Alternativen zum Clickern mit Futter?

Moderator: Keshia

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kolyma
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von kolyma »

Stress kann sich auch übers betteln kanalisieren. Ich kenn nen Hafi der sehr rangniedrig ist und oft von anderen Pferden drangsaliert wird. So lange er unter so einem enormen Druck stand konnte er nicht über Futterlob gelobt werden, da er da fast ausgetickt ist.
War das andere Pferd weg und sein Stresspegel niedriger wars dann plötzlich kein Problem mehr mit Futterlob.
Bild Geduld ist die hohe Kunst sehr langsam wütend zu werden...:ohm2: :sofort:


"Besser wenig und das Wenige gut."Egon v. Neindorff

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Lottehüh
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Lottehüh »

Ich glaube, dass es oft daran liegt, dass sich irgendwo ein Fehler in der Clickertechnik des Menschen eingeschlichen hat.

Zum Beispiel, dass das Pferd nicht gelernt hat, Dinge nur dann zu tun, wenn es das Signal bekommt. Oder dass Ende Ende ist. Da muss doch nur ein mal das Pferd die Übung ungefragt zeigen, wo doch eigentlich schon Ende war und wir C+B es, weil es doch so toll und motiviert ist. Und schon clickert das Pferd uns ;-) und wir haben's fast nicht bemerkt...

Nicht immer natürlich, aber ich denke oft, ist es ein Konsequenzproblem, das vom Menschen verursacht ist. Schließe mich selbst natürlich ein :whistle:
Das Leben schenkt Dir ein Pferd - reiten musst Du schon selber.
:schritt:
ehem User

Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von ehem User »

Es ist doch an sich normal, dass die Aussicht auf etwas Erfreuliches und Begehrtes einen gewissen Stress verursacht. Keinen negativen Stress, aber doch eine Form von Stress, eine freudige Anspannung, die Unruhe verursacht. Es hängt sehr vom Trainer ab, aber auch sehr vom Charakter des Pferdes, welche Ausmaße das annimmt.

Eigentlich stehen die meisten Clickerpferde unter dieser freudigen Anspannung, manchmal sind die Anzeichen dafür jedoch minimal. Da muss man sehr genau hingucken, sonst kann gerne mal die Konzentration flöten gehen. Im besten Fall. Im schlimmsten Fall kann einem das ganze Pferd regelrecht um die Ohren fliegen, dann wird es unter Umständen sogar gefährlich. Das hängt auch sehr davon ab, was für ein Stresstyp es ist.

Sehr hilfreich und empfehlenswert ist es, während Clickereinheiten immer wieder Pausen zu machen, in denen das Pferd zur Ruhe kommen kann. Man kann zum Beispiel feste Zonen in der Reitbahn einrichten, Pausenzonen. Eine Ecke, oder ein mit Dualgassen gebildetets Viereck. Dort wird dann grundsätzlich nicht geclickert, sondern nur entspannt, zum Beispiel durch Krauleinheiten.

In jedem Fall ist es aus meiner Sicht immer die "Schuld" des Trainers, wenn das Pferd so aufdreht. Dann hat er nicht genau genug beobachtet, die Anspannung nicht schnell genug erkannt und nicht zum richtigen Zeitpunkt die Bremse gezogen. Allerdings muss man eben auch sagen, dass bei manchen Pferden je nach Situation schon eine Minute Clickern reichen und eine Pause notwendig machen kann. Das ist höchst individuell.

Meine Erfahrung. ;)
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Scheckenfan
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Scheckenfan »

:-n Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Pferde lange, intensive Clickersessions mit hoher Clickerrate und großer Konzentration nicht gut vertragen. Denke, für solche Kandidaten ist Clickern im allgemeinen Umgang (nahtlos eingefügt in den Alltag) besser geeignet, und dann langsam intensiver werdend. :-n
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
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Keshia
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Keshia »

Das Brainstorming ist interessant. :-n Das könnten alles mögliche Ursachen sein.

Mir fällt noch eine ein, die vielleicht auch erklärt, warum das Pferd "ruhiger" mitmacht, wenn es kein Futterlob bekommt, bzw. nicht geclickert wird.
Oft passiert es, daß ein Pferd, das wirklich gerne das Futterlob haben möchte, seine Aufmerksamkeit sehr stark auf den Menschen richtet, denn der ist ja derjenige, der clickt und lobt. Bei vielen Übungen ist es aber viel hilfreicher, wenn das Pferd seine Aufmerksamkeit auf sich selbst und seine eigenen Bewegungen richtet und den Menschen eher als Hilfen-Geber am Rand sieht.
Ich kann mir vorstellen, daß in so einem Fall Hektik im Pferd entsteht, denn es möchte den Click, muß dafür bestimmte Bewegungen ausführen, kann sich aber nicht ganz auf sich konzentrieren.

Wenn es stattdessen durch Kraulen belohnt wird, evtl. auch noch durch zusätzliches Streicheln an dem Körperteil, auf das es seine Aufmerksamkeit richten soll, dann fällt es denke ich leichter, sich selbst zu koordinieren und auch aus der Übung an sich schon die Belohnung zu ziehen, weil sie das Gefühl, das Selbst-Gefühl des Pferdes verändert. Ist ein bißchen wie bei intrinsischer und extrinsischer Motivation.
Wenn das Pferd so motiviert und aufmerksam mitmacht und es auch ohne Clickern/Futterlob versteht, was gefragt ist, sehe ich eigentlich auch keine Notwendigkeit fürs Clickern. Man kann sich ja trotzdem zu gegebenem Zeitpunkt mit einer Extra-Aufmerksamkeit wie einer Möhre für die Mitarbeit bedanken.
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Schattenstern
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Schattenstern »

Sehr interessante Gedanken hier. Ich habe ja auch so ein Aufdreh-Pferd. Wenn ich einzelne Clicks im Umgang einbaue geht das noch ganz gut. Wenn ich aber irgendetwas mit ihm übe und er darf etwas zeigen wird er sehr schnell hektisch, schachtet aus und wird hapsig. Wenn Futter mit im Spiel ist nochmal deutlich schlimmer. Ich versuche das zu umgehen, indem ich nur selten an solchen Sachen clickere und dann nach ein, zwei Click schon wieder etwas anderes, unaufregendes mache.
Was auch hilft ist ein Beißspielzeug (aus dem Hundebedarf), dann kann er seine Energie in bessere Bahnen lenken. Das darf er dann ins Maul nehmen, wenn er es mal geschafft hat kurz stehen zu bleiben. Trotzdem wird das relativ hoch bestärkt.
An manchen Tagen bringt das viel Ruhe ins Training, an anderen tagen hat das gar keinen Effekt.
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Scheckenfan
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Scheckenfan »

Was passiert wenn du etwas an sich ruhiges clickerst wie z.B. Höflichkeit? :blink:
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in dieser Welt.
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Heupferdchen
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Heupferdchen »

Keshia hat geschrieben:Bei vielen Übungen ist es aber viel hilfreicher, wenn das Pferd seine Aufmerksamkeit auf sich selbst und seine eigenen Bewegungen richtet und den Menschen eher als Hilfen-Geber am Rand sieht.
:clap:
Wenn man an der Veränderung von Bewegungsmustern arbeitet, kommt man mit Clickern ganz schnell an Grenzen. Inzwischen kann ich auch nicht mehr sagen, ob eine 'neue' Bewegungsqualität jetzt gut oder schlecht oder sonstwas ist. Das ist ein ständiges Ausprobieren - was soll ich da clickern und als 'gut' oder 'nicht gut' bewerten?

M. D. hat das gut formuliert, nachzulesen hier:

http://die-pferde-sind-nicht-das-proble ... icker.html

Ich empfinde dieses 'Verkopfte' und 'raus aus dem gemeinsamen Bewegungserleben' durch den Clicker ganz ähnlich. Obwohl ich durchaus finde, dass der Clicker für Zirkus, für Medical Training u.ä. ein geniales Werkzeug ist.

Pony und ich sind inzwischen wieder bei der klassischen Konditionierung angelangt. Wir machen immer wieder Keks- und Kraulpausen, aber während wir gemeinsam in Bewegung sind, clickere ich nicht.

Inzwischen mache ich alles falsch, was man so falsch machen kann:
Ganz klassisch 'locke' ich mein Pferd mit Futter 'na komm, gehen wir da lang'. Im Umgang schiebe mal ein Leckerli rein, mal nicht. Das alles ist irgendwie überhaupt kein Problem :nix: . Wenns Keks gibt, gut. Wenn nicht, auch gut.
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Muriel
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Muriel »

Ja, es ist wirklich schade dass jemand wie M. D., die sich mit Clickertraining nicht wirklich auskennt, aber einfach mit einem völlig anderen Ansatz arbeitet, in der Art äussert, dass wieder so viele zu dem Schluß kommen, dass Clickertraining doch nur für Zirkus und Tricks taugt. :(

Ich arbeite seit vielen Jahren körper- und bewegungsbezogen über Clickertraining und habe damit gute Erfolge. Insofern kann ich diese Aussage nicht nachvollziehen.

Tatsächlich gibt es Pferde, die von Anfang an auf die Anwesenheit von Futter, gepaart mit der tatsächlichen Möglichkeit, davon viel zu bekommen, mit großer Aufgeregtheit reagieren. Das ist dann keine Frage der Signalkontrolle (für mich heißt Clickertraining auch, dass das Pferd eine Wahlmöglichkeit hat) denn sonst ersetze ich ja nur eine Form der Kontrolle (über negative Verstärkung) durch eine andere ("nur Click wenn Du auch genau das tust was ich möchte"). Da bleibt die Kreativität des Pferdes schnell auf der Strecke.
Wichtig bei solchen Pferden ist die äusserste Konsequenz des Menschen und eine gute Gestaltung der Trainingsumgebung (Arbeiten im sogenannten "geschützten Kontakt") sowie ein sauberer Trainingsaufbau, bei dem dem Pferd freundlich klargemacht wird, dass es Regeln über den Umgang und das Verhalten bei der Anwesenheit von Futter gibt und das Höflichkeit keine Lektion, sondern eine Geisteshaltung ist.

Es ist auch sinnvoll, mit solchermaßen aufgeregten Pferden nur sehr wenig anderes zu clickern bis sie in einem Zustand sind, wo das Hirn etwas anderes denken kann als "FUTTER JETZT ALLES ZU MIR SOFORT". Und in jedem Fall keine lustigen Tricks, bis die Erziehung soweit fortgeschritten ist.
.
Es kann aber auch tatsächlich eine körperliche Ursache haben, wie Birte Toewe in ihrer Doktorarbeit über Koppen beschreibt:
"Eine Ausschüttung endogener Opioide wie β-Endorphin verursacht demnach auch bei Pferden, entweder über erhöhte Basalwerte infolge von chronischem Stress oder über eine direkte Stimulation der Dopamin-Rezeptoren infolge akuter Anstiege von β-Endorphin, z.B. aufgrund von Schmerz, der Aufnahme von hochschmackhaftem Futter oder sehr anstrengendem Training (Oltras et al., 1987), eine dopaminerge Hypersensibilisierung speziell der mesoaccumbialen Region der Basalganglien. Möglicherweise kann sogar das Saugen bei der Mutterstute, bei entsprechender genetischer Prädisposition, infolge eines damit verbundenen Anstiegs endogener Opioide, das Auftreten von Stereotypien bei Saugfohlen erklären. Die Tiere werden durch die beschriebenen Vorgänge in einen ähnlichen Zustand versetzt, wie er bei Menschen durch psychostimulierende Substanzen hervorgerufen wird (Cardinal and Everitt, 2004; Everitt and Robbins, 2005), welcher dann zu einem hypermotivierten, belohnungssüchtigen Phänotyp führt. Tiere mit einer derart erhöhten mesoaccumbialen dopaminergen Aktivität befinden sich laut McBride und Hemmings (2005) in einem Zustand erhöhter Motivation, bezogen auf ein zielgerichtetes Verhalten.
S. 21, Ursachen und Funktionen von Koppen bei Pferden und Möglichkeiten und Grenzen der Prävention und Therapie, 2014
Toewe, Birte Hannelore

http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2014/10989/


Ich bin gerade dabei in der Richtung etwas weiter zu forschen und bin selbst gespannt auf weitere Erkenntnisse.

Die Balance zu finden zwischen der hohen Motivation, die ich beim CT erreichen kann, und einer kontrollierbaren, im besten Fall nur milden Euphorie in Form einer gesteigerten Aufmerksamkeit und dem unbedingten Willen, etwas "Richtig" zu machen, ist ein hohes Ziel, aber es sollte nicht davon abhalten, ganz auf CT zu verzichten. Es ist einfach grundlegend anders, ob ich mit "einer Extra-Aufmerksamkeit wie einer Möhre für die Mitarbeit bedanke" oder dem Tier durch kleinschrittiges Markertraining ein Verhalten beibringe.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain
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Heupferdchen
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Re: Alternativen zum Clickern mit Futter?

Beitrag von Heupferdchen »

Hallo muriel :winky:
Muriel hat geschrieben:... im besten Fall nur milden Euphorie in Form einer gesteigerten Aufmerksamkeit und dem unbedingten Willen, etwas "Richtig" zu machen, ist ein hohes Ziel ...
Ich bin keine Clickertrainerin, aber wir können doch festhalten, dass die Essenz des Clickertrainings darin liegt, einen kurzen Moment, der für das Menschlein positiv ist, exakt bestärken zu können. Ein Detail also. Natürlich gibt es 'Verlaufslob', aber das habe ich schon immer als Krücke empfunden.

Es ist ein Unterschied, ob ich clickern möchte 'wirf den grünen Ring über den roten Kegel', 'stell dich so zur Aufsteighilfe, dass der linke Steigbügel genau an dessen Rand anstößt' usw... , d.h., ein (egal wie komplexes) Verhalten.

Oder ob ich ein geistiges Bild transportieren möchte wie 'ordne deine Schultern in der Kurve so an, dass dein Körperschwerpunkt mittig ist' usw ... da wirds mit dem Clicker schon schwieriger. Auch mit 'kleinschrittig zerlegen' ist da nix. Denn entweder das Pferd ist in Balance oder es ist es nicht. Da funktionieren Dinge wie die eigene Körpersprache und -kontrolle oder 'das Pferd mal machen lassen' um Welten besser. Zumindest bei mir.

Wenn ich clickere, muss das Pony nicht mal denken 'FUTTERFUTTERFUTTER', damit es problematisch wird. Es reicht schon, wenn es denkt 'DETAIL'. Ich könnte z.B., um eine bessere Führung der Schulter zu bestärken, 'Schulter rein' clickern. Oder 'Schulter raus', was auch immer. Sobald mein Pony 'Körperteil' denkt, ist es aus, die Balance ist dahin. Dann fliegt alles auseinander.

'Verhalten' ist für mich ne völlig andere Schublade als 'Bewegung'. Und ich gebe MD absolut recht damit, dass zum Bewegungslernen der Clicker nicht das optimale Trainingsmittel ist. Die Clickergymnastik-Fraktion scheint ja auch v.a. recht statisch unterwegs zu sein. Gymnastik im Stand und im Schritt ist da noch drin, aber in höherem Tempo wirds schon mau. Ich suche ja schon seit einer Weile nach gut gerittenen Clickerpferden - und werde da nicht wirklich fündig.

Ich nehme gern Gegenbeispiele :bittebitte: ist ja schön, wenn mehrere Wege zum Ziel führen.
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