Wie experimentierfreudig seid ihr?

Moderator: Stjern

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Zaubermieze
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Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Zaubermieze »

Während ich früher im Umgang mit dem Pferd und beim Reiten immer alles genau nach Lehrbuch gemacht habe, merke ich, dass ich mich mittlerweile je länger je mehr auf eigenen Wegen bewege und teste, wie nah ich an Grenzen gehen kann und was passiert, wenn ich sie überschreite. Ich tue manchmal absichtlich Dinge, die man nicht so machen soll, weil es mich interessiert, was tatsächlich passiert. Zum Beispiel beim Führen: Ich habe aus Neugier verschiedene Konstellationen ausprobiert und momentan die fixe Führposition aufgegeben. Ich fühle mich jetzt auf Höhe der Hinterhand fast genau so wohl wie auf Kopfhöhe des Pferdes und wenn ich mich irgendwo dazwischen befinde, ist das kein Weltuntergang. Natürlich ist es absolut möglich, dass sich meine Meinung darüber auch wieder ändert. Aber im Moment mache ich gerade die Erfahrung, dass das Wunderpferdchen weniger zum Überholen neigt, wenn ich hinten mitgehe.

Ich bin mir bewusst, dass das fürs Pferd anspruchsvoll ist. Heisst es doch immer, Pferde müssten sich auf fixe Routinen einstellen können, damit sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Insofern nehme ich dann auch in Kauf, dass mein Pferd bei gewissen Dingen nicht den Vorzeigegehorsam zeigt, den es haben könnte, wenn ich meine Experimente lassen würde und dadurch wohl manchmal auch bestimmter mit meinen Anweisungen wäre. Bei aller Experimentierfreude denke ich aber, dass ich nicht völlig unberechenbar und konzeptlos bin. Ich kenne in der Regel den Hintergrund einer überlieferten Vorschrift, die ich gerade breche, ich denke darüber nach, ob mir das Resultat gefällt, und ich verlange von meinem Pferd auch nicht, dass es an Tag A auf ein Handheben Männchen macht und sich an Tag B auf das gleiche Signal hinlegt.

Dieses Ausprobieren und Schauen was passiert ist teilweise wohl Charaktersache, andererseits wurde ich natürlich auch während dem Designstudium über mehrere Jahre explizit dazu ermutigt, Dinge zu untersuchen, an die Grenzen und evtl. auch darüber hinaus zu gehen. Das hat mich sehr geprägt, auch wenn es ausserhalb der FH natürlich nicht immer auf Verständnis stösst. Dinge "anders" zu machen, etwas zu entdecken, interessiert mich heute im Allgemeinen mehr, als alles "richtig" zu machen - wobei im Umgang mit dem Pferd selbstverständlich Grenzen gesetzt sind, wie weit man sich vom "Richtigen" entfernen darf, ohne dass jemand Schaden nimmt.

Wie habt ihr das? Gehört ihr eher zu den "Hippies" oder zur "Alten Schule"? Wieso? Was macht ihr für Erfahrungen damit? Was braucht es, damit ihr etwas Neues ausprobiert?
Je m'efforcerai de donner le meilleur de moi-même, afin que ces chevaux me jugent bien dans leur gentillesse et que l'harmonie règne par l'entente entre deux êtres vivants.
Nuno Oliveira
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_Eva
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von _Eva »

Ich als Späteinsteigerin, die noch keine "klassische" Reitschule betreten hat oder jemals auf einem Schulpferd saß, erarbeite mir alles lesen und/oder ausprobieren, bei manchen Sachen frage ich meinen Mann oder Schwiegervater.

Was sich gut anfühlt behalte ich bei, sonst probiere ich weiter.

Beim Führen zB teste ich auch gerade verschiedene Führpositionen aus und verschiedene Abstände.
Heute auf dem Spaziergang bin ich so ein Stückchen auf Höhe der Kruppe gelaufen, sowohl links als auch rechts. Dirigiert habe ich das Pferdchen mit Körpersprache und dem Schultersignal mit Gerte. Hat gut geklappt :-d
Wenn dann zB ein Auto kommt, verlange ich aber wieder dass er mit seiner Schulter auf meiner Höhe bleibt.

Wir kommen so gut klar ;-)
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Riff
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Riff »

Ich habe ja schon oft geschrieben: man muß seinen Weg finden.

Das Festhalten an irgendwelchen Theorien oder Methoden von Trainern finde ich zu engstirnig. Ob beim Führen, Arbeiten am Boden, Reiten, Sitz usw.
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b.e.a.s.t
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von b.e.a.s.t »

Ich Probier auch gerne rum und führe Pferde bewusst in Situationen die man eigentlich vermeidet :-) ans Lagerfeuer, laufe gezielt hin, wenn jemand mit der Kettensäge arbeitet usw.
Unser Tagebuch

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sacramoso
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von sacramoso »

Zaubermieze hat geschrieben: Mi 15. Feb 2017, 23:12 Gehört ihr eher zu den "Hippies" oder zur "Alten Schule"?
Beides :breitgrins2:
Als Gott erfuhr daß Reiten nur für die Besten ist erschuf er noch Fußball :dance1:
Wallinka
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Wallinka »

Das fängt ja schon an bei: welches Lehrbuch ninmst du als das Richtige? Ich hab zB in der Reitschule noch gelernt, dass der Reiter beim Führen kurz vor der Schulter läuft. In anderen Büchern ist das die Position, wo der Mensch am wenigsten Einfluß hat, er soll besser kurz vor der Pferd laufen.
Ich bin inzwischen der Meinung, es kommt gar nicht so sehr auf die Position an, sondern darauf, ob Pferd und Mensch aufeinander achten und aufeinander reagieren. Ich kann mein aufmerksames Pferd prima von neben der Schulter führen und ich kann ein ausschließlich umweltorientiertes Pferd schlecht von vorne führen. Und so ist es bei vielen anderen Dingen doch auch. Ich bewege mich im Alltag viel zwischen meinen freien Pferden, wir kennen uns, ich weiß, dass meine Pferde nicht nach mir treten, insofern laufe ich bei meinen durchaus in Situationen hinein, die ich bei fremden Pferden meiden würde. Wenn ich mir nicht sicher bin, spreche ich sie an, dann weiß ich, sie wissen wo ich bin und achten auf mich. Das würde ich in einer mir unbekannten Herde nicht machen und warne auch mein Pflegemädel, das einfach so zu tun (die macht das aber auch von sich aus nicht). Ich bearbeite zB auch Hufe frei in der Herde. Weil ich es körperlich nicht anders kann, kann ich die Hufe nicht nur mit der Raspel bearbeiten, ich arbeite viel mit Zange. Das geht aber nur, wenn das Pferd den Huf frei hält und ich die Zange mit beiden Händen bedienen kann. Dabei hänge ich durchaus auch mal halb unter einem Pferdebauch. Bei meinen Pferden geht das, die neuen lernen das grade, das würde ich aber trotzdem lange nicht bei jedem Pferd probieren. Dazu muß man sich gegenseitig kennen und einschätzen können.
Oft helfen aus meiner Sicht Regeln beim kennenlernen und im ersten Umgang. Wenn die Regeln grundsätzlich klar sind, können sie viel freier interpretiert werden. Ich habe im Oktober zwei Neue in die Herde bekommen, die hatten beim Vorbesitzer gelernt, dass Menschen auf sich selber aufpassen und das man sie bedrängen und umrennen darf. Die mußten bei mir anfangs deutlich Abstand halten, wenn ich gefüttert habe. inzwischen ist mein Individualabstand deutlich geschrumpft, weil sie deutlich besser auf mich achten und mich nicht mehr bedrängen.
Ich arbeite meine Pferde gerne frei- aber immer nur auf Gelände mit Zaun. Es gibt hier im Forum Menschen, die können sich draußen frei mit dem Pferd bewegen, da stimmt die Achtsamkeit und die Kommunikation. Das kann ich nicht und traue mich auch nicht. Das finde ich aber auch nicht schlimm, es ist nicht mein Ziel.
Ich glaube, ich bin im Pferdebereich eher Hippie: ich habe 5 Pferde, keins davon reitbar und trotzdem geben sie mir so viel.
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
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Fionnlagh
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Fionnlagh »

Ich persönlich finde, dass es im Bereich der Pferde sehr oft Dogmas gibt. Das DARF auf KEINEN Fall. Das MUSS auf jeden Fall. Usw.
Ich hab so ziemlich gegen alle Dogmas verstoßen (im positiven wie im negativen Sinn ;) ), weil ich mir ein Jungpferd zugelegt hatte ohne viel Ahnung davon zu haben und vieles davon schlicht nicht wusste. Schon, dass ich mir als Ahnungslose überhaupt ein Fohlen zulege, verstößt ja an sich schon gegen ein Dogma in der Pferde-Welt :breitgrins2: .
Ich bin jetzt gar nicht so experimentierfreudig, aber ich bin allergisch gegen "Befehle". Wenn mir also wer sagt, das MUSS so oder so sein, dann kann man davon ausgehen, dass ich erst mal das Gegenteil davon mache :lol: . Wobei ich weiser geworden bin im Alter und mir jetzt manchmal etwas Zeit nehme um vorher darüber nachzudenken :kicher: .
"Ich habe es noch nie getan, darum glaube ich, dass ich es kann." Pipi Langstrumpf
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Equester
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Equester »

Ich halte mich an gar keine Regeln oder Bücher, sondern gucke, was mit meinen Fellnasen geht :nix: . Ich führe schon seit Jahren gerne am langen Strick = Pferd darf bis zum Ende vom Arbeitsseil vorgehen oder auch zurückbleiben und dann auftraben. Gleiches gilt bei der Freiarbeit, wir probieren was geht, ich nehme an, was sie mir anbieten und daraus leiten wir dann neue Übungen ab.

Allerdings kann ich mich nicht mal beim Mensch-Ärger-Dich-Nicht Spiel an Regeln halten..... (viel zu langweilig, wir haben neue erfunden :frech: )
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
Lisa-Marie

Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Lisa-Marie »

:shy:
Ich bin schon so ein Anleitungstyp....also, ich weiß gern die Hintergründe, bin aber leider reichlich unkreativ, was Änderungen betrifft. Am liebsten wären mir verschiedene Knöpfe, mit denen verschiedene Verhaltens- und Beziehungsarten auszulösen wären :tuete:
Also: tue dies 5x auf solche Weise, als Ergebnis bekommst Du ein sicheres Vertrauens-Pferd, das frei neben Dir herläuft
tue das 8x auf DIESE Weise, und Dein Pferd macht Schulterherein....
usw....

Komm mir echt blöd vor, das hier zu schreiben, weil ich die "Kreativen" auch beneide, und es hat sich schon was getan durch mein Pferd, aber ganz eigentlich bin ich eher der "Anweisungstyp" und leider dazu auch noch gänzlich ungeduldig *seufz*
:nix:
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Fionnlagh
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Re: Wie experimentierfreudig seid ihr?

Beitrag von Fionnlagh »

Lisa-Marie hat geschrieben: Komm mir echt blöd vor, das hier zu schreiben, weil ich die "Kreativen" auch beneide, und es hat sich schon was getan durch mein Pferd, aber ganz eigentlich bin ich eher der "Anweisungstyp" und leider dazu auch noch gänzlich ungeduldig *seufz*
:nix:
Also wenn es dich beruhigt: wenn es um Gymnastizierung und so geht, dann bin ich auch so. Dann brauch ich ganz genaue Anweisungen, wie was gemacht werden soll, wie es ausschauen soll und was passiert, wenn nicht die gewünschte Reaktion erfolgt.
"Ich habe es noch nie getan, darum glaube ich, dass ich es kann." Pipi Langstrumpf
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