Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

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Zaubermieze
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Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von Zaubermieze »

Kennt jemand das Buch? Die Beschreibung bei A*zon klingt interessant und es hat auch sehr viele positive Bewertungen. Die zwei 1-Stern-Bewertungen schrecken mich allerdings etwas ab ... Ist das Buch auch was für Leute, die schon etwas abseits der gängigen Dominanzpfade wandeln? ;)
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noriker
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von noriker »

Ist das der der *zweierlei Leben* geschrieben hat? Dieses Buch könnte ich dir schicken. So siehst du evtl ob dir der Stil zusagt.
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Zaubermieze
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von Zaubermieze »

Ich habe mir das Buch unterdessen gekauft, weil meine RL so von dem Herrn geschwärmt hat. Wieso, ist mir nun allerdings sehr schleierhaft.

Timo Ameruoso scheint einer dieser Trainer zu sein, die schlechtes Reiten und lieblosen Umgang mit Pferden kennengelernt haben und glauben, dies repräsentiere die „konventionelle Reitweise” per se. Dabei hat er sich, dem Buch nach zu schliessen, nicht eingehender damit befasst und hält deswegen seine Trainingsmethode für neu, einzigartig und pferdegerechter. Selten habe ich so viel Unfug gelesen. Zum Beispiel: In der konventionellen Reitweise müsse der Reiter die Absätze nach unten drücken und stattdessen solle man die Steigbügel so lang einstellen, dass man sie nur mit der Fussspitze erreichen kann; das Pferd werde "konventionell" über die Zügelhilfen gebogen und zuletzt werden dem Leser noch zwei Bilder vom galoppierenden Pferd des Autors präsentiert, die ALLE Phasen des Galopps zeigen sollen - Herr Ameruoso, wollen Sie mich veräppeln?

Es wird ständige Wortklauberei betrieben, um bekannten Dingen den Anstrich des Neuen zu geben. Schon vor Ameruoso haben Pferdemenschen die Wichtigkeit von Pausen und vom Bestimmen von Tempo und Richtung erkannt sowie Pferde an ihnen unheimliche Dinge herangeführt, indem sie sich diesen wiederholt angenähert und sich jeweils wieder davon entfernt haben, bevor das Pferd diese Entscheidung traf. Neu heissen diese Vorgehensweisen bei Ameruoso aber nun „autodynamisches Reflexionsprinzip” und „reduktive Konvergenz”.
Dabei werden im Buch oft Fachbegriffe mit völlig anderer Bedeutung verwendet, was sehr verwirrend ist. So behauptet der Autor beispielsweise, Pferde könnten nicht über Belohnung und Strafe lernen, sondern nur über "positive Verstärkung". Nun ist „positive Verstärkung” aber ein Fachbegriff aus der Lerntheorie und bedeutet eben genau, dass ein erwünschtes Verhalten belohnt wird, indem der Lernende (das Pferd) etwas Angenehmes erhält, was es zuvor nicht hatte. Ameruoso meint mit positiver Verstärkung aber die schrittweise Intensivierung von Hilfen, bis das Pferd reagiert - was gemeinhin als „negative Verstärkung” bezeichnet wird (ein Reiz fällt weg, wenn das gewünschte Verhalten gezeigt wird), aber in der Form nichts Neues ist. Wie der Autor dann auf die Aussage kommt, seine Methode funktioniere ohne Konditionierung, ist mir ebenfalls schleierhaft. Denn einem Pferd ein Signal für ein bestimmtes Verhalten beizubringen ist Konditionierung und nichts anderes beschreibt der Autor. Nur hält er es scheinbar für einen Beweis, dass das Pferd ihn als Ranghöheren anerkennt.

So schwächelt das Buch an vielen Stellen in der Theorie. Es wird behauptet, er beziehe sich im Unterschied zu anderen Methoden auf die Gehirnmechanismen des Pferdes, aber immer wieder wird eine Aussage zitiert, die sich auf die Funktion des menschlichen Gehirns bezieht, und viel mehr Theorie zu den Hirnmechanismen des Pferdes präsentiert er nicht. An anderer Stelle heisst es, er fordere vom Pferd keinen klassischen Mitteltrab und versammelten Trab, dafür einen „sehr kraftvollen” bis „sehr gesetzten” Trab. Wo der Unterschied zur klassischen Ausführung liegen soll, erschliesst sich dem Leser aber nicht.

Weiter ist der Autor inkonsistent in seiner Argumentation. An einer Stelle gilt es z.B. als Beweis für die Sanftheit seiner Methode, dass er zwei Jahre brauchte, um seinem Pferd das Hinlegen beizubringen. Umgekehrt ist es ein Beweis für die Richtigkeit seiner Methode, dass er einem Pferd innerhalb von weniger als einer Minute das Seitwärtsgehen auf Kommando beibringen kann und alle, die dafür länger brauchen, machen etwas falsch.

Nur ein Tropfen auf den heissen Stein sind dann noch die Verweise auf erklärende Videos in seinem Youtube-Kanal, die es dort gar nicht gibt.

Ich habe erwartet, dass mir ein Pferdetrainer im Rollstuhl wirklich etwas Neues über den Umgang mit Pferden erzählen kann. Meine Erkenntnis nach dem Lesen des Buches ist aber, dass er auch nur mit Wasser kocht und seine Kritik an anderen Methoden weitgehend Quark mit Sosse ist, weil sie auf Unkenntnis beruht. Um es mit dem von ihm vielzitierten „Fokus” zu sagen: Hätte er sich beim Schreiben des Buches mehr darauf fokussiert, was seine Beziehung zu Pferden ausmacht und wie er die notwendige innere Stärke entwickelt hat, statt auf die anderen zu schauen und zu versuchen seine Herangehensweise mit schleierhaften Theorien zu untermauern und ihre Exklusivität herauszustreichen, hätte vielleicht etwas daraus werden können. Aber so ist an diesem Buch gar nichts Neues.

P.S.: Ich frage mich, ob es nur Zufall ist, dass der Grossteil der (wenig ausführlichen) 5-Sterne-Bewertungen auf A*zon alle um das gleiche Datum herum geschrieben wurden und von Benutzern stammen, die nur diese eine Rezension geschrieben haben ...
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von Equester »

Zaubermieze hat geschrieben: Sa 16. Jun 2018, 14:03 Ich habe mir das Buch unterdessen gekauft, weil meine RL so von dem Herrn geschwärmt hat. Wieso, ist mir nun allerdings sehr schleierhaft.

Was gefällt Deiner RL denn so sehr an dem Herrn? Wenn ich Deine Bewertung lese, möchte ich meinen viel Gerede, nix Gescheites :nix:
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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Zaubermieze
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von Zaubermieze »

Ehrlich gesagt habe ich in seinen beiden Büchern nichts von dem wiedergefunden, was mir meine RL in der letzten Stunde angeblich von ihm inspiriert erklärt hat. Das Ganze ist mir ein Rätsel. :nix:

Die Methode mag funktionieren, scheint eine Mischung aus Join Up und Horsemanship zu sein. Aber sie ist meiner Meinung nach nicht das, als was sie im Buch beschrieben ist.
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von renner »

Ich hab mir auch ein Buch von diesem Herrn ausgeliehen, weil er mir begeistert empfohlen wurde. MMMMh es ist ein Buch über sich selbst, wie er im Rollstuhl landet und durch die Höhen und Tiefen dabei geht und vom schlechten (Pferde)Menschen zum lieben und guten (Pferde)Mensch wird. Ich finde das Buch recht oberflächlich und bis jetzt habe ich noch keine (neuen) Erkenntnisse für mich herausziehen können :nix:
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von Zaubermieze »

Ja, das ist das andere Buch. Das kann man immerhin noch als Geschichte lesen, aber mehr ist es auch nicht.
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Re: Timo Ameruoso: Seitenblicke: Auf dem Weg zur ultimativen Beziehung zwischen Pferd und Mensch

Beitrag von Riff »

Du hast so recht!!! Ich habe Interviews mit ihm gesehen und kann deine Rezession unterschreiben.

Gerade, was das konventionelle Reiten angeht- echt schon frech, wie er das darstellt.

Und seine Arbeit... neu erfunden hat er nichts.
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