Wie experimentierfreudig seid ihr?

Moderator: Stjern

ehem User

Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von ehem User »

Lisa-Marie, ich kenne genug Leute, die nur deswegen 'experimentierfreudig' sind, weil sie eigentlich nach diesen Knöpfen, also 'quick fixes', suchen. Passiert da nicht schnell genug eine eklatante Besserung, wird der Trainer / die Methode /... gewechselt - auch wenn der Hinderungsgrund der ausbleibenden Verbesserung vielleicht sie selbst sind.

Leichter im Sinne von tatsächlich produktiver wird das Experimentieren aus meiner Sicht dann, wenn man schon eine gewisse Basis hat. Eine solche Basis ist entweder eine gewisse Verwurzelung in einer Methode oder einem Verhalten gegenüber dem Pferd, oder aber jahrelange (!) Erfahrung mit verschiedenen (!) Pferden, oder aber auch, das eigene Pferd schon ein paar Jahre zu haben und zu kennen und deswegen ausprobieren zu können. Letzteres kann aber unter Umständen bei anderen Pferden überhaupt nicht mehr funktionieren und man muss dann wieder von vorn anfangen.
Kann, muss nicht.

Das Schwierige an der Entwicklung, dem Umgang mit dem Pferd ist halt, dass es immer auf einen selbst zurückkommt.
Wenn man geistig und körperlich wirklich 'bei sich' ist, hat man eine ganz andere Grundausstrahlung, kann mit verschiedenen Pferdetypen gut umgehen und auch in verschiedenen Trainingswegen gute Erfolge erzielen.
Dieses 'bei sich' Sein ist für mich in der Ausbildung absolut zentral und ich stelle fest, dass man das bei den verschiedensten, guten Pferdeleuten wiederfindet, auch wenn sie es teilweise sehr unterschiedlich beschreiben.
Aus meiner Sicht gut formuliert hat es eine Tellingtontrainerin im vergangenen Jahr: 'Wie gut ist dein Geist in deinem Körper verankert?'

Wenn ich das jedenfalls habe, ist es gar nicht mehr so ein Experimentieren, sondern fühlt sich völlig normal an, mal so oder so zu sein oder zu laufen. Wie wenn man mit Freunden spazierengeht zum Beispiel.
Klar bin immer noch ich diejenige, die sagt, wo das Pferd bitte sein soll, wenn ein Auto kommt, aber insgesamt ist die Kommunikation eine sehr viel gleichwertigere und authentischere - und damit gelassenere und freundlichere.

...keine Ahnung, ob man versteht, was ich meine, es lässt sich echt schwer in Worte fassen :gaah:
Wallinka
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Wallinka »

Lisa, ich glaube, das haengt auch davon an, wie lange man etwas schon macht. Am Anfang geben Regeln und Vorgaben Sicherheit und Hilfe, wenn man sich eingearbeitet hat und Sicherheit gewonnen, werden Regeln unwichtiger.
Den "Umrennern" habe ich anfangs sehr deutliche, konsequente Regeln gegeben, in welchem Umkreis sie sich aufhalten duerfen, Sicherheit fuer sie und fuer mich. Inzwischen sin sie nicht mehr ganz so wichtig, Wir kennen uns besser.
Allerdings wuerde ich hinter deine Zahlen noch 2-3 Nullen haengen ;)
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
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Equester
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Equester »

Noch mal ganz kurz: kreativ ja, aber man sollte schon wissen, was man will. Ich will, dass mein Pferd anhält, wie ich das hin bekomme hängt auch stark davon ab, auf welche Signale mein Pferd reagiert. Gleiches gilt für laufen, Tempo verändert etc.

Gymnastizierung ist noch einmal ein anderes Feld, obwohl ich auch da gerne andere Wege gehe, wenn ich merke, dass mein Pferd auf bestimmte Signale gut anspricht.

Wenn ich oben drauf sitze, bin ich in soweit kreativ, dass ich sehr genau darauf achte, was mein Sitz, meine Gewichtshilfen, mein Schenkel etc. beim Pferd ausrichten. Eine RL hat mir mal gesagt: wenn Deine Galopphilfe ein Biß ins Ohr vom Pferd ist, ok, aber dann muss es auch immer der Biß sein... Soll heißen, Kreativität hat Grenzen, nämlich dann, wenn man sein Ziel erreicht hat und das Pferd ohne Stress verstehen kann, was man will.
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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Heupferdchen
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Heupferdchen »

Auch wenn es in Zeiten des Individualismus etwas aus der Mode gekommen ist - ich bin ein großer Freund davon, mir von erfahrenen Menschen etwas beibringen zu lassen. Wenn ich ein Problem lösen möchte, schaue ich mich erst bei anderen um. Wenn mich deren Ansatz und deren Ergebnisse überzeugen, beschäftige ich mich ausgiebiger mit ihren Lösungsvorschlägen. Und lasse mir gerne was beibringen.

Warum soll ausgerechnet ich das Rad neu erfinden und Fehler wiederholen, die andere längst gemacht haben? Ich finde es schwierig genug, unterschiedliche Ansätze zu beurteilen. Vielleicht fehlt mir aber auch schlicht das Talent. :nix:
Zaubermieze hat geschrieben: Mi 15. Feb 2017, 23:12 Zum Beispiel beim Führen: Ich habe aus Neugier verschiedene Konstellationen ausprobiert und momentan die fixe Führposition aufgegeben. Ich fühle mich jetzt auf Höhe der Hinterhand fast genau so wohl wie auf Kopfhöhe des Pferdes und wenn ich mich irgendwo dazwischen befinde, ist das kein Weltuntergang.
:kratz: Gibt es überhaupt noch Trainer, die eine fixe Führposition lehren? Die Auswirkung unterschiedlicher Positionen aufs Pferdi gehört doch zu den absoluten Bodenarbeits-Basics. Tellington, Parelli, Branderup, ... mir fällt echt niemand ein, der das NICHT nutzt. :nix:
plüschtiger hat geschrieben: Leichter im Sinne von tatsächlich produktiver wird das Experimentieren aus meiner Sicht dann, wenn man schon eine gewisse Basis hat.
:five:
Bei absoluten Individualisten im Pferdebereich finde ich (häufig, nicht immer!) deren Resultate wenig überzeugend. Und gewinne den Eindruck, dass da schlicht das Korrektiv fehlt und Dinge schöngeredet werden.

Etliche MENSCHEN gewinnen deutlich an Sicherheit und Ausstrahlung, wenn sie technisch fit in einer Methode sind. Diese Methode kann dann Ausgangspunkt für die weitere Reise sein und ist natürlich nicht das Maß aller Dinge.
Nucades
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Nucades »

Ich bin durch mein Pferd kreativ geworden. Das kann nämlich so gar nicht mit starren Strukturen, wenn sie aus seiner Sicht nicht zu ihm passen :nix:
Beispiel führen: Seine Wohlfühl-Position und die "klassische" Position sind nicht kompatibel. Versuche, ihn so zu führen, wie es sich "gehört", führten zu großem Widerstand und letztendlich Verweigerung der Kooperation. Also haben wir geschaut, wie's für uns beide passt und sind glücklich und zufrieden mit dem Kompromiss. Und gemeinsam geschaffene Strukturen hält mein Pferd gerne und zuverlässig ein.
Was nutzen mir die bewährtesten Methoden, wenn ich dadurch mein Pferd "verliere" :nix:
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elcaracol
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von elcaracol »

Hi,
ich gehöre wohl auch ins Lager der Individualisten.

Ich mache schon länger alles im Alleingang. Natürlich bestehe ich auf einen Grundgehorsam (Anhalten, nicht beisen oder treten usw.), aber im Moment ist das gar kein Problem, der ist einfach da.

Aber seit ich versuche mit positiver Verstärkung zu arbeiten, mache ich viel auf eigene Faust und probiere einfach auch viel aus.
Wie bei vielen ist das Führen eines Pferdes immer ein großes Thema.
Ich kann meine Stute selbstverständlich in jeder Position führen, welche wir in verschiedenen Szenarios machen. An der Straße möche ich, dass Pony auf Kopfhöhe mit geht, Halten an der Straße und Auto kommt vorbei, möchte ich auf Schulterhöhe stehen und warten. Auf abgelegenden Wegen, kann sie sich ruhig eine Position aussuchen. Aber ich habe immer das Gefühl meine Lotta Anhalten zu können und eine andere Führposition einzunehmen.
Irgendwie haben meine Ponys bisher immer am liebsten die Mutti-läuft-vor-Porition eingenommen.

Ich habe auch inzwischen keine Scheu mehr etwas auszuprobieren und später zu merken, dass es suboptimal war. Ich konnte bisher auch kein Problem bei einer Umgewöhnung finden, hat immer super geklappt. Natürlich überlege ich mir ein Ziel und einen Weg dahin und dann probiere ich halt aus.

Am Anfang meiner Pferdekarriere ;) habe ich sehr viel aus Büchern gelesen, von erfahrenden Pferdemenschen übernommen usw., aber irgendwann kam es zu dem Punkt, dass ich den mir leider oft vorgelebten Weg nicht gehen konnte.
Und ich kann mir sehr viele Regeln merken und es macht mir einfach keinen Spaß, beim Hobby immer ein Regelwerk im Kopf zu haben welches umgesetzt werden muss. Teilweise sind bestimmte Verhaltensweisen so eingebrannt, dass sie in extrem Situationen doch hoch kommen.

Dann ist natürlich immer die Frage, was man/frau für Lehrer in der Nähe hat. Zuletzt war ich in einen Ausbildungsstall und als im Lehrgang meine Sunny nicht gut mit machte, wurde mehr Druck gemacht, Sunny geriet in Schockstarre und wurde verprügelt, da sie ja nicht vor ging. Danach hieß es ich muss jetzt den Rest der Einheit rückwärtsgehen üben. Und ich habe es erst unter Tränen versucht und dann habe ich allen Mut zusammen genommen und bin gegangen. Und ja diese Dame galt bei uns als "gute Pferdefrau". Ich will meinen Pferden soetwas nie wieder zumuten.
Ich schaue zwar immer wieder nach potentiellen Lehrern, aber ich fürchte, dass sie zu viel Druck machen und zu hart sind... Und ich habe Angst in eine Situation zu geraten, wo ich eben nicht "Nein!" sagen kann (wie damals) und meine Pferde leiden müssen.
Leider ist das "Nein!" sagen ein riesen Problem bei mir und alleine muss ich niemanden rechtfertigen, kein Nein sagen usw.
Aber natürlich wünsche ich mir auch ab und an Hilfe, denn momentan kommen wir nicht gut weiter :shy:

Am wichtigsten ist mir eigentlich im Moment meine Zeit beim Pferd gut zu füllen. Ich möchte mich gut fühle, Lotta soll sich gut fühlen und wenn ich jemanden dazubestelle, bin ich nicht bei mir :shy: Und inzwischen hasse ich es, nicht ICH sein zu können, wenn jemand fremdes dabei steht und deswegen mache ich doch wieder alles alleine und bin nur noch in Haltergemeinschaften unterwegs.
Inzwischen habe ich gemerkt, dass ich scheinbar so ein Freak geworden bin, dass ich mit keinen anderen Pferdemenschen kompatibel bin.
Ich hatte mich auch gefragt, wie ich auf andere Pferdemenschen wirke, aber da bin ich ja schon nicht mehr ICH. Sondern ein nervöses, ängstliches, zu hoch und schnell sprechendes Nervenbündel, welches vor Angst nicht ihren Standpunkt klar machen kann.
Inzwischen macht es auch einsam, aber wie gesagt, ich finde keine kompatiblen Pferdeleute :shy:

viele Grüße
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Equester
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Equester »

Nucades hat geschrieben: ---- ihn so zu führen, wie es sich "gehört"....
Und an der Stelle kribbelt es schon in mir. Das "richtige" führen ist aus der Militärzeit. Da mussten Mensch und Pferd ordentlich in einer Reihe gehen. Ich bin nicht beim Militär und meine Pferde auch nicht. Ich lege viel Wert auf freiwillige Mitarbeit, das schließt - zumindest bei meinen Pferden - schon aus, dass ich mich sklavisch an irgendwelche Regeln halte, die irgendeine Institution mal festgelegt hat, zu Aufgaben/Problemen, die nicht meine sind :nix:

Und wenn ich mir - was ich leider öfters unfreiwillig machen muss, weil ich in der gleichen Halle/Platz arbeite - antun muss zu gucken, wie "richtig" und nach Vorschrift Unterricht gegeben wird und sehe, welchen Ausdruck die Pferde dabei haben, dann will ich nur noch eins: es anders machen. Wobei ich unter anders verstehe, dass ich anders zum Ziel komme. Pferd bleibt Pferd und unterliegt bestimmten anatomischen Grundsätzen, von daher ist der Spielraum - zumindest was das Ergebnis angeht - eh eingeschränkt.
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
Nucades
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Nucades »

Equester hat geschrieben: Sa 18. Feb 2017, 20:56
Nucades hat geschrieben: ---- ihn so zu führen, wie es sich "gehört"....
Und an der Stelle kribbelt es schon in mir. Das "richtige" führen ist aus der Militärzeit. Da mussten Mensch und Pferd ordentlich in einer Reihe gehen. Ich bin nicht beim Militär und meine Pferde auch nicht.
Und genau deswegen setzte ich Anführungszeichen ;-)
jella
Pegasus
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Registriert: Mo 28. Mai 2012, 09:04

Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von jella »

Meine Stute habe ich stets so geführt, wie es einen gelehrt wurde. Ich ging stets auf Schulterhöhe. Dann fingen wir aber an, unsere Spaziergänge zu entwickeln u. dabei fand ich es lästig, fühlte mich "eingezwängt" in Vorschriften. Und so haben wir "probiert", was geht. Am liebsten mag sie es, wenn ich vorgehe. Wenn sie total sicher ist, kann ich gut neben ihr hergehen. Wenn sie super sicher ist, darf ich hinter ihr gehen. Ich selber habe sie dadurch besser kennenlernen dürfen.
So haben wir in leicht unsicheren Momenten geübt, wie es ist, wenn ich hinter ihr gehe, mit dem Fazit, dass sie mir auch mehr und mehr vertraute, wenn ich die Führung an sie übergab. Die sie niemals ausnutzte.
Mittlerweile können wir auch im Gelände nebeneinander gehen u. der Strick hängt über dem Hals. Jederzeit für mich greifbar. Für sie aber auch die Möglichkeit, anzuhalten, wenn sie Gras rupfen möchte. Gehe ich weiter u. sie ist frei, folgt sie mir. Sie möchte mich nicht "verlieren".
Deswegen will ich auch unsere Spaziergänge nur allein gestalten. Jeder andere würde sagen, "was nervig". Für mich ist das Chill-Time.
Es gibt aber auch nie Probleme, wenn ich ein fixes Ziel habe u. strammen Schrittes vorausgehe u. sie mir folgt. Sie passt sich meinem Plan an. Ich brauche da diese Dogmen nicht. Jakari auch nicht! Mag für jeden anders sein, wir fühlen uns wohl so.
ehem User

Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von ehem User »

Ich kann verstehen, woher manche Regeln kommen.
Wenn man z.B. regelmäßig mit Pferden zu tun hat(te), die sich systematisch losreißen, einen umrennen, o.ä., stellt man schon fest, dass es Führpositionen gibt, die sinnvoller und 'sicherer' (für alle Beteiligten) sind als andere.
Aus der Sicht ist es dann schon sinnvoll, gerade Anfängern erstmal eine Position beizubringen und auch auf deren Einhaltung zu 'beharren', um eine Basis zu haben, die mit verschiedenen Pferden funktioniert.

Hat man dann ein eigenes Pferd, was man über die Zeit hinweg immer besser kennt oder insgesamt einfach einen größeren Erfahrungsschatz, kann man das ja immer noch ausweiten - wie wir alle hier.
Ich glaube allerdings, wenn ich gerade darüber nachdenke, dass ich bei mir unbekannten Pferden doch immer erstmal eine Führposition einnehme, von der aus ich in den meisten, auch unerwarteten Situationen gut reagieren kann. Das ist bei mir zwischen Kopf und Schulter des Pferdes.


Dass manche auf solchen Regeln auch dann noch beharren, wenn es individuell überhaupt nicht mehr notwendig ist, ist natürlich eine andere Sache.


Und ich musste anlässlich dieses Threads neulich auch daran denken, dass so simple Dinge wie: 'In welcher Reihenfolge kratzt man die Hufe aus' für manche Leute wirklich nötig sind. Habe es nicht erst einmal erlebt, dass Menschen ihr Pferd putzen und die Hufe auskratzen und nachher nicht mehr wissen, ob und welchen Huf sie jetzt schon gemacht haben - und das regelmäßig.
Da ist es dann schon sinnvoll, einen automatisierten Ablauf zu haben, wenn man nicht jedes Mal nochmal überall nachgucken will, ob man das jetzt vielleicht vergessen hat :lol:
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