Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Moderator: Sheitana

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A.Z.
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von A.Z. »

Ariane Telgen veröffentlicht sehr umfangreiche Fallbeispiele. Da könntest du dir gut ein Bild machen, ob das zu euch passen würde.
Claudia Benedela wäre da auch zu finden.
Viele Grüße Angela

Oh Großer Geist, hilf mir, nie über einen anderen Menschen zu urteilen, bevor ich nicht zwei Wochen lang in seinen Mokassins gelaufen bin. (Lachender Fuchs, Sioux-Häuptling)

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Belgano
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Belgano »

Kirsten Jung finde ich in dem Zusammenhang auch noch interessant zu erwähnen. Sie bietet auch Ferntraining per Video an. Sie hat eine FB Gruppe die ich sehr informativ finde, sie veröffentlicht dort regelmäßig Bilderserien zur Blickschulung.

Osteodressage von Katharina Möller und Claudia Weingand hat bei Youtube auch interessante Videos.
Gelassenheit, Heiterkeit und viel Geduld sind die Basis jeder harmonischen, respektvollen Beziehung.(Audrey Hasta Luego)
Levi - ein kleiner Held wird groß
Beate1712

Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Beate1712 »

Avaris hat geschrieben: Do 18. Mär 2021, 19:44
Danke für den Tipp! Ich habe die Claudia schon mal kurz gegooglet, konnte aber noch nicht all zu viel über sie finden. Die Website ist ja noch nicht fertig.

Eine Rückfrage zu deiner Vermutung - bei dir klingt das für mich als Laie jetzt so, als würde das Problem von vorne nach hinten wandern.
Er hatte die Probleme hinten aber zuerst, quasi schon "immer", seit ich ihn kenne und bevor ich ihn gekauft habe schon. Habe ich dich missverstanden? Das Ticken vorne kam ja erst nach dem Versuch, ihn nochmal "vernünftig" anzutrainieren 2018 dazu.

Bei den allermeisten Pferden beginnt das Problem vorn. Nur zeigen sie das nicht so deutlich, bzw. braucht man ein sehr gutes Auge und viel Erfahrung, es zu erkennen. Der Rumpftrageapparat ist bei allen Pferden per se´ ja mehr belastet als die HH. Wenn man jetzt anfängt zu trainieren, zu reiten, whatever, dann neigen 8 von 10 Pferden dazu, den Rumpftrageapparat zu verspannen, weil sie die zusätzliche Belastung auf die Brustwirbelsäule kompensieren wollen. Schleichend verspannen sich Serratus ventralis, Pectoralismuskulatur und andere Anteile.

Alles zusammen behindert das Vor- und Rückführen der Schulter. Man sieht das nicht sehr deutlich anfangs und braucht auch viel Gefühl und Erfahrung mit verschiedenen Pferden, um das zu erkennen. Beim eigenen Pferd nimmt man ja viele Gangbilder als gegeben an. Vor Allem, wenn man sie nicht von klein auf hat und schon so bekommt.
Deutlicher wirds dann schon, wenn man das beobachtet, was du weiter unten als Hasengalopp bezeichnest.
Auch diese von vielen als "Galopprolle" bezeichnete Manier beim Antraben ( also zuerst einen Galoppsprung zu zeigen) gehört zu den klassischen Symptomen. Die Pferde werden wahlweise zäh oder laufen ihrem zu weit vorn liegenden Schwerpunkt hinterher.
Bei den Zähen versuchen dann die meisten über "vorwärts,vorwärts,vorwärts!!!" was zu lösen. Allerdings muss das sehr vorsichtig angewendet werden, denn wenn man zuviel treibt, werden sie weiterhin spannen und sich dann nach vorwärts- unten noch mehr auf die Vorhand schieben. In extremen Fällen hat man dann ein richtig nach vorn abfallendes Seitenbild. Wenn ich sowas sehe kann ich förmlich die stöhnenden Hufgelenke hören! :-(
Viel zu viele Leute fixieren sich auf ein "aktives Hinterbein" und vergessen, dass der Bums von hinten vorn alles schlimmer macht, wenns da nichts durch kann. Nach kurzer Zeit stellen die Pferde dann nach dem Rumpfträgern den gesamten Rücken fest, damit das Gedrängel von hinten nicht durch kann zu den schmerzenden Strukturen. Oder sie stellen den Bums ein, indem sie die Hinterbeine versteifen, statt zu schwingen,sie pendeln statt gerade nach vorn zu setzen, etc. PP.

Die , die ihrer Balance hinterherlaufen schalten die HH einfach aus, indem sie sich nicht mit den HB nach vorn schieben, sondern mit den Vorderbeinen ziehen und die HH wie einen Anhänger hinterher laufen lassen. So kann Pferd das vom Menschen gewünschte Tempo gehen, ohne dass Energie über den Rücken nach vorn durch muss. Allerdings maximiert sich durch die Überbelastung die Verspannung derRumpfträger noch weiter und alles wird schlimmer.
Ich kann von hier aus nicht beurteilen, wie genau es bei euch ist.



Er ist auch immer "verspannt" an der rechten "Pobacke", zumindest fühlt sich der Muskelstrang dort beim Drüberstreichen härter an als links. Als mal eine Therapeutin Dry-Needling machen wollte, gingen die Nadeln rechts gar nicht richtig rein. Eine andere Therapeutin hat mir dann mal einen "Massagegriff" gezeigt. Ich bin mir nur nicht sicher, inwiefern der einen Unterschied macht.


Die verspannte hintere Kruppenmuskulatur kann man gut aufdehnen, indem man das HB vorsichtig nach vorn zieht, bzw. das Pferd dazu anregt, sich selber in die vorsichtig ziehenden Hände hinein zu dehnen. Das ist immer die bessere Variante, weil die Pferde sich dann nicht darauf konzentrieren, gegen zu spannen, weil man zu viel macht. Gut gehts, einfach einen Hufbock zu nutzen und das Hinterbein gerade nach vorn unter den Bauch drauf zu stellen, wie auch der Schmied das macht.
Schau doch einfach mal, wie es vorn rechts aussieht? Wie ist die Muskulatur vor dem Schulterblatt? Kannst du da reingreifen? Was passiert wenn du versuchst den Unterhalsmuskel am Halsansatz zu umfassen und leicht zu drücken? Wie reagiert dein Pferd, wenn du den Latissimus Dorsi, also den (seitlichen) breiten Rückenmuskel, massierst? Der befindet sich ab Mitte Schulterblatt bis etwa Mitte Sattellage.
Der beliebte Rechtsgalopp passt zu Allem, weil im Linksgalopp das rechte Hinterbein die ganze Stemmarbeit bei jedem Galoppsprung zu tätigen hätte und dies natürlich nicht kann. Im Linksgalopp muss der Brustkorb nach links rotoeren und das linke VB hat die gesamte vordere Stützbeinphase allein zu absolvieren. Da dein Pferd noch extrem rechtshändig schief ist ( " Zitat" setzt mich nach rechts) möchte es die Belastung des linken Vorderbeines und die Linksrotation vermeiden. Durch die Fehlrotation des Brustkorbes folgt das Becken, weil es gar nicht anders kann und so entstehn die Probleme der HH. Es kann natürlich auch sein, dass es umgekehrt entstanden ist. Da aber nach deiner Aussage die HH schon mehrfach behandelt wurde und sich nicht viel gändert hat, glaube ich da eher an eine verspannte, fehlrotierte Vorhand als Ursache.



Zu unseren besten Zeiten war dann nur noch rechts die Zehe abgeschliffen, aber nicht mal komplett durch die weiße Linie durch. Das war vor allem zu den Zeiten, in denen wir viel im Trab ins Gelände gegangen sind.

Das beste Rumpfträgertraining ist Dauertrab im Gelände im Reisemodus. Also locker in einem dem Pferd angenehmem Tempo. Dabei verbessert sich dann einiges.


Ich habe, angeregt durch den Tipp mit der Claudia, mal nach Alternativen in DE gesucht. Kennt einer die Trainerin namens Arian Telgen und kann vielleicht eigene Erfahrungen schildern?

Ich persönlich kenne ihn nicht, würde aber momentan in solchen Fällen immer zuerst Claudia fragen, weil sie mit ihrer Erfahrung nicht zu toppen ist. Bei YT findest du eine Menge Videos und bei FB hat sie eine eigene Gruppe.
Aus der Ferne und ins Blaue geschrieben stellt sich für mich die Situation so dar, dass bisher einfach noch nicht das passende Training gefunden wurde oder /und das Problem nicht erkannt ist. Viele Trainer verharren in ihren alten Mustern und versuchen alles nach Schema F zu lösen. Ich möchte damit keinesfalls ein Urteil über deine Trainerin und den Beritt fällen. Allerdings sehe ich auch, was hier um mich herum so alles gelehrt wird und wie die Pferde im günstigsten Fall nicht besser werden. Wenn du nicht explizit mit den entsprechenden Übungen was gegen die Schiefe und die Rumpfträgerverspannung mit Fehlrotation tust, werden auf Dauer die Hüften und Sprunggelenke durch die unphysiologische Bewegung in Mitleidenschaft gezogen. Nicht umsonst plagen sich so viele , auch schon jüngere, Pferde mit Spat herum
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Avaris
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Avaris »

Ich danke dir von Herzen für diese ausführliche, tolle und verständliche Antwort! :hug:
Das ist ungelogen in 9 Jahren die beste, verständlichste und einleuchtendste Beschreibung dessen, was wahrscheinlich los ist bei uns. Zumindest klingt es in vielen Teilen sehr nach meinem Wallach. Jetzt verstehe ich auch, warum jegliches "ernsthaftes Antrainieren" ihm so geschadet hat. Er konnte das ab 2018 wohl einfach nicht mehr weiter kompensieren...
Jetzt sehe ich endlich mal wirklich Licht, das klingt ja, als könnten wir da wirklich noch was machen!
(Unglaublich, dass in all den Jahren kein TA, Osteo, Physiotherapeut etc. pp. so eine gute Erklärung abgegeben hat. Das finde ich jetzt wirklich schade. Hätte ich das vor Jahren schon so gewusst...aber, besser spät als nie!)
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Avaris
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Avaris »

Ach so ich vergaß noch zu schreiben:
Den Rücken kann man komplett mit Druck abtasten, das scheint ihn nicht zu stören. Ich glaube nicht dass ich zu zimperlich hierbei bin, denn ein anderes Pferd am Stall ging hierbei schon mal deutlich "in die Knie".
Der Muskel vor der Schulter ist irgendwie deutlich ausgebildet. Er ist auf der einen Seite deutlicher als auf der anderen, aber ich Held habe vergessen, auf welcher. Es sieht wie ein länglicher Knubbel vor der Schulter aus. Ich hoffe man versteht was ich meine...

Was wir seit kurzem machen ist, alle paar Tage mal im Schritt über Stangen zu gehen (im Trab gefällt mir sein Gangbild dabei nicht, er hoppelt dann hinten wieder, deshalb nur Schritt erstmal) und an der Hand ein paar Trabstrecken im Gelände einzulegen. Ansonsten gehen wir spazieren. Kann ich das wohl so weitermachen, oder birgt das auch die Gefahr, ihm durch falsche Belastung zu schaden?
Beate1712

Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Beate1712 »

Ich tippe mal, das rechts deutlicher ist als links. ;-)
Spazieren ist super, Stangen bitte nur in ganz langsamem Schritt, . Mit einer einzelnen Anfangen und mitelhoch stellen. NICHT drüber schieben lassen! Kein normales Stangentraining! Er sollte die Beine deutlich winkeln und am besten jedes einzeln drüber setzen. Da du ja klickerst sollte das gut gehen. Schafft er eine Stange , indem er jedes einzelne Bein bewusst setzt und nach jedem Bein mind. 3 Sek. stehen kann, Kann eine zweite Stange dazu. Allerdings erst einmal in einem Abstand, dass das ganze Pferd zwischen die Stangen passt und die zweite Stange theoretisch wieder eine "einzelne" Stange ist. Du wirst staunen, was allein das schon an neuer Koordination bedarf.
Mehr und gezielter könnten wir die Tipps gestalten, wie wir es in der PN angedacht haben. LG Beate
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Riff
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Riff »

Oben echt gut beschrieben, Beate. Unterschreibe ich :o)
That's the way the cookie crumbles :keks:
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november
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von november »

Hier lese ich auch sehr interessiert mit, denn wir haben ganz ähnliche Probleme. Daher würde es mich sehr freuen, wenn der Austausch hier weiterginge. Die Tipps werde ich schon mal beherzigen.

Vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen, Beate.
Little by little, one travels far.
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Beate1712

Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Beate1712 »

Gerne. Die Einschätzungen und Tipps, die ich bisher gegeben habe resultieren einfach aus Erfahrung mit vielen Pferden.
Meist werde ich als Trainer immer dann geholt, wenns woanders nicht mehr weitergeht. ;-) Das hat sich hier in meiner Region so über Mundpropaganda nach und nach ergeben.
Und so hab ich mich in den letzten 5 Jahren da ziemlich in die Materie gearbeitet, viel ausprobiert, manches verworfen, mich immer wieder weiter gebildet. Und dabei kristallisieren sich eben bestimmte Dinge als immer wiederkehrend heraus.

Tiefer gehende Problematiken und spezielle Verfahrensweisen zum jeweiligen Pferd kann ich allerdings nur mit entsprechenden Videos vom jeweiligen Paar beurteilen. Denn immer spielt auch der Besitzer und dessen Position (Bodenarbeit) /Sitz eine ausschlaggebende Rolle. Man muss Augen schulen und Verständnis für Zusammenhänge wecken. Dafür biete ich dann Video- bzw. Onlineunterricht an.
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Avaris
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Re: Ideen zu Ticken und Schlurfen ohne Diagnose?

Beitrag von Avaris »

Ich wollte mal berichten, da sich hier ja noch mehr Leute mit ähnlichen Problemen gefunden haben :)

Heute habe ich mal den Tipp mit der Stange ausprobiert. Vorher hatte ich ja immer mehrere Stangen weit voneinander entfernt ausgelegt und bin einfach mit ihm drüber marschiert. Dementsprechend mussten wir etwas umdenken. Bei den Vorderbeinen hat er das recht schnell verstanden, nur ein Bein zur Zeit drüber zu setzen und dann etwas zu warten. Bei den Hinterbeinen ist es deutlich (!) schwieriger. Einen Zufallstreffer hatten wir, wo er nach dem ersten Hinterbein gewartet hat. Die restlichen Male hat er immer das zweite noch schnell mit drüber gesetzt und sogar meistens seinen Po dann noch in einem Viertelkreis zur Seite geschwenkt, sodass er mich anschaut :-e

Ich habe immer dann geclickt, wenn das entsprechende Bein über die Stange geführt wurde und den Boden berührt hat. Und dann so gefüttert, dass er in dieser Position verharrt. Das hat mit den Vorderbeinen weitaus besser geklappt, bei den Hinterbeinen muss ich mir nochmal überlegen, wie ich ihm das besser erkläre.

Ich muss zugeben, ich habe diese Übung echt unterschätzt. Eigentlich dachte ich, das machen wir mal eben locker so nebenbei :mrgreen: Von wegen...das ist doch deutlich mehr Denkarbeit als gedacht. Das Gute ist aber, wir haben ja Zeit :mrgreen: Und ich kann mich sowieso nur auf eine Sache zur Zeit konzentrieren, also üben wir da jetzt ein bisschen dran herum.

Wie oft pro Woche und wie lange pro Einheit kann man sowas wohl machen?
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