Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Moderator: Keshia

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minchen
Jährling
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Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von minchen »

Hallo ihr Lieben, (Achtung, es folgt ein Roman! :lol: )

nachdem mein Pony-Wallach Orlando (Shetty-Welsh-Mix, ca.1,15m, 10 Jahre alt) nun nach vielen Jahren wieder in alte und für Menschen gefährliche Verhaltensmuster fällt und ich inzwischen total Angst vor ihm habe und mir unsicher bin, wie ich weiterhin mit ihm umgehen soll, bräuchte ich da dringend mal ein bisschen Input von Außen…

Zur Vorgeschichte: Er kam als Einsteller zu uns, da wir damals eine mit 2m hohem Wildzaun eingezäunte Weide hatten und er bei einem Nachbarhof sämtliche andere Zaunvarianten (Holzzaun, Stromzaun, beides kombiniert…) im besten Falle einfach ignoriert, im schlechtesten Falle auseinander gebaut hat und irgendwann nachts auf der Hauptstraße rum spazierte :shock: … Alle waren mit den Nerven am Ende, vor allem seine damalige Besitzerin, die gerade ein Baby bekommen hatte :? .

Aus Erzählungen von ihr weiß ich, dass er bei ihr geboren ist und dann die ersten Lebensjahre auch allein mit seiner Mutter zusammen dort verbrachte. Nachdem die Leute diese jedoch verkauft hatten, wurde er (als Jungpferd!) zu einem alten Haflinger-Wallach in der Nachbarschaft gestellt und langweilte sich da wohl zu Tode, denn er kam auf die Idee einfach mal auszubüxen und zu seinem ehemaligen Zuhause bei seinen Besitzern zu rennen. Die fanden das natürlich lustig, bis sie ihn dann woanders unterbrachten und er das da auch weiterhin machte :roll: . Das war natürlich nicht gerade die idealste Jungpferde-Aufzucht :wall: .

Er sollte dann unter der Anleitung einer Ausbilderin von der Tochter der Besitzer (damals ca. 8 oder 9 Jahre alt) eingeritten werden. Das klappte wohl auch erst ziemlich gut, nur das er im damaligen Stall größtenteils in der Box stand, weshalb ihm seine Partellaluxation (Kniescheibe springt oft raus) große Probleme machte :roll: . Solange er im Offenstall steht und dadurch automatisch genug Bewegung hat, wird die Kniescheibe durch die Muskeln an Ort und Stelle gehalten, was da eben nicht der Fall. Bei uns hat er da keine Probleme mehr mit.

Ich kenne die genauen Umstände nicht, aber es endete damit, dass er das kleine Mädchen irgendwann getreten hat (wahrscheinlich Schmerzen wegen Knie?) und dieses dann Angst vor ihm hatte. Also Pony auf unseren Nachbarhof gestellt, wo er wieder abhaute, aber es mit seinem Knie langsam besser wurde.

Er hatte den anderen Pferden gegenüber ein grottenschlechtes Sozialverhalten. Er hat genervt, geärgert, gescheucht, angegriffen - ohne Sinn und Verstand. Ihn extra stellen ging nicht, da ihn ja kein Zaun aufhalten konnte. :x Manche der anderen Pferde (darunter auch zwei meiner) bekamen durch den Stress sogar Koliken. :cry:

Und auch beim Menschen hatte er nun raus, wie er sich aus für ihn unangenehmen oder langweiligen Situationen und Begebenheiten rausziehen konnte: Nämlich mit gezielten Angriffen! Dabei war ihm nichts zu schade: Von Beißen und Treten bis hin zum Steigen und Losreißen war alles dabei. Und da er es ja nie richtig gelernt hat, machte er auch keine Anzeichen oder Vorwarnungen, wie z.B. Ohren anlegen oder so. Er guckte einen mit einem Engelsgesicht an und stand in der nächsten Sekunde auf zwei Beinen vor einem. :shock:

Er kam dann wie gesagt zu uns und mein (inzwischen 22-Jähriger) Ponywallach und damaliger Herdenchef hat ihn mit viel Geduld und Energie dann erzogen (dauerte ca. 6 Monate) :clap: . Inzwischen hat er anderen Pferden gegenüber ein echt gutes Sozialverhalten und übernimmt langsam die Rolle des Herdenchefs von meinem alten Wallach. :dance1:

Als er gerade mit den anderen Pferden einigermaßen zurechtkam, spielte seine damalige Besitzerin (auch auf Anraten anderer Pferde-Menschen) mit dem Gedanken, ihn wegen seines Verhaltens töten zu lassen. Ich hab ihn ihr dann abgeschwatzt :shifty: , denn auch, wenn ich wusste, dass er niemals ein verlässliches Kinderpony wird, habe ich doch Fortschritte bei ihm gesehen und wollte ihm eine Chance geben.

Mit der Zeit wurde er auch Menschen gegenüber ruhiger (außer Kindern, die versucht er immer in Kapuzen zu beißen :twisted: ) und wenn er seine Kumpels, genug Fressen und genügend Strom auf dem Zaun hat, dann bleibt er auch da, wo er bleiben soll.

Er war händelbar, ließ sich mit einigem Geziehe und Gezerre halbwegs von A nach B führen, ließ sich nach einigen Diskussionen auch meisten die Hufe vom Hufschmied machen und er kam auf der Weide oft an zu Schmusen.

Ab und zu clicker ich mit ihm. Er hat übrigens die Futter-Manieren sehr schnell verstanden und wühlt nicht in der Leckerli-Tasche rum. Aber den Rücken würde ich ihm dabei nicht zu drehen :snooty: .
Eigentlich bräuchte er das jeden Tag als Beschäftigung, aber das schaffe ich leider zeitlich einfach nicht :shifty: und bei seiner Vorgeschichte mag ich da auch niemand anderen mehr ran lassen.
Letztens habe ich dann endlich mal den Entschluss gefasst, gezielt mit ihm am Führen zu arbeiten, weil mich sein Geziehe so nervte. Und er hatte natürlich auch schnell verstanden, was ich von ihm wollte (losgehen, wenn ich losgehe; anhalten, wenn ich anhalte; meistens klappte auch das Rückwärtsgehen). :dance1:

Also dachte ich mir vorgestern, ich kann ja mal einen kleinen Spaziergang mit ihm wagen. Das habe ich auch manchmal mit ihm gemacht, als das Führen noch nicht gut klappte :oops: und da war es (bis auf das Führen) auch kein Problem. Er ist ja früher auch alleine auf Tour gegangen und von Natur aus ein sehr neugieriges und unerschrockenes Pony 8-) .
Und nun klappte das Führen wirklich sehr gut, ich hab mich schon mega gefreut und war total stolz auf uns beide und von einer Sekunde auf die andere und ohne Vorwarnung! steht er wieder auf zwei Beinen vor mir und trifft mich voll an der Schulter. :twisted: :cry:

Das ganze hatten wir dann auf dem Rückweg noch 5 – 6 Mal und er steigt nicht nur einfach, sondern kommt frontal auf einen zu und versucht zu treffen :-o . Seine Hufe befinden sich dann genau auf der Höhe meines Kopfes, weshalb mir nichts anderes übrig bleibt, als aus dem Weg zu gehen.

Heute kam ich auf die Wiese (ich trau mich kaum noch rauf zu gehen wegen ihm :oops: ) und er kam an und wollte schmusen, was ich auch zugelassen habe, um meine Angst ihm gegenüber wieder etwas einzudämmen. Dann fing er jedoch an, an meinem Schnürsenkel rumzufummeln und wenn man ihn lässt, beißt er irgendwann rein (will er mich wie einen Pferdekumpel in die Knie zwingen?). Ich hab also meinen Fuß weggezogen, da legt er die Ohren an und droht mir mit treten :evildevil: . Ich bin dann weg gegangen und er kam sogar noch ein Stück mit angelegten Ohren hinter her; hat mich also erfolgreich vertrieben. :whistle:

Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch machen soll. Ich habe das erste Mal richtig Angst vor einem Pferd, ich habe auch Angst davor, dass er mal abhaut und andere angreift. Ich mag nichts mehr mit ihm machen, aber auch andere nicht ran lassen. Ich kann ihn auch nicht weg geben (steht in meinem Vetrag mit der Vorbesi ), mal abgesehen davon, dass ich es auch nicht ertragen könnte, wenn seinen neuen Besitzern etwas durch ihn zu stoßen würde.

Aber töten lassen kann ich ihn auch nicht…. :snooty:

Ich habe es sowohl mit dem „typischen Dominanztraining“ (von dem ich eigtl. nicht so viel halte und was bei ihm auch nur alles schlimmer macht; Geschrei, Strick-Gewedel und Gerten-Gefuchtel usw. interessiert ihn überhaupt nicht :snooty: :roll: ) als auch auf positivem Wege durch das Clickertraining versucht, aber ich habe einfach das Gefühl, keinen Zugang zu ihm zu bekommen und mir gehen langsam einfach die Ideen aus, zumal er meine Angst ihm gegenüber natürlich auch merkt…Er scheint jede Schwäche sofort zu seinem Vorteil zu nutzen. :?

Was kann ich tun, damit es gar nicht erst zu Angriffen von ihm kommt? Soll ich überhaupt noch etwas mit ihm machen? Momentan spiele ich ehrlich gesagt mit dem Gedanken, ihm einfach ein (bis auf Hufschmied - und Tierarztbesuche) ruhiges Leben auf der Weide zu lassen. :shifty:
Könnte es sein, dass die beim Kastrieren damals was bei ihm vergessen haben? Und gibt es Möglichkeiten, das rauszufinden? Und falls ja, was kann man jetzt noch dagegen tun? Ich habe gehört, dass das eine ziemlich große OP wäre…oder ist das gar nicht so hengstiges Verhalten, was er an den Tag legt?
Zähne sind in Ordnung, vielleicht ein anderes gesundheitliches Problem? Ostepathische Behandlungen usw. macht er vermutlich nicht so ohne weiteres mit...evtl. ein Tumor oder so?
Warum kommt dieses Verhalten so plötzlich wieder, nachdem jahrelang (bis auf gelegentliches Ausschlagen) Ruhe war? Welche Richtung von der Erziehung her würdet ihr einschlagen? Weiter clickern oder lieber etwas wie Horsemanship oder so?

Ich bin für jeden Tipp und Ratschlag dankbar und falls jemand von euch Erfahrungswerte mit ähnlichen Fällen und Prognosen hat, gerne immer her damit.

Tut mir Leid, dass das so lang geworden ist, ich hab versucht, mich auf das Wichtigste zu beschränken. :shifty: :whistle:

Liebe und verzweifelte Grüße,

Minchen
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november
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Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von november »

Puh, das ist aber eine harte Sache. Respekt, dass du ihn vor dem Schalchter gerettet hast, aber leider habe ich keine hilfreichen Tipps für dich. Mich würde nur interessieren, ob du dir mal Hilfe geholt hast. Also einen Trainer. Wenn nicht, vielleicht wäre das ein Ansatz? Wobei es da sicher nicht ganz einfach wäre, jemanden zu finden, der zu euch passt und auch die Erfahrung und die Nerven für solch einen Fall hat.
Ich glaube, ich würde in Richtung CT schauen, darauf scheint er ja ganz gut anzusprechen. Du schreibst ja auch, dass er das öfters bräcuhte, du es zeitlich aber nicht leisten kannst. Vielleicht liegt aber da der Hund begraben, vielleicht hilft es alles nichts und du musst dir diese Zeit nehmen. Ginge das gar nicht?

Auf jeden Fall drücke ich dir die Daumen, dass ihr einen Weg findet!
Little by little, one travels far.
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Lisa-Marie

Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von Lisa-Marie »

Und ich kann auch nur beisteuern, dass, wenn Du noch Hodengewebe vermutest, man das im Blut feststellen kann. Da müsste man also nicht gleich operieren, sondern der TA nimmt erstmal Blut und schaut, ob viel Testosteron vorhanden ist. Wenn NEIN, ist er vollständig kastriert und "hat nur einen an der Klatsche". Wenn JA, kann man immer noch überlegen, ob man operiert.
Wobei ich nicht weiß, ob Dir das soviel hilft, da sein Sozialverhalten und Wehrhaftigkeit ja nicht NUR vom Hengst-sein abhängen, da stimmt schon mehr nicht.
Ich würde auch dringend zu Hilfe raten und nicht mehr alleine mit ihm "arbeiten" (egal was), denn Angst ist tatsächlich der schlechteste Lehrmeister. Clickertrainer, die das wirklich gut können, könnte eine Möglichkeit sein, ansonsten jeder Verhaltenstrainer (vielleicht auch mal bei Deinem TA nachfragen, ob er jemanden kennt, der sich mit Verhaltensmedizin beim Pferd beschäftigt).
roniybb
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Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von roniybb »

Was hast du denn gemacht, als er dich angegriffen hat? Klingt ja ziemlich ranghoch und distanzlos..
Ich verstehe deine Gedanken, hab auch so einen Kandidaten hier... bei uns haben zuerst klare Grenzen, und dann die Arbeit und ein Trainer geholfen. Aber momentan bin ich auch am Aufgeben da die Schritte so winzig sind, auf die Jahre gesehen und ich einfach keine Lust mehr hab...
Zuletzt geändert von roniybb am Mi 30. Nov 2016, 07:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Keshia
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Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von Keshia »

Hallo Minchen,

:schulter: Da hast du dir ja eine Aufgabe gesucht.

DEN ultimativen Tip kann ich dir nicht geben, aber als eine Art Brainstorming kann ich dir ja einfach mal aufschreiben, was mir beim Lesen so durch den Kopf ging. (Achtung! Ferndiagnosen sind immer arg wackelig. ;-) )

- Das Verhalten scheint mir nicht typisch hengstig. Damit allein könnte man es sicher nicht erklären.
- Ursachen: Aggressionen rühren meist aus Unsicherheit/Angst. Evtl. triggert ihn irgendwas. Da kann man viel Rätselraten, aber es klingt mir nach absoluter Überforderung seinerseits im Umgang mit Menschen. (Führen ist Konzentration, wenn die Menschenregeln eingehalten werden sollen... evtl. war es zeitlich zu lang?)
- sein Frühwarnsystem scheint nicht zu funktionieren (bis auf das Ohrenzurücklegen bei der Schnürsenkelsache), ich bin mir nicht sicher, ob das nur nicht erlernt wurde oder da ein Problem im Hirn besteht. :nix: Kann er das inzwischen bei den Pferden? Klang so.
- Es sind einige "Erziehungs-Systeme" mit ihm ausprobiert worden, klingt nicht nach viel Konstanz in seinem Leben. Zudem die Erfahrung, daß Menschen nicht auf seine Schmerzen Rücksicht nehmen, inkl. der Erfahrung, daß er sich erfolgreich wehren kann.

Aus diesen Gedanken heraus käme ich persönlich zu zwei Schlüssen:
1) Er ist tatsächlich gestört/entwicklungsverzögert oder was auch immer, und das Verhalten ist nicht änderbar, weil es tief sitzt.
oder
2) Siehe oben, aber es ist eine erlernte Störung aus unserer Sicht und auf den Menschen bezogen und durch Training änderbar. In dem Fall sehe ich ganz viele Vorteile darin, wenn man sich eine Person sucht, die sehr konsequent, sehr ruhig, sehr geduldig und kleinschrittig vorgeht, die Anforderungen ans Pony langsam hochschraubt, viel lobt, Vertrauen aufbaut und absolut weiß, was sie tut, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

Da du nach Erfahrungen fragst:
Ich hatte bisher einen ähnlichen Fall, nicht ganz so krass, aber es war ein junger Connemara-Wallach, der mit zwei älteren Stuten aufwuchs und mit dem die Besitzerin als Fohlen und Jungspund fleißig gespielt hat.
Nun sollte er (inzwischen 4, wenn ich mir recht erinnere) aber sich brav führen und longieren lassen, was er nicht tat. Er stieg, drehte sich plötzlich um und trat gezielt nach der Besitzerin. Und das regelmäßig.
Das Führen bekamen wir recht schnell in den Griff, der Kleine war super lernwillig und eben an sich freundlich zum Menschen. Aber für mehr scheiterte es einfach daran, daß meiner Meinung nach zu unregelmäßig gearbeitet wurde, der Kleine immer noch keine Spielpartner hatte und immer wieder den Menschen aufforderte, wenig Konsequenz und Sicherheit von den Besitzern ausgestrahlt wurde und auch körperliche Baustellen schöngeredet wurden und keine Abhilfe geschaffen wurde. Ich kann also nicht sagen, wie es ausging, denn ich sagte irgendwann, daß alles Training keinen Sinn mache, wenn sich die Haltungsbedingungen nicht ändern. :nix:
Einen weiteren Fall sehe ich gerade bei mir am Stall. Ein junger Lippizzaner-Wallach, der ebenfalls oftmals auf zwei Beinen steht, allerdings keine Angriffe startet. Ich könnte mir aber vorstellen, daß er auch ein solches Verhalten noch entwickelt. Mit ihm wird einerseits quasi nur gespielt, andererseits wird er aus meiner Sicht z.B. damit überfordert, daß er Knall auf Fall auch mal ne Stunde weg von der Herde angebunden stehen muß, ohne daß das gezielt geübt wird. Das Herzchen ist soweit, daß er über die Boxenwände springt, wenn er mal in der Box auf etwas warten muß. :staun: Und die sind bestimmt 1,50 hoch.
Der späte Wurm entgeht dem Vogel.

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Lewitzer Flummi
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Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von Lewitzer Flummi »

Klasse, dass du ihn vor dem Schlachter gerettet und schon so viel ausprobiert hast! :hutab:

Was mir beim CT einfällt: wie kleinschrittig bist du vom führen auf dem Platz ins Gelände gewechselt? Ich vermute, dass dieser Schritt zu groß gewesen sein könnte.
Mein Bube lässt sich auf dem Platz gut führen, auf dem Hof ist es tagesformabhängig. Und wenn wir wirklich raus gehen, ist es noch mal krasser. Ich vermute, dass das steigen einfach ein Anzeichen von Stress war und er so zeigte, dass er in dem Moment überfordert war.
Kann deine Angst gut verstehen, obwohl mein Bube sich da noch etwas besser unter Kontrolle hat. Das höchste der Gefühle bei ihm war mal 30 cm mit den Vorderbeinen zu steigen.
Wenn du dich traust, würde ich noch mal Führtraining auf dem Platz machen und dann erst mal nur zum Tor raus und gleich wieder rein. Alles hoch bestärken, was er für dabei macht. Kopf tief hilft bei uns auch ein wenig.....
Hoffe, du hast Erfolg und findest wieder Vertrauen zu ihm!
Liebe Grüße
Die Flummis

Unser Tagebuch
Und Teil 2: Auf dem Weg zum Reitpferd
roniybb
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Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von roniybb »

Naja, Angst ist immer ein schlechter Begleiter, ich kann das verstehen. Vor allem,wenn es so ohne Vorwarnung kommt.
Tips wirst du hier viele bekommen- ich hab mit meinem den Reitplatz nicht verlassen, bis meine Angst halbewege weg war, sonst konnte ich ihm nicht die Sicherheit geben, die er brauchte.
Du wirst das erstmal mit dir ausmachen, vielleicht stellst ihn den Winter über weg und schaust im Frühjahr wieder, ob du Lust und Nerven hast?
roniybb
Sportpferd
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Registriert: Do 7. Jun 2012, 17:03

Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von roniybb »

Und auch Pferde wollen, dass du ihnen vertraust, genaus wie sie dir vertrauen wollen. Das ist ziemlich schwierig...Als ich ihm vertraut hab, dass er mich nicht mehr runterbuckelt, bin ich entspannter aufgestiegen...das hat leider 4 Jahre gedauert...bis wir beide in der Lage dazu waren...
ehem User

Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von ehem User »

erstmal :hutab: und :cookie: für deinen alten wallach!
als ich gelesen habe, auch mit anderen pferden total problematiscch, dachte ich: ziemlich hoffnungslos...
also dass dein "alter" das hinbekommen hat :-d

was den menschen angeht - ich denke, er braucht da absolute konsequenz, regelmäßigkeit und kontinuität. egal nach welcher methode. hoffnungslos ist es nicht, denke ich.
wie viel zeit hast du übrig? also kannst DU das überhaupt leisten, rein von den resourcen her?

grundsätzlich ist es möglich, dass was "vergessen wurde" bei der kastration, aber ich denke nicht, dass es das braucht um sein verhalten zu erklären, nach dem, was du über seine geschichte erzählt hast.
dennoch wäre eine tierärztliche abklärung mMn sinnvoll, einfach um auszuschließen, dass er schmerzen oder irgendwelche anderen probleme hat. würde ich bei verhaltensauffälligkeiten einfach immer tun.


mein großer hat sich anfangs ähnlich verhalten, hat sich nicht putzen lassen, nach vorn gebissen, mit den vorderbeinen nach vorn geschlagen, mit den hinterbeinen in alle richtungen getreten, mich in "hengst-vertreibt-rivalen-von-seiner-herde"-haltung von der weide jagen wollen, mich gezielt niedergestreckt...
letztenendes lag es an meinem verhalten. nicht falsch verstehen, das soll nicht heißen, dass du SCHULD bist - oder ich schuld war - sondern dass es an meinem verhalten hing, und auch durch mein verhalten zu ändern war. also, um dir hoffnung zu machen - wir haben das in den griff bekommen und er war innerhalb von verhältnismäßig kurzer zeit ein verlässlicher, kooperativer partner (und ja, es gab rückfälle ab und zu in den ersten 1.5 jahren). es hat natuerlich auch gedauert, bis ich vertrauen darein hatte, viel länger, als es für die verhaltensänderung von ihm brauchte.

zur angst: ja, klar, angst ist schlecht, voll unproduktiv, die riechen das usw... das zu wissen hilft nur nicht, keine zu haben. deine angst ist vor allem eins: total begründet. da KANN wirklich was passieren. und selbst wenn sie nicht begründet wäre, wäre sie legitim und du kannst sie nicht unterdrücken. einem pferd gegenüber was vorzutäuschen :lol2: keine chance :hahano:

das problem bei meinem pferd war, dass er mit aggression auf unsicherheit meinerseits reagiert hat, also auf jeden zweifel bei dem, was ich tat/ von ihm forderte.
geholfen hat mir (uns) der rat eines profs bzgl meiner vortrags-angst ;-): bereite dich vor! üb den vortrag am anfang, bis du ihn fast auswendig kannst, so dass du auch mit blackout noch abrufen kannst ohne nachdenken zu müssen.
so hab ich die einheiten im ersten halben jahr vorbereitet :shy: ich hatte plan A bis F für jeden schritt (also ich will das, was könnte passieren, was tue ich wenn x,y,z,... passiert). war anstrengend, hat für mich funktioniert. irgendwann wars nicht mehr nötig.
ich hatte damals allerdings wirklich null erfahrung, also vermutlich brauchst du das eh nicht in der intensität.
aber vielleicht auch mal einen profi dazuholen, der eure interaktion anschaut und analysieren kann, worauf er reagiert - sowas ist aus der ferne ja immer schwer.
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Heupferdchen
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Registriert: Mo 18. Feb 2013, 13:12

Re: Umgang mit verhaltensgestörtem Pony...

Beitrag von Heupferdchen »

Liebes Minchen,

puh, das klingt nach keiner leichten Aufgabe!
Keshia hat geschrieben:Aggressionen rühren meist aus Unsicherheit/Angst. Evtl. triggert ihn irgendwas. Da kann man viel Rätselraten, aber es klingt mir nach absoluter Überforderung seinerseits im Umgang mit Menschen.
Hmm, nach einer Angstreaktion und defensiver Aggression klingt das für mich nicht - zumindest aus der Ferne. Ein 'normales' Pferd würde im Angst-Fall es immer zuerst mit wegrennen versuchen. Es würde treten statt steigen (und dabei gezielt mit den Vorderbeinen schlagen). Orlando ist zwar vernachlässigt und nicht artgerecht aufgezogen, aber nicht misshandelt worden, oder?

Ich könnte mir folgendes vorstellen: Orlando ist gewohnt, (nicht nur!) draußen seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Damit ist er ja bisher ganz gut gefahren. Er sieht keinen Mehrwert darin, sich von dir im Gelände was sagen zu lassen. Und seine Entscheidung ist in diesem Fall so ausgefallen, dass du gezielt ausgeschaltet gehörst.

Ganz ehrlich: Mir persönlich wäre die Angelegenheit viel zu heiß, auch wenn es sich 'nur' um ein 1.15m-Pony handelt. Ich würde da wirklich gute Leute ranlassen, die DICH fit für dieses anspruchsvolle Pferd machen. Nicht die mit Peitschenknallen und Strickgewedel (davon lässt er sich sicherlich nicht beeindrucken). Aber auch nicht die, die nur mit dem Clicker rumlaufen und keine Grenzen setzen können. Mit diesem Pferd muss man sehr konsequent sein, das bin ich absolut bei sillyWalks.

Mit einem Spaziergang hast du (meiner Meinung nach!) den 15. Schritt vor dem ersten gemacht. Im Gelände hast du viel weniger Handhabe als in einem umzäunten Bereich. Das Risiko, wenn was schiefgeht, ist ungleich höher.
Zuletzt geändert von Heupferdchen am Mi 30. Nov 2016, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.
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