Altes Pferd - neue Lektionen?

Moderator: A.Z.

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Cat_85
Einhorn
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Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von Cat_85 »

Hallo ihr Lieben,

Ich bin seit 9 Monaten Besitzerin einer jetzt 17Jahre alten Fjordi-Warmblut- Mix Stute. Sie ist charakterlich toll, total lieb und zuverlässig. Aber ihre Ausbildung ist sehr schlecht, sie lief mehrere Jahre im Schulbetrieb und dann zwei Jahre als Privatpferd, bevor sie zu mir kam.

Nun habe ich mit ihr gearbeitet wie mit einem Jungpferd und sie hat sehr gute Fortschritte gemacht. Zügelanlehnung und Biegung kannte sie z.B. gar nicht. Doch nun stoße ich an Grenzen, die ich von anderen Pferden so nicht kenne. Ich hab ca. 10Pferden die Grundlagen des Reitens und Longierens beigebracht, aber die waren alle unter 10Jahre und ich Frage mich ob es am Alter hängt, sicher in Verbindung mit einem ruhigen/ pflegmatischem Gemüt.

Vor allem den Traver versteht sie nicht, tut sich am Boden schon sehr schwer, im Sattel gehts gar nicht. Allerdings ist sie mit den korrekten Hilfen auch noch sehr unsicher. Die Unterschiede zwischen verwahrend, seitwärts und vorwärts treibenden Hilfen sind für sie noch schwer zu verstehen. Bin ich da vielleicht einfach zu schnell? Braucht sie mehr Zeit?

Das Zweite, was gar nicht geht und mich regelrecht sauer macht :tuete: sie hebt ihre Beine auf antippen mit der Gerte nicht an. Ich müsste wirklich damit hauen, damit irgendwas passiert. Vielleicht hat sie sich im Schulbetrieb angewöhnt so allerhand zu ignorieren? Wie kann ich ihr das beibringen da feiner zu reagieren? Oder sollte ich es lassen? Es ist sicher nicht total wichtig, aber schon praktisch wenn Pferd auf Kommando die Beine hebt.

Habt ihr schonmal ein altes Pferd Korrektur geritten oder im Alter was ganz Neues versucht? Wie sind eure Erfahrungen?
Liebe Grüße von Silvia und Lady.

:giraffe:
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Scheckenfan
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von Scheckenfan »

Wir haben den Oldie meiner Mutter mit ü20 eingefahren, erst einspännig, dann zweispännig. Vor allem im Zweispänner musste er sich deutlich umstellen, denn da müssen die Reaktionen zackig kommen und rumschlurfen im Schritt geht auch nicht. Das haben wir dann vorher im Einspännig geübt. Er ist auch eher von der phlegmatischen Sorte und anfangs brauchte es sehr sehr deutliche Peitschenhilfen um ihn flotter zu machen. Wir haben dann MEGA konsequent mit aufsteigender Hilfenreihenfolge gearbeitet, also IMMER erst Stimme, dann leicht Peitsche, dann mehr Peitsche und im zweifel so lange dran bleiben bis die gewünschte Reaktion da war. Das war anfangs nicht immer schön :nix: aber inzwischen reagiert er gut auf Stimme und mehr als mittelstarke Hilfen müssen wir eigentlich niemals mehr geben und haben ein motiviert und freudig laufendes Pferd.

Also, sie können schon noch lernen, aber manchmal muss man da echt den längeren Atem haben und auf Reaktion bestehen.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
- Mahatma Ghandi
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Scheckenfan
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von Scheckenfan »

Nachtrag: Immer vorausgesetzt das Pferd ist körperlich in der Lage die Aufgabe zu erfüllen.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
- Mahatma Ghandi
ehem User

Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von ehem User »

Also erstmal möchte ich mich dagegen verwehren, ein 17jähriges Pferd als 'alt' zu bezeichnen :pueh: :lol:


Mein erster Gedanke war, ihr wirklich mehr Zeit zu geben. Angenommen, sie wurde mit 4 angeritten, dann hat sie jetzt 13 Jahre lang andere Dinge gelernt, sich Bewegungsmuster und Reaktionen angewöhnt, die bisher sicherlich für sie auch zweckmäßig waren - 9 Monate, um das alles umzukrempeln, sind dagegen nicht so viel. Und vergleichbar ist das mit einem Jungpferd auch nur bedingt.
Auf jeden Fall würde ich sie nicht mit den anderen vergleichen, sondern maximal mit sich selber.
Dann die Anforderungen vielleicht noch weiter herunterschrauben, was die Qualität der Ausführung angeht, und/oder noch kleinschrittiger auseinanderpuzzeln.

Ist körperlich soweit alles in Ordnung? Physio/Osteo, mit AKU gekauft, ...?

Was die Reaktionsfähigkeit generell angeht, würde ich sehr kleinschrittig vorgehen:
Nachgeben am Gebiss oder Kappzaum oder Führstrick (oder welche Situationen auch immer das betrifft) bei jeder Gelegenheit 'nebenbei' mit üben, vorzugsweise erst im Stand, dann mit in die Bewegung nehmen; dabei jede noch so kleine, ansatzweise richtige Reaktion loben, kurz in Ruhe lassen / was anderes machen und dann nochmal.
Mehr Vorwärtsreaktion: Sich mit einem (!) schnelleren Schritt oder Tritt, auch wenn der nur ein kleines bisschen flotter war als die vorherigen, zufriedengeben, loben, freuen, ein paar Meter in ihrem Tempo gehen lassen, wieder neu anfragen.
Das kann ja in allen möglichen Situationen geschehen - Spaziergang, Aufwärmen vorm Reiten, Weg vom Paddock zum Platz, ...


Neben ihrem vielleicht deutlich phlegmatischeren Temperament (verglichen mit den anderen Pferden, mit denen du bisher zu tun hattest?) kommt bei ihr sicherlich noch dazu, dass alle oder viele der menschlichen (An)Forderungen negativ besetzt sind. Mein Ziel wäre ein sensibles, motiviertes Pferd, also muss ich ebenso sensibel und motiviert sein und das das Pferd auch ehrlich spüren lassen.
Ich kann mir auch vorstellen, dass Lösen und Verbesserung der Beweglichkeit für sie ein großes Thema sind. Das würde ich allem anderen Trainingsinhalten unbedingt immer wieder voranstellen.

Und wenn Travers nicht gut klappt, schauen, welche Zwischenschritte oder Vorstufen vielleicht noch separat zu verbessern sind (Durchlässigkeit, Genick (Stellung, Nachgiebigkeit), Biegung an sich, ...) und dann an denen arbeiten und Travers nur ab und an zur Kontrolle, ob die Basisarbeit in die richtige Richtung geht, abfragen.


Zum Beine heben:
Gibt sie Hufe problemlos?
Wenn ja, würde ich es darüber erarbeiten. So hatte ich bei Plüschtiger den Spanischen Gruß bekommen, der auf Touchieren überhaupt nicht reagiert hat. Ich habe dann einmal touchiert, weil das das Signal werden sollte, und dann den Huf angehoben, als wöllte ich ihn auskratzen. Hat glaube ich drei, vier Einheiten gedauert, dann hat er das Bein selbst angehoben...
Gentiana
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von Gentiana »

...mehr Zeit geben, war auch mein erster Gedanke... und wenn sie bisher nicht gut geritten wurde, find ich Travers auch ganz schön schwer... Da würd ich auf jeden Fall paar Zwischenschritte einbauen.

Das Beine-anheben-Thema hatten wir auch grad bei unserer Kalti-Stute. Da half nur so lange zu nerven bis eine Reaktion (anfangs nur Gewichtsverlagerung) kam und dann sofort loben. Mittlerweile geht´s schon ganz gut.
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sacramoso
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von sacramoso »

Ich werf jetzt einfach mal ein paar Erfahrungen mit meinen Pferden in die Runde:
Mein Opa (aktuell 24) habe ich vor 12 Jahren aus einem Schulbetrieb übernommen (keine schlechter Schulbetrieb). ABER: in einem Schulbetrieb wird das Pferde jeden Tag mit unterschiedlichen Reitern unterschiedlicher Qualität konfrontiert. Eine feste Bindung zu einer Bezugsperson aufzubauen ist da sehr schwer bis unmöglich. Als ich Tamino gekauft hatte hat es unter dem Strich über ein Jahr gedauert bis ich das Gefühl hatte er ist jetzt "angekommen" und auch danach ging es noch langsam weiter bis wir eine wirklich stabile Beziehung und Vertrauensbasis hatten.
Vergleich: mein Jungspund (aktuell 6 und seit 2 Jahren bei uns) hat das sehr schnell gerafft und uns in wenigen Wochen als Bezugsperson akzeptiert.

Reiten, Ausbildung und neue Tricks:
Der Kleine lernt wahnsinig schnell (gelegentlich auch mal das Falsche :langweilig: ). Tamino lernt auch immer noch neue Sachen aber bei ihm dauert es minimum 3 mal so lange oder länger bis er es kann (Vorteil Jungspund). Aber wenn er was gelernt hat, dann sitzt das auch und bleibt (Vorteil Opa)
Also mein Fazit:
Pferde sind bis ins hohe Alter lernfähig, egal ob das Umgang, Zirkus- oder Reitlektionen angeht) aber es dauert einfach entsprechend länger.

Nachdem was du beschreibst denke ich dein Pferd braucht einfach (viel) mehr Zeit und gerade wenn du reiterlich Dinge korrigieren möchtest die er falsch gelernt hat ist viel Geduld und kleinschrittige Arbeit erforderlich. (Immer vorausgesetzt er ist gesundheitlich in der Lage das verlangte zu leisten)
Als Gott erfuhr daß Reiten nur für die Besten ist erschuf er noch Fußball :dance1:
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november
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von november »

Pferde lernen einfach unterschiedlich. Vielleicht hat es gar nichts mit dem Alter zu tun, dass sie manche Sachen nicht versteht.

Meinen inzwischen verstorbenen Wallach konnte ich auch durch nichts dazu bringen, die Beine auf Gertentipp anzuheben. Der stand wie ein Standbild, auch wenn das Tippen sehr deutlich war.
Mit 25 jahren habe ich ihn angeclickert und habe das beine heben wieder ins Programm genommen, diesmal halt mit ganz anderem Ansatz. Und schwupp - konnte er es und führte es begeistert aus.

Die Drehung von mir weg hat er nie gelernt, ich habe keinen Weg gefunden, ihm zu vermitteln, was ich will (war in unserem Fall aber nicht schlimm, habs dann einfach sein lassen).

Er wurde 32 Jahre alt und hat bis zum Schluss immer noch neue Sachen dazu gelernt. Also am Alter liegt es eher nicht, wenn ein Pferd nicht oder nur langsam lernt.

Meine jetztige Stute ist 21 (in meinen Augen nicht alt) und war auch lange Schulpferd. Sie ist sehr, sehr meinungsstabil, wenn sie etwas nicht will oder nicht einsieht, macht sie es nicht.
Sie musste ich erst aus ihrem Schneckenhaus locken und ihr zeigen, dass Arbeit auch Spaß machen kann und vor allem, dass sie auch mal was Neues ausprobieren kann, ohne dafür gemaßregelt zu werden. Und, dass sie selber das Training beeinflussen kann und dass es sich für sie lohnt.

Ich würde an deiner Stelle, wie ja schon geschrieben wurde, extrem kleinschrittig und mit sehr viel Lob verbunden vorgehen.

Clickerst du sie? Wenn nicht, wäre das vielleicht eine schöne Sache.
Little by little, one travels far.
Love, Trust and a little Pixiedust
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wiassi
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von wiassi »

meinungsstabil, :lol2:

17 , also alt...meiner ist gefühlt gerade nicht mehr Remonte mit seinen diesen Monat 19 Jahren... :whistle:

Ich denke auch, dass sie weiter lernen können und sollen. Ich habe mit 49 auch noch Socken stricken gelernt...gut, das wird beim Pferd etwas schwierig, :mrgreen: aber pferdegerechte Lektionen bei einem gesunden Pferd sollten machbar sein. Ich schätze auch eher, dass das Schulpferdedasein sie gelehrt hat, erst mal abzuwarten, ob es wirklich not tut was Mensch will, weil Schulmensch nicht immer meint was ersie vermittelt.. Daher wäre mein Ansatz bei einem solchen Pferd vermehrt vom Boden aus Lektionen zu erarbeiten, was ja bei Schulpferden nicht so oft passiert und daher eher neue Lernwege anspricht und bahnt. Wenn dann schon nach andeutungsweise richtigem Reagieren gelobt wird, als hätte sie die Lektion neu erfunden wird das aufmerksam machen. Die Umgebung ist entsprechend zu nutzen, ihr das gewollte selbst anzubieten so leicht wie möglich zu machen. Bei Travers ist es für mich einfacher erst einmal seitwärts zu etablieren, Hinterhand und Vorhand weichen und wenden zu lassen, denn auch das bewusste Setzen von Vor- und Hinterhand ist Schulpferden meist nicht präsent. Daraus dann "nimmt die Vorhand weg, nimmt die Hinterhand weg, nimm die Vorhand weg..." kann ihr die Idee des Travers vermitteln, das "echte" Travers erfolgt dann wenn es klick gemacht hat. Bis dahin hat sie jedem Menge Möglichkeiten Erfolge zu haben und Begeisterung zu ernten, was den Willen zum Lernen neu belebt.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
Aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier.

http://www.reitschwein.de
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Svanur
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von Svanur »

Meine Erfahrung ist auch, dass Lernen nichts mit dem Alter zu tun hat ;) Bestes Beispiel ist mein 28-jähriger Isi, der immer noch ziemlich schnell lernt, auch neue und komplexere Bewegungsabläufe. Im Jänner hat er die Zweibeinwippe mit Vorder- und Hinterbeinen kennengelernt und wir haben die Arbeit am Schulhalt begonnen. Voraussetzung ist natürlich, dass das Pferd körperlich in der Lage ist, die gewünschte Lektion auszuführen.

Und mit 17 finde ich ein Pferd auch noch nicht alt :-D
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Lottehüh
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Re: Altes Pferd - neue Lektionen?

Beitrag von Lottehüh »

november hat geschrieben: So 5. Feb 2017, 20:36 meinungsstabil
:lol: :lol: :lol:

Es könnte ja auch sein, dass man ihr früher beigebracht hat, auf die Gerte eben NICHT zu reagieren. Lottchen hatte ziemlich Angst vor Gerten, also war unser Ziel, dass ich sie damit berühre und sie sich nicht bewegt.

Ich würde das auch mit der Hand anfangen (evtl. wie schon geschrieben vorher mit der Gerte antippen und dann erst Hand) und bei jeder Gewichstverlagerung loben (Clicker biete sich hier an). Ob ein Pferd mit 19 alt ist oder nicht, kommt wohl aufs Pferd an. Lotti ist sicher körperlich alt, aber im kopf - hola... - sie will noch mehr vom Leben ;-)
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
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