Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Moderator: Keshia

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Integra
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Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von Integra »

Hallo ihr Lieben,

da wir ja in Winterpause sind und demnach nicht viel Arbeiten würde ich doch gerne ab und an im Satel sitzen (natürlich nur solange Ali keine Probleme damit hat).

Auf dem Platz ist ja alles wunderbar, da hab ich auch keine Probleme und bin auch nicht unsicher oder sonst irgentwas...
Nun ist die Arbeit auf dem Platz ja eher selten Programm und da möchten der Herr Pferd und ich auch mal raus ins Gelände.

Nun zum eigentlichen "Problem"
Wenn ich mit ihm ausreite, dann komme ich meist nicht weit, Pony macht große Augen und tut so als hätte er ja so wahnsinnige Angst (vor einem Ast??? auf dem Mittelaltermarkt frisst der Gaul neben einem extrem heißen Feuerhaufen aber sitze ich im Sattel hat er ganz schrecklich große Angst vor einem nicht brennenden Holzklotz... oh wie gruselig...)
Ich glaube aber weniger, dass er Angst hat, sondernd das ich das durch meine Unsicherheit auslöse (am Boden ist ja alles gut)
Nun weiß ich nicht ganz, wie ich davon loskommen soll, es ist ja nicht so, das ich so große Angst vorm Runterfallen oder vor dem Kontrollverlust habe,
sondern viel mehr die Tatsache, was passiert mit meinem Pferd, wenn ich runter falle? oder wenn er durchgeht und vor ein Auto rennt?
Solche Dinge schießen mir dann in dem Moment in den Kopf...

LG
Integra
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-Tanja-
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Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von -Tanja- »

Ich kopier Dir mal einen Beitrag von mir aus einem anderen Forum hierher, der war von Anfang diesen Jahres.
Ich hab einen Hafi. Einen typischen Hafi. Zwischenzeitlich 18 Jahre alt, rotzfrech, sehr neugierig (zu einem gerade im Aufblasen befindlichen Heißluftballon will er hin, weil das so interessant ist -> kein Witz!), sehr ökologisch veranlagt, ein Gewerkschafter. Er geht mit Dir nur bis dahin, wo er es für gut befindet. Will man über dieses Pensum hinaus, wird er - trotzdem er wesentlich mehr geistig bzw. körperlich leisten könnte - motzig und buckelt rodeomäßig. Mich hat es schon oft runtergehauen.

Jedenfalls: Sommer bis Herbst 2010 hat sich das ganze ziemlich gesteigert. Ich hole mir meinen RU ausschließlich auf Kursen. Und auf diesen Kursen wird mit Unterstützung des Trainers natürlich mehr gefordert, als ich Herrn Hafi sonst zu Hause alleine abverlange. Also hat er gerade auf Kursen immer gerne losgelegt. Das hat sich bei mir bis in's Frühjahr 2011 hinein so gesteigert, daß ich schließlich nur noch Angst hatte. Angst vor dem Runterfallen, Angst vor dieser geballten Ladung Kraft, die das Pferd mir da frech entgegenwirft, Angst vor Schmerzen, Angst vor dem Kontrollverlust, usw. Letzten Endes ging er daraufhin dann auch zweimal im Gelände böse mit mir durch, was er - eigentlich DAS Energiesparpony schlechthin - noch nie gemacht hatte.

Ich war mental so fertig, daß ich wirklich sehr ernsthaft darüber nachgedacht habe, ihn zum Schlachter zu bringen. Ich traute mich nicht mehr drauf, guten Gewissens kann man so ein Pferd ja auch nicht verkaufen. Es waren sehr, sehr schwere Tage für mich.

Dann hatte ich zufällig zwei Reitstunden. Eine bei David de Wispelaere, eine bei Talimeth *wink*. Und beide sagten mir innerhalb einer Woche das gleiche: "Tanja, was hast Du denn, der ist doch ganz ruhig und entspannt, der Schweif pendet, er ist losgelassen!!??!!" Und ich hatte immer nur das Gefühl: ich sitze auf einem Pulverfaß, das gleich explodiert. Das war mir früher schon aufgefallen: ich dachte: bitte, bitte, nicht buckeln. Pferd: buckelt.

Also habe ich angefangen, mental an mir zu arbeiten. Ich hab mir einige Bücher gekauft und viel darüber gelesen, wie ich mich innerlich umpolen könnte. Zunächst habe ich mal die negativen Wörter wie "Nein" oder "nicht" gestrichen und gedanklich nur noch positive Formulierungen benutzt, habe aufgehört "Bitte nicht buckeln!" zu denken, sondern dafür "Wir reiten vorwärts!" gedacht und mir das auch schön vorgestellt. Vor allem diese geistigen Bilder haben mir sehr weitergeholfen. Ich habe mir sehr genau vorgestellt, wie ich meinen Hafi reite und wie schön es ist und diese Bilder immer mehr sehr explizit ausgeschmückt.

Dann habe ich mir eine Strategie für meine Angstattacken zurecht gelegt. Zunächst habe ich überlegt, was wohl eine sehr entspannende Situation für mich wäre. Ich in der Hängematte am weißen Karibikstrand, blaues Meer, unter Palmen mit einem Caiphi in der Hand, Sonne, usw. Auch dieses Bild habe ich immer weiter gedanklich ausgeschmückt. Und dieses Bild habe ich immer genau dann hervorgeholt, wenn ich merkte, daß ich Angst auf dem Pferd bekomme. Dieses "Bild-herholen" hat sich sehr schnell verselbständigt: ich mußte nach einiger Zeit nicht mehr daran denken, es herzuholen, sondern es kam von alleine und hat mich sehr entspannt. DAS hat sich dann wiederum auf mein Pferd übertragen.

Schließlich habe ich anfangen, sehr genau auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn ich raus zum Stall kam und hatte nur ansatzweise das Gefühl, daß ich mich der Situation nicht stellen könnte, habe ich was anderes gemacht: Pferd geputzt, spazierengehen, Bodenarbeit, Zirkuslektionen. Irgendwas, was mir in jedem Falle ein positives Erlebnis bescherte. Sagte mein Bauch: "Ja, heute reiten wir." bin ich geritten - manchmal auch nur 10 Minuten. Allerdings habe ich auch da situativ gehandelt: ich habe einen Western- und einen Barocksattel. Im Westernsattel fühle ich mich sicherer. Im Barocksattel ist er die zweimal mit mir durchgegangen. Vielleicht liegt's daran. Ich bin auch schon aus'm Westernsattel böse von ihm abgestiegen worden. Trotzdem fühle ich mich da sicherer. Ich weiß, daß das blöd ist. Aber wenn mir das hilft, mehr Selbstvertrauen und Selbstsicherheit zu bekommen, dann nehme ich halt den Westernsattel.

So hab ich mich aus dem ganz tiefen Loch rausgeholt. Ich bin recht kleine Schritte gegangen. Und es war hart, außenrum bei den anderen immer zu sehen, welche Fortschritte sie machen und mein Zosse und ich mußten zurück, ganz zum Anfang.

Letztes Wochenende bin ich nun, nachdem ich im November 2011 einen Kurs im Westernsattel absolviert habe, einen Kurs mit Barocksattel geritten. Hafi hat auch zweimal blöd gebuckelt. Ich hatte auch ein wenig Angst, aber sie ist nicht mehr so maßlos wie zuvor, und sie war sehr schnell wieder weg.

Was der Grund bei uns war, wie ich im nachhinein festgestellt habe: ich habe zu viel von meinem Pferd verlangt und war gleichzeitig nicht bereit, auch viel zu geben. Vereinfacht gesagt: er sollte traben, ich gab die Trabhilfe und ließ ihn dann alleine, habe in diesem Moment aufgehört zu reiten. Da hat er sich gesagt: also mach' ich halt was anderes. Seitdem ich nun so viel mental an mir gearbeitet habe und mehr "reite" und zwar jede Sekunde, die ich im Sattel sitze, klappt vieles besser. Wir haben in den letzten Wochen Fortschritte gemacht und sind nun wesentlich weiter als vor dem tiefen Loch.
Sorry, ist lang.

Allerdings kann ich nach einem weiteren halben Jahr berichten: Amor und ich sind noch mehr zusammen gewachsen. Seit einigen Monaten gabs keinen einzigen Buckler mehr, ich kann total entspannt reiten, auch auf Kursen, er ist sowas von motiviert und zugänglich, ist total bemüht. Ich hätte nie gedacht, daß wir mal dahin kommen. *Herzchenaugenhab*

Durch solches Mentaltraining kann Mensch wirklich viel erreichen. Ist aber eben Arbeit an sich selbst.
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wiassi
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Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von wiassi »

Tanja, das ist ein sehr schöner Beitrag, volle Zustimmung! Ich verfalle auch immer mal in die "Angstlöcher". ausgelöst wurden sie durch eine RB, der neben panischer Treckerangst auch so immer mal beratungsresistent losgeprescht ist. Kommentar der Besitzern hinterher: Da fetzen wir immer...wenn dann aber die Bundestrasse im Feierabendverkehr sich so unfreundlich schnell nähert....*gulp* :shock:

Das war wie gesagt eine RB, da war mein Araber noch zu jung zum Reiten und jetzt ist er bald 15. Trotzdem kommt das Gefühl immer mal wieder hoch. Er ist noch nie mit mir durchgegangen, hat mich nie abgebuckelt -gefallen bin ich schon, aber nur bei "huchweg"-Hüpfern, wenn plötzlich das Pferd unter mir fehlte. :lol: War selten genug. Ich bin schon mit ihm am Halsring durch den Forst galoppiert, habe ihn selbst ausgebildet, kenne ihn in- und auswendig. Trotzdem -plözlich und unerwartet, wenn ich nicht damit rechne ist der Genuß weg und das Angstgefühl da.

Mir helfen jedenfalls auch diese inneren Bilder ( siehe auch SallySwift) und auch die Wortwahl mir selbst gegenüber. Ich habe von Anfang an im Gelände absichtlich verdrängt" jetzt nur nicht scheuen" und statt dessen Shaman ermahnt "keine Späße bitte!". Ich habe ihn als erstes beigebracht immer und überall anzuhalten, damit ich absteigen kann und wenn ich mir unsicher bin mache ich das. Ich bin immer viel alleine ausgeritten und wenn was erschöckliches uns zu schaffen machte, habe ich abgesessen und das mit ihm zu Fuß erkundet und danach auch im Sattel. Die Zeit nehme ich mir!

Parallel dazu hilft es, wenn ich dieses Situation übe, also auf dem Platz Trail- und GHP-Übungen und selbstausgedachte Übungen am Boden mache und auch reite. Uns hat auch unserer natural horsemanship viel weiter gebracht. Seid dem reite ich im Gelände fast nur noch gebißlos. Ich habe dadurch gelernt, mit meiner Energie zu spielen und wieder "runter zu kochen", wenn ich mich mal anspanne. Und genauso mein Pferd wieder zu entspannen, wenn er mal emotional wird.
Einem Tier zu helfen, verändert nicht die ganze Welt.
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-Tanja-
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Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von -Tanja- »

wiassi hat geschrieben:und auch die Wortwahl mir selbst gegenüber.
Sehr richtig und wichtig. Ist mir gestern Abend bei mir auch wieder aufgefallen. :lol: Kurti sollte eigentlich zur Seite treten, hat das aber nicht gemacht. Ich sagte dann: "Nicht stehenbleiben!" - Was beim Pferd und auch im eigenen Unterbewußtsein ankommt ist: "Stehenbleiben!", weil es bei Pferd und Unterbewußtsein so etwas wie "nicht" nicht gibt.

In solchen Situationen sollte man sich immer vorstellen, wie es aussehen soll und das dann auch so benennen.
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Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von Mick77 »

Sehr interessanter Bericht von allen!
Bei uns gehts auch stehts rauf und runter. Da bin ich auch dankbar für Anregungen!
(Mein TB ist gern offen, mag nicht alles nochmal hochkramen was die letzten Wochen war, aber Ausreiten bleibt spannend, wenn kein anderes Pferd dabei ist. :? )
Ich muss mich glaub ich mal mit der Frau Swift beschäftigen :D
Heute beginnt der Rest deines Lebens,jetzt oder nie, und nicht irgendwann, schau auf dein Ziel, kein Traum ist vergebens, JETZT fängt die Zukunft an!
U.J.
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ehem User

Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von ehem User »

@Tanja
Könntest du einige Bücher empfehlen?
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-Tanja-
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Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von -Tanja- »

Das eine war von Kosmos: "Positiv denken - erfolgreich reiten" von Jane Savoie. Das kann ich absolut empfehlen - sehr gut!

Das andere hieß "Mentaltrianing für Reiter" von Antje Heimsoeth.
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Re: Angst/ Unsicherheit beim Ausreiten

Beitrag von noriker »

Das Jane Savoi Buch habe ich auch und finde es klasse.
Für mich ist es immer am besten, Situationen die Angst machen immer und immer wieder zu üben. An manchen Tagen, wenn das Gefühl schon gar nicht gut ist, vielleicht ein Alternativprogramm (Zum Beispiel mit gesatteltem Pferd spazieren). Ansonsten hilft es mir, wenn die Situation Alltag wird. Und wenn ich auf einem Ausritt zehnmal auf und absteigen musste, egal. Bei meinem ersten Pferd kriegte ich Angst, weil er einige Zeit richtig fies durchgebrannt ist (bergab auf Asphalt, auf Hauptstrasse zu, durch den Wald usw.) Da bin ich runter, wenn ich ICH ein blödes Gefühl hatte, Pferd war dann meist entspannt. Beim jetztigen Youngster ist es so, dass ER unsicher wird, obwohl er das Gelände aus dem FF kennt, vor dem Wagen einspännig geht, an der Hand nie nur ein Hauch eines Problemes. Aber unter dem Sattel kriegt er kaum noch Luft vor lauter Unsicherheit (auf dem Platz nicht). Also muss es für ihn Routine werden, draussen geritten zu werden.
P.s. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass herrenlose Pferde die durchs Gelände preschen, meistens sehr gesund wieder im heimatlichen Stall ankommen.
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