Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Moderator: Sheitana

bubi9191
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von bubi9191 »

Ich bin in dem Punkt "Jungpferdearbeit" sehr konservativ, das mal vorweg.

Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass einem Pferd in einer Herde gleichaltriger, wo es genug zu fressen und zu tun gibt auf den Weiden, langweilig ist.
Falls doch mal n Ball reinwerfen, Knabberäste, oder oder oder.

Ich persönlich hätte einfach Angst, dass ich mir ein "Hyperaktives" Pferd heranziehe wenn ich es immer mitnehme.
Das wird zur Gewohnheit und irgendwann schreit es doch um Aufmerksamkeit und eine Beschäftigung.
Das wäre mir persönlich zu lästig und zu riskant so ein Pferd zu haben.

Alle Pferde die ich in diesem Alter kenne sind in großen Herden auf der Sommerweide aufgewachsen.
Halftern, kleine Strecken führen, kuscheln, Hufe geben.
Das ist das "Fohlen-ABC" und alles, was ein Pferd in diesem Alter können muss.

Es wurde mal ein Versuch mit Freispringen durchgeführt.
Eine Versuchsgruppe auf der Weide ohne Menschenkontakt aufgewachsen, die andere 1x pro Woche zum Freispringen und sonst auch auf der Weide. Die "Freispring"-Gruppe war unterm Sattel dann anfangs deutlich besser und sprang viel besser.
Nach 9 Monaten waren alle Pferde aber wieder auf dem Gleichen Stand.

Fazit: Die Lernfähigkeit beeinträchtigt es nicht.
Lasst eure Pferde Pferd sein und domestiziert sie bitte nicht immer mehr.

Das ist aber nur meine ganz persönliche Meinung.
Pferde sollten so geritten werden, wie ein Surfer eine Welle reitet.
Der Surfer zwingt die Welle nicht, er will sie nicht verändern.
Er lernt einfach, wie er sie reiten kann.

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Lottehüh
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von Lottehüh »

Also ich hab jetzt keine Jungpferdeerfahrung (zumindest nicht so jung), und unabhängig davon, ob man nun mit einem Jährling (der halt wirklich noch ein Baby ist) was tun sollte oder nicht, finde ich die Einstellung, einem Pferd als Fohlen was beizubringen, weil es einem später körperlich überlegen sein wird, mehr als bedenklich.

Ich habe ein 900kg Kaltblut 10-jährig gekauft, sie wurde vorher nie geritten. Man stelle sich nur mal vor, man möchte so einem Pferd über körperliche Überlegenheit was beibringen. Das geht nicht. Und das SOLLTE mit KEINEM Pferd gemacht werden, auch wenn es weniger massig ist und man es noch kurz wohin zerren oder den Huf doch noch festhalten kann. Das führt entweder dazu, dass das Pferd ein Rambo wird, weil es lernt, sich zu wehren (falls Dein Versuch der körperlichen Überlegenheit scheitert), oder dazu, dass es in die erlernte Hilflosigkeit kommt, weil es lernt, dass Schmerz / Unmut / Überforderung zu zeigen nix bringt. Es gibt immer andere – und in diesem Zusammenhang IMMER BESSERE Möglichkeiten. Wenn ich über körperliche Überlegenheit arbeiten muss, ist das Training schlicht falsch und unangemessen. Denn dann ist der Überforderungspunkt schon längst überschritten.
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
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Keshia
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von Keshia »

Genau darauf wollte ich auch gerne nochmal eingehen.
Mit einem Beispiel aus meinem jetzigen Stall. M.s Appi-Stute ( ;-) ) Queenie ließ sich nicht alleine ohne andere Pferde dabei über die Bahngleise oder an der Hengstkoppel vorbei führen. M. fragte mich, was sie da tun könne. Ich riet ihr, immer nur ganz minikleine Schritte zu machen. Erstmal nur bis zum Parkplatz. Nur so weit wie Queenie ruhig bleibt. Möhre, danke, heim. Dann bis zur Straße. Möhre, danke, heim. Dann bis zum Anfang der Hengstkoppel. Immer darauf achten, ob Zeichen von Unruhe zu sehen sind und möglichst vorher schon umkehren.

Nach ca. einer Woche, in der M. täglich geübt hat, ist Queenie ohne Mucken über die Bahngleise an der Hengstkoppel vorbei gegangen. Es gab null Anlaß für Panik oder losreißen. Queenie wiegt ca. 550 kg, würd ich sagen. Sie ist 7 Jahre alt.

Ein Pferd hat meiner Meinung nach grundsätzlich überhaupt keine Veranlassung, sich gegen den Menschen zu wehren, daher ist die Sorge, daß es irgendwas lernen muß, bevor es körperlich überlegen ist, in meinen Augen sinnlos.
Wenn ein Fohlen versucht sich loszureißen und das nicht schafft, dann lernt es, daß es in einer Situation, in der es Angst hat, kein Entkommen gibt. Wenn es das doch schafft, lernt es, daß es sich losreißen kann. Das Vertrauen darein, daß der Mensch schon weiß, was er tut, wird dadurch nicht gestärkt. Die Methode funktioniert - aber wie Lottehüh schon sagt, man bricht das Pferd. :nix:
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kolyma
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von kolyma »

Ich glaube selbst ein Fohlen mit einem Jahr kann man nicht besser händeln, als ein 500 Kilo Pferd. Letzten Sonntag durfte ich beobachten wie sich bei nem Sternritt ein Fallabella-Hengst von seinem Herrchen losgerissen hat. Die Kraft ist da.
Aber mal eine völlig andere Frage: Warum sollen die Jährlinge jetzt schon so viel lernen (clickern, Konfrontation mit Gruseldingen, Handpferdritte...) - warum muss das schon mit einem Jahr sein und nicht später? Die Pferdchen verpassen doch nix....
Zu uns kam vor einem Jahr ein Jungpferd von einer Aufzuchtkoppel - dreijährig und so gut wie von Menschen unberührt (bis aufs Fohlen-ABC...) - und? Der ist genau so gelassen, genau so lernbegeistert, genau so beim Schmied, TA usw. wie alle anderen Pferde auch. Der ist völlig klar im Kopf und das obwohl er vor seinem dritten Lebensjahr so gut wie gar nix kannte.

Ich sehe jetzt eigentlich nicht, woran der Vorteil liegt, Jährlinge überhaupt zu bespaßen. Wie gesagt, das mit der Überlegenheit durch Kraft lasse ich nicht gelten, weil, wenn die sich mal echt ins Zeug legen, hat der Mensch eh keine Chance mehr. Und das Risiko, dass sie das heraus finden, wäre mir auch zu hoch.

Ein Pferd wird im Durchschnitt über 20 Jahre alt. Da kommt es doch wirklich nicht darauf, ihnen 2 bis 3 Jahre ihre Babyzeit zu gönnen - ohne, dass für sie schon der "Ernst des Lebens" beginnt.
Bild Geduld ist die hohe Kunst sehr langsam wütend zu werden...:ohm2: :sofort:


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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von jaz »

Panti hat mich insbesondere eines gelehrt: Man kann alles zum Spiel machen.
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von Berry »

Das sind dann aber alles keine "pferdegerechten" Spiele... Ein (Jung-)Pferd braucht nur andere Pferde und keine Menschen als Spielkameraden. Es reicht, wenn es dann später mal spielerisch mitarbeiten muss, finde ich.
Ursprünglich eigenen Sinn lass dir nicht rauben! Woran die Menge glaubt, ist leicht zu glauben.
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von Sheitana »

kolyma hat geschrieben:Ich glaube selbst ein Fohlen mit einem Jahr kann man nicht besser händeln, als ein 500 Kilo Pferd.
Kann ich bestätigen. Wenn unsere Fohlen jetzt beim Führen lernen wirklich und ernsthaft versuchen würden sich zu wehren hätte ich null Chance.
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von b.e.a.s.t »

So habe ich das getrennte laufen mit den beiden auch begonnen, mit wenigen Schritten und mit Karottenstückchen, wir haben uns langsam vor getastet, inzwischen klappt es auch gut und es ist ja nicht so, das ich ein bockendes, steigendes Fohlen hinter mir durch das Dorf zerre.

Ich denke ich kekse viel, aber nicht nur, bei mir haben die Pferde Mitspracherecht, aber nicht das letzte Wort.
Die endgültige Instanz bin nunmal ich und so bin ich bisher gut gefahren mit all meinen Tieren.

Ich nehme Rücksicht auf die Befindlichkeiten meiner Tiere, reite nicht immer, sondern longiere auch mal, wenn ich merke es passt heute was nicht, hab ich mich aber verabredet zu einem Ausritt, dann cancel ich das nicht, nur weil mein Pferd heute nicht freudig ans Tor gerannt kommt, wenn ich mit dem Sattel da stehe.

Fakt ist, ob Jungpferd oder Altpferd, man muss klar und berechenbar sein und immer fair. Ich glaube nicht das ich bei Ituma jetzt der Honk bin, der ihre Sprache und Ängste nicht versteht, vielleicht bin ich einfach verlässlich, weil ich sie unbeschadet auch durch unangenehme Situationen führen kann und heil wieder zurück bringe.

Da ich keine Gedanken lesen kann, werde ich es nie 100% tig wissen, aber ich bin mir sicher meine Pferde vertrauen mir und können und müssen auch mit Druck umgehen können. Gerät eine Herde in Gefahr entscheidet die Leitstute und ihr muss auch ohne zögern gefolgt werden, auch über eigene Ängste hinweg.
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von Sheitana »

b.e.a.s.t hat geschrieben: Gerät eine Herde in Gefahr entscheidet die Leitstute und ihr muss auch ohne zögern gefolgt werden, auch über eigene Ängste hinweg.
Dem ist nicht so :-ü
Die Leitstute zwingt niemanden dazu ihr zu folgen. Die Pferde tun das freiwillig, weil sie sie für das erfahrenste Pferd halten, dass sie am Sichersten durch die Gefahr bringen kann. Aber nie würde die Leitstute sagen "du muss mitkommen". So funktioniert eine Herde nicht :nix:
Der Hengst hingegen scheucht die Stuten schon mal mit, denn er möchte seine Herde zusammen halten und möglichst viele Stuten bei sich halten. Allerdings kann auch er nur wenig tun, wenn eine Stute wirklich die Herde verlassen möchte, um sich einem anderen Hengst anzuschließen. Im Grunde hat auch der Hengst nicht wirklich viel zu sagen.
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b.e.a.s.t
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Re: Überfordert, unterfordert oder gelangweilt?

Beitrag von b.e.a.s.t »

Mit "zwingen" meine ich keinen körperlichen Zwang sondern den Druck der mental entsteht wenn die Herde in eine Richtung geht, die ein einzelnes Pferd gruselig findet, da folgt das einzelne Pferd auch der Leitstute oder bleibt im Zweifel zurück
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