattel aus ist's dann doch wieder was Anderes aus der Sicht des Pferdes). Bei einer späteren Übung habe ich den Reifen dann hinter uns hergezogen. Das war auch so eine Aufgabe, wo ich meine Aufmerksamkeit auf das zu ergreifende Seil richtete, dann musste ich meine Aufmerksamkeit darauf verwenden, ob das Pferd nicht zu ängstlich wird, musste aufpassen dass der Reifen nicht gegen ein Pferdebein gerät - und hatte da natürlich kaum noch die Möglichkeit, mich bewusst um Sitz und Hilfengebung zu kümmern (und beidhändige Zügelführung war da auch nicht möglich, da ich eine Hand brauchte um den Reifen am Seil zu ziehen). Trotzdem klappte alles super, besser als zuvor, als ich noch 100% darauf konzentriert war, reiterlich alles richtig zu machen....

Ich glaub, ich sollte öfter sowas machen. Es gibt da noch so nette Sachen, z.B. Besenpolo wollte ich auch schon immer mal probieren :)

Um Missverständnisse zu vermeiden : ich mag NICHT diesen Gymkhana-Stil, bei dem die Ausführung der Aufgabe nach dem Motto "der Zweck heiligt die Mittel" im Vordergrund steht. Denn da sind die Reiterlein oft SO intensiv mit der Lösung ihrer Aufgabe beschäftigt, dass man im Eifer des Gefechtes unschöne Sachen sieht (Zügelzerren, Hackenbolzen usw). Aber ich denke, es kann echt hilfreich sein, wenn wir ab und zu mal eine Übungseinheit einlegen, wo wir uns mal auf was Anderes konzentrieren als darauf, "verbissen, verkrampft, verspannt" alles richtig machen zu wollen. Und ich hab das Gefühl, dem Pferd macht's auch Spass, mal "was merklich Anderes" zu machen ;)

Falls noch wer Vorschläge für solche Übungen hat : immer her damit. Je mehr Ideen umso besser :)
Rennfisch
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Re: nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von Rennfisch »

Das kann man (bzw. ich) sich nicht oft genug hinter die Ohren schreiben. Wie lang ich mich geärgert hab dass ich meinen Kleinen einfach nicht aussitzen kann, dass er mir über die Schulter aus dem Zirkel raus oder in selbigen reinrennt... bis mir dann eine andere Einstellerin auf die Finger gehaut hat mit den Worten: Setz dich auf deinen Arsch, lass dich nicht nach außen setzen und dreh dich mit dem Oberkörper mit!
So viele Jahre geritten, und nie begriffen wie wichtig der Sitz ist *schäm* :oops:

Übrigens: Besenpolo? Wie geht das? :mrgreen:
:aquarium2:
Reitmaus
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Re: nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von Reitmaus »

Rennfisch hat geschrieben: ...
Übrigens: Besenpolo? Wie geht das? :mrgreen:
Sowas hier :
http://www.horse-today.de/wp-content/ga ... o_0001.jpg
Rennfisch
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Re: nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von Rennfisch »

Hmmm, hmmmm.... :mrgreen:

Ich kann nur das "Trinkflasche vom Pferd aus angeln- 'Spiel'". Durchführung bei uns ungefähr so: Flasche steht auf der Bande, ich reite Pferd hin, halte Pferd an, greif nach der Flasche.
Pferd: dreht sich mit dem Hintern von der Bande weg.
Ich: waaah, zu kurze Arme!
Ich: reite Pferd von der Bande weg, wieder hin, same procedure...
Pferd: sieht dass die Hallentür aufgeht und will nachschauen gehen...
etc...

Punktgenau anhalten und dann stehenbleiben ist sein Ding nicht :whistle:
:aquarium2:
Reitmaus
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Re: nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von Reitmaus »

:lol: dann weisst du ja was du üben kannst :)

Meine Pferde können alle Beide sowohl per Bodenanweisung als auch vom Sattel aus überall stehen und warten.... meistens... :whistle:
Als ich gestern am Hof aufgestiegen bin und mit Handpferd zum Platz geritten bin, ging noch alles super, beide Pferde standen brav nebeneinander und ich konnte sofort vom Hocker auf das ungesattelte Pferd klettern (nur Pad und Fliegendecke drauf). Am Platz musste ich runter um das Tor aufzumachen, und als ich dann wieder vom dortigen Hocker rauf wollte, wollte das Handpferd schonmal los, stand quer vor dem Reitpferd, welches seinen Individualraum wiederherstellen wollte und vorwärts wollte um den Anderen wegzudrängen. Ich wollte Handpferd auf seinen Platz zurückbugsieren, da fühlte sich das Reitpferd wieder angesprochen und ging zurück. Handpferd dagegen wollte weiter vorwärts. Aus Bequemlichkeit Versuch abgebrochen, Handpferd Seil über den Rücken gelegt und sollte frei stehenbleiben. Tat er auch - bis ich mich abwendete um auf den Anderen aufzusteigen. Da meinte freistehendes Handpferd, für ihn wär die Übung beendet (dabei kann er am Hof sogar frei stehenbleiben wenn ich (kurz) ausser Sicht gehe!) und trollte sich grasenderweise vorwärts. Hab dann versucht, vom Reitpferd aus den Führstrick vom Rücken des Handpferdes zu angeln, aber da ich in "treibender" Position von schräg hinten heranritt, meinte das Freilaufende, sein Kumpel würde ihn "treiben" wollen und folgerichtig wich er knapp bevor ich das Seil erwischte jedesmal vorwärts weg.... Na ja, nach ein paar Minuten hatte er sich an einem besonders leckeren Grasbüschel zu schaffen gemacht und verpasste er dann mal den richtigen Zeitpunkt zum Weichen, und da hatte ich das Seil.... Also wird künftig erstmal das ordentliche Stehenbleiben beider Pferde beim Aufsteigen geübt. (Einzeln geht das Stehen an der Aufstiegshilfe ja super. Und Beide stillstehen geht "normalerweise" auch super, in bekannten Situationen. Aber die Situation Aufsteigen mit Handpferd ist halt neu, müssen wir noch öfter üben.
Reitmaus
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Re: nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von Reitmaus »

Heute ist mir noch eine Übung eingefallen, die ich sofort ausprobiert habe : die Aufstiegshilfe als Abstiegshilfe benutzen. Also das Pferd so exakt ransteuern und halten lassen, dass man beim Absteigen die Fläche trifft, die man zuvor zum Aufsteigen benutzte. Hat bei uns auf Anhieb voll geklappt, und meine Aufstiegshilfe ist nur ein normaler Küchenhocker, also keine echt grosse Fläche, aber der Hocker war super präzise unter meinem linken Fuss :) Wird wohl Zufall sein, dachte ich. Aber immerhin.... :) Vielleicht spielt auch die innere Einstellung und Konzentration eine Rolle : bei der Übung habe ich ja ein sehr präzises Ziel, aber wenn man in der Bahn "Halt" übt, hat man doch eher vor Augen "ich will ungefähr bei dem Bahnenpunkt anhalten", und dann hält das Pferd auch "ungefähr" da an....
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wiassi
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Re: nicht mit dem Kopf reiten....

Beitrag von wiassi »

Letztlich ist das eine schöne Übung, die man auch in einen Trail einarbeiten kann. Ich
mache das Einparken zum Absteigen oft, da ich gesundheitlich nicht immer gut vom Pferd komme.

Einen Trail aufzubauen hat mir immer sehr geholfen in Richtung zügelunabhängiger Sitz. Nichts kompliziertes, ein L, das man vorwärts, seitwärts und rückwärts durchreiten kann, ein U zum reinreiten und rückwärts wieder raus, schon schwerer: zwei Stangen als Gasse mit Pylon am Ende. Rückwärts durch die Gasse, am Ende rückwärts um den Pylon und wieder durch die Gasse. Erst hat man einen Knoten im Gehirn, wie man die Hilfen geben kann, wenn man möglichst nicht den zügel einsetzen will, aber hinterher geht vieles leichter. Anforderungen je nach Ausbildungsstand wählen, nicht zu viel verlangen! Sind auch schöne Übungen für den Halsring.

Auch schön: wir haben mal als Turnierprüfung eine ZACK-Prüfung gemacht, mit selbstgebastelten Verbindern.
http://www.araberseite.de/5-Stall-Seite ... 8-Zack.htm Es galt, zwischen Schritt und Trab zu wechseln, in besagtes U rein und rückwärts wieder raus zu reiten, einen Pylon ( vorwärts) zu umrunden, in den eine Longierpeitsche gesteckt war, deren Schlagende in der Hand zu halten war, damit es ein enger Kreis werden sollte.

Und auch immer hilfreich: sich immer mal an die Longe nehmen lassen und ohne Verantwortung für die Richtung etc. sich in den Sitz einfühlen, mal die Augen schließen und und nur fühlen, mitnehmen lassen, nur mittels ausatmen durchzuparieren und durch einatmen antraben... irgendwann die Zügel dazunehmen und das Gefühl sie nicht benutzen zu müssen ins normale reiten mitzunehmen.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
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