Was kann es denn anrichten? Gebisslos heisst ja nicht automatisch "mechanische Hebelwirkung", und es heisst auch nicht "dünnes scharfes Seilhalfter". Es heisst für mich "gar keinen Zwang", und somit kann es auch nichts anrichten.Rennfisch hat geschrieben: ...Angesichts dessen was so ein Zaumzeug mit einer Pferdenase anrichten kann...
...
Ich hab mir den Thread nicht komplett durchgelesen, also kann sein dass es schon gesagt wurde : gebisslos heisst für mich, eine komplett andere Ausbildungsmanier. Eine Ausbildung, die stark darauf aufbaut, dass das Pferd dasselbe möchte wie der Reiter. Kein Kampf "ich will hierhin, Pferd will dorthin", und Reiter muss sich mittels Zaum "durchsetzen". Letztlich ist dieser Weg (den man sicher sowohl mit als auch ohne Gebiss gehen kann), der einzig sichere. Denn ein Pferd kann auch mit Gebiss durchgehen. Es kann vermutlich auch mit Kandare durchgehen. Aber es wird nicht durchgehen, wenn es keinen Grund dazu hat, weil es sich gut fühlt im Zusammensein mit mir.
Mein Jungpferd, jetzt 5 J, hat noch nie ein Gebiss drin gehabt. Voriges Jahr angeritten am Halfter. Kein scharfes Knotenhalfter, sondern das Geitnerhalfter mit dem dicken breiten Nasenriemen, und damit reite ich ihn derzeit immer noch.
Mein anderes Pferd, 4-j. angeritten gekauft, ist mir im ersten Jahr mit Gebiss im Gelände durchgegangen, ist mit Gebiss auf dem Platz über die Umzäunung gesprungen und auf die Weide abgehaun usw usw, - heute reite ich ihn (er ist jetzt 8 J.) am o.g. Halfter im Gelände. Er ist immer noch recht unsicher im Gelände, aber ich kann ihm dennoch voll vertrauen, weil er mir vertraut und daher mit mir "redet", weil er weiss dass ich ihn verstehe. Und wenn er beginnt, sich unbehaglich zu fühlen, sagt er mir das, anstatt unverhofft loszuschiessen. Und dann kann ich reagieren, ihm Sicherheit geben, notfalls absteigen. Würde ich ihn mit Zwang (Gebiss oder gebisslos, mit oder ohne Hebel) "kontrollieren" wollen, würde er das Vertrauen zu mir verlieren und dann wäre es für mich weitaus riskanter.
Der grundsolide Aufbau von Vertrauen und Kommunikation braucht aber viel Zeit (wir haben 3 Jahre dafür gebraucht). Per Hilfsmitteleinsatz kann man schneller erreichen, dass das Pferd tut was man will, aber es ist die riskantere Variante. Und die unschönere. Also das Hilfsmittel (Gebiss oder schärfere gebisslos-Zäumung) an sich ist nicht schlimm, sondern die Frage ob man es einsetzt und wie man es einsetzt. Und mal ehrlich : im ersten Schrecken setzt man es ein! Man riskiert mehr, weil man weiss (bzw glaubt) dass man das Pferd im Notfall ja kontrollieren kann. Hat man dagegen eine weiche sanfte Zäumung, mit der man keine "Gewalt" anwenden KANN, ist man sich von Anfang an mehr darüber bewusst, dass man seine Sicherheit auf vollkommen andere Art erarbeiten muss.
Noch was : mit 5 ist ein Pferd noch immer im Zahnwechsel und kann recht ungehalten aufs Gebiss reagieren. Vielleicht hat er auch noch Wolfszähne, ist das mal kontrolliert worden? Und noch was : wenn er dir über die Schulter wegläuft, ist das vermutlich weniger Bockigkeit als mangelnde Gymnastizierung : er kann sich noch nicht so recht biegen. Und noch was : wenn das Anhalten mit Kraft zu tun hat, ist der aktuelle Ausbildungsweg der Falsche! Massiv falsch!
Was ihr braucht, wäre eine grundsolide Ausbildung bei einem GUTEN Trainer. Nochmal zurück auf Null, Longenarbeit, Basisausbildung. Wenn er dann das Geforderte nach entsprechender Vorarbeit auch leisten kann (physisch), und er gelernt hat dass Arbeit mit dir Spass macht weil du ihn nicht überforderst, ihn viel lobst usw, wird er keine Ambitionen mehr haben, einen anderen Weg zu gehen zu wollen als der Reiter. Gebiss oder gebisslos ist wurscht, Zähne müssen in Ordnung sein, auf Zahnwechselphasen Rücksicht nehmen, und obendrein bedenken, dass Wallache bis zum 7. Lebensjahr wachsen und in den Wachstumsschüben immer mal Probleme mit ihrem Körper haben können (Unbalanciertheit, schlecht biegen können, - manche Pferde haben sogar regelrecht Wachstumsschmerzen.) Nicht immer alles gleich als Widersetzlichkeit interpretieren