Reiten als Grundrecht des Pferdes

Moderator: Sheitana

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Lottehüh
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von Lottehüh »

Ohne alles gelesen zu haben (mach ich gleich noch :-)), finde ich den EIngangspost gut - als Anregung. Und Du hast es ja auch absichtlich provokant geschrieben. Trotzdem...
Piebald hat geschrieben:Reiten auf dem Platz - und wenn es noch so gut und zwanglos und gymnastizierend ist - ist was anderes, als ein freier Geländeritt. Es geht ja nicht nur um die physische Zwanglosigkeit, sondern auch um die seelische und geistige, es geht um Grenzenlosigkeit, Spontanität und Orientierung, Begegnung mit anderen Geländeformen, anderen Böden, anderen Gerüchen, Wild, Wasser, alle möglichen Reize, alles Dinge, die wir dem Pferd vorenthalten.

All das, was Du als Vorzüge des Geländerittes siehst, kann mein Pferd auch sehr schön als Spaziergänger ohne mein Gewicht auf dem Rücken, den Sattelgurt um die Brust und diesem bescheuerten Stück Eisen im Maul haben. Ein Pferd ist von Natur aus kein Renner. Ein Pferd läuft 17 Stunden am Tag im Schritt mit dem Kopf auf dem Boden rum, um Nahrung zu suchen. Traben oder Galoppieren - das hält sich doch erheblich in Grenzen. Junge Pferde spielen, ältere kämpfen vielleicht mal, ansonsten bleibt das Rennen doch der Flucht vor Feinden vorbehalten.

Wenn ich mit Lotti spzieren gehe, sieht es so aus, dass sie ein lockeres Halfter um hat und ich den Strick in der Hand halte, dieser aber durchhängt und sie neben mir herläuft. Auf GLEICHER Höhe. Wenn sie sich was anschauen will, bleiben wir stehen und sie schaut. Wir grasen zwischendurch (naja, sie grast :-)). Und wenn wir Lust haben - und wir haben da eine sehr gute Verständigung - rennen wir ein Stück. Ich habe nun das Glück, dass Lotti ein schweres Kaltblut ist und kein Araber. Ich kann sie auch frei galoppieren lassen. Selten, dass sie mal wirklich ein paar Hundert Meter rennt, meistens ist das wenn wir lange unterwegs waren und dann kurz vorm Stall sind. Wir haben das Glück, dass wir das können, weil der Stall fernab von jeglicher Zivilisation liegt. Ich kennen übrigens auch jemand mit zwei Arabern, die die beiden auch im Wald frei laufen lässt. Dass das nicht jeder machen kann und auch in den seltensten Fällen möglich ist, ist mir durchaus bewusst. Aber das ist FREI bewegen.

Hm, also sollte doch das Bestreben vielmehr sein, die Pferdehaltung so pferdegerecht wie nur irgendwie möglich zu gestalten, damit das Pferd sich wirklich FREI bewegen kann. Und das fängt schon damit an, dass man junge Pferde richtig sozialisiert (Thema Fohlenweide ohne erfahrene erwachsene Pferde!?!). Denn nur so können sie später ein erfülltes Leben mit ihren WG-Genossen haben.

Lotti war sehr lange lahm. Sie läuft jetzt wieder stabil gut und könnt emich bestimmt tragen, aber sie will definitiv nicht mehr geritten werden. Nicht, dass sie mich runterbuckeln würde, aber sie hat sich reiten lassen um mir eine Freude zu machen, und nicht, weil sie das wollte.
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
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Sanojlea
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von Sanojlea »

Also ich hab jetzt bei weitem nicht alles gelesen, aber "schnupper" hier zum 2. oder 3. mal rein und würde mich auch gern dazu äussern:

- Ich finde es, wie mit Sicherheit alle hier, wichtig das ein Pferd genügend Bewegung hat und das artgerecht.
In der Natur bewegen sich Pferde größtenteils fressend, im Schritt, über ca. 15 Std. hinweg (bin mir grad unsicher ob es 14 oder 16 Std. waren :lol: ). Trab und Gallopp werden mal kurz im Spiel (vorallem von Jungpferden) oder im Kampf gezeigt und schneller Gallopp eigentlich nur auf der Flucht.

- Mir persönlich ist es wichtig, das mein Pferd mir erlaubt das ich es reite (oder fahre, oder oder).
Tut es das nicht würde ich es gern dazu ermuntern, würde aber auch mit einem "Nein!" leben können.

Wichtig für eine gesunde und artgerechte Haltung empfinde ich vorallem, das mein Pferd beim fressen möglichst wenig rumsteht! (Neben den Grundsätzen wie Herde, genug Futter, Unterstand, Sauberkeit- ist ja klar!)
Ich mache mir zur Zeit wenig Gedanken darüber, ob es meiner Ayla wohl besser ginge, könnte ich schon mit ihr ausreiten oder spazieren gehen, solange die Haltung noch nicht optimiert ist! Mein Augenmerk liegt erstmal auf den Stunden des Tages und der Woche die ich NICHT bei ihr bin, denn die werden wohl bis an unser Lebensende überwiegen.
Ich halte einen Ausritt oder einen Spaziergang (mit freilaufendem Pferd), oder auch eine Kutschfahrt, Skjöring- was auch immer, für tolle gemeinsamme Erlebnisse und finde auch das ich die Pflicht habe meinem Pferd Freude und Spaß und gemeinsame Bewegung anzubieten! Aber es ist wohl kaum möglich damit einen Ausgleich für "schlechte" Haltung zu schaffen. 10 Stunden Bewegung, fresssend im Schritt, dabei würde mein Pferd mich nicht tragen wollen! :-ü
"Ich will alles daran setzen und mein Bestes geben, damit diese Pferde in ihrem freundlichen Wesen gut über mich urteilen und damit Harmonie walte, getragen vom Einvernehmen zwischen zwei Lebewesen."
Reitmeister Nuno Oliveira
ehem User

Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von ehem User »

Ich frage mich, was es eigentlich bedeutet, wenn es immer heißt wild lebende Pferde bewegen sich überwiegend im Schritt und Galoppieren nur, wenn sie flüchten.

Schon alleine, um in bestimmten Situation wirklich flüchten zu können, muss doch auch das schnelle Rennen trainiert werden. Und selbst wenn wild lebende Pferde sich 14-16 Stunden am Tag überwiegend im Schritt bewegen, wäre die Aussage ja immer noch zutreffed, wenn sie von den 14-16 Stunden ca. 1-2 Stunde traben oder galoppieren. Ich habe noch nie Aussagen darüber gefunden, wie lange und wie häufig wild lebende Pferde sich tatsächlich in den schnelleren Gangarten bewegen. Vielleicht hat einer von euch dazu ja noch mehr Infos?

Und spielt es nicht vielleicht auch eine Rolle, ob wir von enem Englischen Vollblut, das extra auf sein Rennvermögen hin gezüchtet wird oder von einem Belgischen Kaltblut sprechen? Beide haben doch sicherlich recht unterschiedlche Bewegungsbeürfnisse.
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Hina_DK
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von Hina_DK »

Das englische Vollblut rennt aber nicht so gerne im Galopp, weil es das Bedürfnis dazu hat. Es rennt z.B. auf der Galopprennbahn regelmäßig um sein Leben. Es ist ein unglaublicher Stress für die Pferde, weshalb sie auch in der Regel nur sehr wenige Jahre als Rennpferde eingesetzt werdne. Die meisten sind danach ein richtiges psychisches Wrack. Das VB ist nur so gezüchtet, dass es schneller laufen kann, als andere Pferde. Sein Speed-Gen hat es übrigens vom Shetty. Die sind im Verhältnis zu ihrem Körper noch schneller. Es dauert Monate, bis man ein Ex-Rennpferd psychisch wieder soweit runtergefahren hat, dass es eben nicht laufend das Gefühl hat, es geht um Leben und Tod. Diese im Prinzip runtergefahrene Angstschwelle des VB ist letztendlich auch ein Zuchtergebnis.

Ja, es gibt dazu Studien, wieviel Pferde in freier Wildbahn sich in welcher Gangart fortbewegen. Da müsste ich mal ganz tief graben, wo ich das mal gelesen habe. Es ist tatsächlich so, dass junge Pferde auch so ein Fluchtverhalten erstmal lernen müssen und natürlich die schnelleren Gangarten trainieren. Ansonsten leben auch wildlebende Pferde nachwievor genetisch noch in der Urzeit und sehen immer noch genug "Gespenster", so dass es sich nicht nur um ein theoretisches, sondern auch ein praktisches Fluchtverhalten handelt, was praktiziert wird. Im Schnitt flüchtet aber ein Pferd ca. 500 m und orientiert sich dann neu und rennt nicht eine Stunde am Stück. In den schnellen Gangarten, sind sie nicht als Ausdauersportler, sondern als Sprinter konzipiert. Die Ausdauer trainieren wir Menschen mit ihnen.
Viele Grüße
Hina

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Sheitana
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von Sheitana »

Hina_DK hat geschrieben:Das englische Vollblut rennt aber nicht so gerne im Galopp, weil es das Bedürfnis dazu hat. Es rennt z.B. auf der Galopprennbahn regelmäßig um sein Leben. Es ist ein unglaublicher Stress für die Pferde, weshalb sie auch in der Regel nur sehr wenige Jahre als Rennpferde eingesetzt werdne. Die meisten sind danach ein richtiges psychisches Wrack. Das VB ist nur so gezüchtet, dass es schneller laufen kann, als andere Pferde. Sein Speed-Gen hat es übrigens vom Shetty. Die sind im Verhältnis zu ihrem Körper noch schneller. Es dauert Monate, bis man ein Ex-Rennpferd psychisch wieder soweit runtergefahren hat, dass es eben nicht laufend das Gefühl hat, es geht um Leben und Tod. Diese im Prinzip runtergefahrene Angstschwelle des VB ist letztendlich auch ein Zuchtergebnis.
Gibt es da Studien zu?!?

Ich denke nämlich eher, das "psychische Wrack" kommt von den Trainingsmethoden, als von der "ständigen Flucht"... ;)
Denn es gibt sehr wohl Pferde, die gerne rennen. Von sich aus. Und die auch gerne vorweg rennen. So ganz ohne Angst und Fluchtverhalten.
Die Peitsche, die das Pferd antreibt noch schneller zu laufen halte ich für beängstigender...
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A.Z.
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von A.Z. »

Also mein Pferd hat mir erst gestern ganz klar erklärt, dass es das Bedürfnis hat zu rennen.
Und das erklärt er mir immer mal wieder. Wieso er das nun gerade am liebsten mit mir zusammen auslebt und nicht mit seinen Weidekollegen, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Vielleicht weil die Weide doch nicht so unbegrenzt ausschaut, wie ein schöner griffiger Waldweg ohne Zaun. :nix:

Er war dann allerdings auch recht fix zufrieden, als ich ihm die Frage doch mit nein beantworten musste. Impfungen kommen halt in der Natur nicht vor und da behalte ich mir vor, die Belastung tags darauf zu wählen. Ansonsten hätte er gedurft, bis er nicht mehr möchte.
Viele Grüße Angela

Oh Großer Geist, hilf mir, nie über einen anderen Menschen zu urteilen, bevor ich nicht zwei Wochen lang in seinen Mokassins gelaufen bin. (Lachender Fuchs, Sioux-Häuptling)

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Shieldmaiden

Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von Shieldmaiden »

weil er die weide schon kennt? :-) da passiert ja nix spannendes :-)
ehem User

Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von ehem User »

Yep, bei meinem kleinen Rennhafi ist das auch so. Er bietet den Galopp schon selbst an und ist ganz sicher nicht auf der Flucht :-)

@Hina, das psychische Wrack und auch das körperliche kommt sicher von den Trainingsmethoden. Ich hatte ja auch nicht von Rennpferden geschrieben, sondern eben die Rasse gemeint, hätte auch Araber schreiben können, da ist es ja ähnlich. Falls du so eine Studie zum Laufverhalten mal findest, wäre ich sehr interessiert. Abgesehen davon, spricht hier wohl auch keiner davon, dass er eine Stunde mit seinem Pferd durchs Gelände galoppiert.
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wiassi
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von wiassi »

Mein Araber ist definitiv ein selbstbewegendes Modell, das immer gern Galopp wählt. Er kann auch in jeder Geschwindigkeit galoppieren, auch im Schritttempo. Er ist ja im Offenstall und hat immer ausreichend Fläche zum bewegen und nutzt sie immer mal gerne für einen frischen Aufgalopp zwischendurch, gerade den langen gang entlang... Auf persönlichen Gründen bin ich die leetzen zwei jahre kaum geritten und war nicht drasußen unterwegs, aber wenn ich ihn frage, würde er die Eingangsfrage immer mit "JAA!" beantworten. Er liebt es, wenn wir unterwegs sind. Ob nun in Begleitung oder ohne ist egal. Nur zuhause ist ihm definitv zu langweilig...das gilt auch für unseren Isi.

Unser zweiter Araber ist da ganz anders. Er liebt Routine und jeder Tag, der wie der andere ist ist gut. Er ist auch eher Typ Energiesparer und läuft zwar auch mal mit Shaman mit, aber er kann auch ohne Galopp. Neue Herausforderungen ängstigen ihn eher, als seine Neugier zu wecken und daher würde er die Eingangsfrage wohl eher verneinen. Sein Grundrecht, auf dem er besteht, ist seine Herde, sowohl die zweibeinige wie die vierbeinige. Kommen die mit, ist es eher ok. Geht sein Kumpel mit mir weg ist das absolut nicht ok, trotz verbleibendem Isi. Wir arbeiten dran, denn wenn er beschäftigt wird von "seinem" Menschen, dann verkraftet er auch die Trennung vom Pferdekumpel.
Schließlich soll Shaman dieses Jahr wieder zu "seinem Grundrecht" kommen und ich auch.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
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Hina_DK
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Re: Reiten als Grundrecht des Pferdes

Beitrag von Hina_DK »

Sheitana hat geschrieben:Gibt es da Studien zu?!?

Ich denke nämlich eher, das "psychische Wrack" kommt von den Trainingsmethoden, als von der "ständigen Flucht"... ;)
Denn es gibt sehr wohl Pferde, die gerne rennen. Von sich aus. Und die auch gerne vorweg rennen. So ganz ohne Angst und Fluchtverhalten.
Die Peitsche, die das Pferd antreibt noch schneller zu laufen halte ich für beängstigender...
Darüber gab es mal einen ganzen Doku-Film u.a. mit einen TA von einer Rennbahn, der dann auch bei sich solche Pferde wieder "runterfuhr". War sehr interessant. Leider weiß ich nicht mehr den Titel des Filmes. Sollte aber bei YouTube zu finden sein. Hab ihn dort gesehen.

Die Trainingsmethoden und die Rennen bilden eine Einheit. Diese Pferde rennen nicht freiwillig so. Sie werden im Training getrieben und erst recht bei den Rennen. Ich komme selbst ursprünglich von der Rennbahn, wollte mal Jockey werden und habe da, wenn es auch sehr lange her ist, genug gesehen :(. Da hat sich vieles verändert, das Sytem ist aber geblieben.
Viele Grüße
Hina

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