Reaktiveres Rückwärts

Moderator: Keshia

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puscheltier
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Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von puscheltier »

Hallo,

ich mache mir da schon seit einiger Zeit Gedanken drüber, aber bin noch zu keiner schlüssigen Lösung gekommen.

Mein Dicker kennt mehrere Signale für rückwärts, Hand an die Brust legen, mit der Gerte vor der Brust wedeln, und ein Zischlaut. Mit dem Zischlaut kann ich ihn auch von hinten rückwärts auf mich zu holen. Er geht auch immer rückwärts, aber sehr sehr langsam. Für mich ist das nur bedingt ein Problem, weil ich ja weiß, dass er rückwärts geht...allerdings wäre es mir für den Umgang mit anderen Leuten (Stallpersonal oder mal ne Urlaubsvertretung) lieber, wenn man ihn etwas zügiger rückwärts schicken könnte, einfach weil die Leute oft gröber werden, wenn er nicht schnell genug reagiert. Wenn ich das mitbekomme, kann ich das erklären, aber es ist trotzdem nicht unbedingt Verständnis dafür da und ich bin ja auch nicht immer dabei. Ich denke es wäre einfach leichter, wenn er zügiger weichen würde.
Aber wie? Ich will nicht grob werden oder ihm Angst machen. Klickern kennt er, aber wie beschleunige ich damit das rückwärts :kratz:
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kolyma
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Re: Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von kolyma »

Wichtig ist - damit das Rückwärts einen gymnastizierenden Effekt hat - dass das Pferd in einer Schrittfolge wie im Trab rückwärts tritt. Schleicht es - Huf für Huf - rückwärts, fällt meist der Rücken durch und es ist prinzipiell recht sinnfrei.
Natürlich ist das für den täglichen Umgang nicht wirklich so wichtig - aber es ist eine Erleichterung - wenn man es später unterm Sattel abfragt, wenn das Pferd gelernt hat, auf Kommando zügig und richtig rückwärts zu weichen.

Es gibt zig Methoden das zu üben. Die Frage ist, was euch beiden am liebsten ist. Mein Pferd weicht mit Hand an der Brust auch schön rückwärts. Wichtig ist nur, dass du genügend Energie investierst um ihn wirklich zügig zurück zu schicken. Das müssen anfangs auch nur ein, zwei korrekte Schritte sein. Aber diese nicht im Schleichmodus, sondern mit Schwung.

Gut kann man das auf Spaziergängen üben. Beispielsweise vorwärtslaufen, stehen bleiben und in der selben Energie wie man ins Vorwärts gelegt hat, rückwärts gehen - und das auch vom Pferd so fordern.
Oft manchen diese Wechsel aus vor- und zurück dem Pferd sogar richtig Spass. Man darf auch diese Energie - was das Pferd durchaus etwas übermütig machen kann - durchaus einsetzen um das Pferd etwas "kitzelig" zu machen. Je mehr Energie - desto besser. Das kann soweit gehen, dass das Pferd spielen will. Das ist gut so.

Ansonsten muss du sehr auf deine Energie und dein Wollen achten. Ich bin niemand der an die Dominanztheorie glaubt. Aber das Rückwärts ist in der Pferdesprache stark mit einer Art Kräftemessen verbunden. Der Schwächere weicht dem Stärkeren. Daher weichen Pferde sehr ungerne rückwärts. Diese Lektion - richtig ausgeführt - legt fest wer wen bewegt. Bewegt dein Pferd sich nicht gerne rückwärts von dir weg, hat das auch ein bisschen was mit Durchlässigkeit und Gehorsam zu tun.
Hat er keine gesundheitlichen Probleme (Rückenschmerzen), welche ihm das rückwärts gehen erschweren, solltest du keine Scheu davor haben deinen Wunsch auch durchzusetzen. Das hat nichts mit Angst machen zu tun. Du willst ihm ja keine Angst machen, du willst nur, dass er rückwärts geht. Und wenn du den Druck schnell nachlässt und lobst (kekst?), dann wird er sehr schnell begreifen was du willst.


Bezüglich "anderer Menschen" - Pferde können unglaublich gut unterscheiden mit wem sie es zu tun haben. Unsere Stallburschen müssen zügig arbeiten und können nicht immer "bitte-bitte" flöten, wenn sie im Offenstall misten müssen. Die Pferde haben sehr schnell gelernt, dass man mit diesen Leuten nicht zu diskutieren braucht. Die waren sicher nicht immer nett zu den Pferden. Aber sie wissen, wenn sie auf Aufforderung weichen, dann ist alles gut und es gibt keinen Stress. Die Pferde sind im Umgang mit den Stallburschen unglaublich brav und entspannt - weil sie die Regeln kennen und wissen, was für Konsequenzen drohen. Damit kommen Pferde in aller Regel erstaunlich gut klar. Jedenfalls besser als mit dem hin- und her aus Kuschelkurs und halbherzigen Ansagen, die viele recht weichgespülte Besis gerne an den Tag legen. Da nehme ich mich selbst überhaupt nicht aus. Ich könnte durchaus mehr Konsequenz an den Tag legen - aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls glaube ich nicht, dass dein Pferd traumatisiert wird, wenn ihm ein Mensch klipp und klar sagt, dass es rückwärts gehen soll. Vielleicht denkt er sich dabei: "Achso - das willst du? - na gut..."
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ehem User

Re: Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von ehem User »

Ich sehe das wie Kolyma:

Die eigene Energie (wichtig: die Energie muss aus der Körpermitte, aus dem 'Bauch' kommen) und nach Möglichkeit Wechsel zwischen Rückwärts und fleißigem Vorwärts, um das Rückwärts 'zackiger' zu bekommen. Da reichen jeweils ein, zwei Tritte, die man dann bald vermehren kann.

Allerdings muss das nicht heißen, dass dein Pferd es auch bei anderen flüssiger macht :nix:
Das kannst du aber nicht wirklich beeinflussen.
Beeinflussen wäre nur über die anderen Menschen möglich, d.h. wenn sie sich dabei auf dein Pferd einstellen (Energielevel, evtl. Distanzgefühl).
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Muriel
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Re: Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von Muriel »

DAs Rückwärts muss zu einer hochbestärkten Übung werden.
Wenn Du es selbst einübst, achte unbedingt darauf, dass dein Click auch in der Phase der "zurück"-Bewegung des Beins kommt, nicht wenn der Huf auf den Boden kommt. Das macht einen großen Unterschied.

Mein Fjordi war auch unglaublich zäh beim Rückwärts, was ich lange und in vielen Varianten geübt habe. Erst als ich es wirklich in vielen einzelnen Übungen innerhalb einer Session geübt habe und besonders auf die oben genannte Zurückbewegung geachtet habe vom Timing her, hat er auf einmal angefangen mir das Rückwärts frei anzubieten, und dann wurde es auch zusehends zügiger. Das freie Formen daraus hat dann den Durchbruch gebracht.

Wichtig ist dass es eine positive Übung bleibt.
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puscheltier
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Re: Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von puscheltier »

Hallo und vielen Dank, der Hinweis auf die Energie ist gut und wichtig, da kann ich definitv dran arbeiten!

Es hat sich sicherlich so eingeschlichen, weil ich mit dem langsamen rückwärts ja zufrieden war. Und ich denke schon, dass es für andere etwas einfacher wird ihn zurück zu schicken, wenn er ein zügiges rückwärts als normal ansieht und nicht dieses Schneckentempo. In seinen Augen macht er es so ja auch richtig :nix:

kolyma, ich glaube auch nicht, dass eine klare Ansage ihn traumatisiert, aber ich kenne dieses rückwärst schicken mit wildem Strick gewedel und das finde ich schrecklich. Auf soetwas bezog sich mein Kommentar. Mein Pferd ist bei sowas halt auch nicht so ganz einfach, da er dazu neigt sich loszureißen, wenns ihm zu viel wird, das heißt in so einem Fall wäre er dann weg und man selbst steht dumm da. Da ist es nicht immer einfach die Balance zu finden zwischen dem durchsetzen (nicht im negativen Sinne) was man möchte, und der eigenen Energie.

Muriel, das werde ich direkt ausprobieren, danke für den Hinweis. Das timing war mir da noch nicht so bewusst.
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kolyma
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Re: Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von kolyma »

Ich mag das Strick wedeln generell nicht. Ich nehme immer die Gerte. Die Wedel-Leute wedeln gerne vor dem Kopf rum - und Kopf ist für mich eine absolute Tabu-Zone. Ich glaube aber auch, das kann man den Leuten ggf. auch beibringen. Würde ich jemanden sehen, der meinem Pferd mit nem Propeller vor dem Gesicht rum surrt, dem würde ich schon sagen, dass ich das nicht mehr sehen will und dass sie (oder er) das Pferd auch HÖFLICH zurück schicken kann.

Ich nutze dazu auch ganz menschliche Körpersprache - also vor das Pferd stellen, groß machen, Arme ausbreiten und mit energischen Schritt das Pferd von mir weg treiben. Das verstehen Pferde - eigentlich alle Tiere - auf Anhieb.
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Reitmaus
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Re: Reaktiveres Rückwärts

Beitrag von Reitmaus »

Wir hatten eher das gegenteilige "Problem" : ich hab auch per Clicker gearbeitet, und Pony wird oft so heiss beim Clickern, dass er beim Kommando schon rückwärts durch den halben Paddock gesaust war, wo ich doch eigentlich nur 1 Schritt haben wollte. Ich finde es wichtig, dass beides klappt : je nach Aufgabe zügig, oder bedächtig tastend (z.B. beim Rückwärts aus dem Hänger möchte ich bitte, dass er langsam, tastend rückwärts geht und nicht einfach runtersaust. Rückwärts durch's "L" ebenfalls langsam, zuhörend. Wir gehen auch mal rückwärts durch Dualgassen mit quergelegtem Element in der Gasse, wo er tasten muss wo er die Füsschen heben muss. (Ich denke das hat auch gymnastischen Nutzen, obwohl langsames Tempo). Bei Bedarf soll er dann aber auch mal flüssiger rückwärts gehen, aber nicht einfach eine beliebige Strecke davonsausen, sondern nur exakt soviel Schritte wie verlangt sind. Flotter Rückwärts geht bei uns auch, nur mit der Schrittanzahl diskutieren wir zuweilen - er ist halt manchmal sehr arbeitseifrig und bietet mehr an als er soll.... Aber wie die Vorredner schon sagten : es kommt sehr auf die präzise Ausdrucksweise des Menschen an. Zusätzlich zur Körpersprache funktioniert bei uns auch die Stimmlage, die Art wie man das Kommando betont (laaang gezogen oder kurz und knackig gesprochen) zur Temposteuerung.

Was den Einsatz von Hilfsmitteln (Gerte, Strick, anderes....) angeht, so hängt das wohl auch davon ab, ob man es mit den eigenen Pferden (bzw denen mit denen man arbeitet) zu tun hat oder mit einem völlig Fremden (für Stallarbeiter sind eure Pferde ja fremd). Meine eigenen Pfered reagieren auf einatmen/ausatmen, auf Fingerzeig und auch auf rein verbale Anweisungen (wenn sie mich nicht sehen können z.B.)), aber wenn ich ein mir vollkommen fremdes Pferd im Paddock von der Pelle halten müsste, dessen Manieren ich nicht einschätzen kann, wäre ich wohl wesentlich deutlicher in meiner Ausdrucksweise.
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