Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

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Katniss
Schulpferd
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Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von Katniss »

Liebe Fories,

ich gucke krankheitsbedingt und auf der virtuellen Suche nach losgelassenen Pferden gerade eine Menge Videos.

Einige Sternstunden, manchen ok, aber ganz viel grauseliges.

Dann bin ich über diese leider qualitativ altersentsprechende Video von 1984 gestolpert und war extrem erstaunt. :staun:

http://www.youtube.com/watch?v=1qZtZHPF ... ture=share

Das führende Paar ist Klimke/Ahlerich, von denen hätte ich ja nichts anderes erwartet :-D , aber die anderen 11 Grand Prix Reiterpaare sind ebenfalls genial! So viel Leichtigkeit und entspannte Schweifhaltung auf einmal, trotz der extrem stressigen Situation mit so vielen Pferden und Reitern im Viereck eine Choreografie hinzubekommen, hat mich echt umgehauen. :ohhh:

Und KEIN Pferd geht hinter der Senkrechten. Ich habe schon angezweifelt, dass das auf diesem Niveau (von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen) mehr als idealisierte Therorie ist.

Das Video hat mich aber auch traurig gemacht. Was ist nur mit der deutschen Reiterei passiert? :cry: Nagut, international ist es auch nicht besser, aber ist das ein Trost? Wo ist denn dieses Wissen, Können und Potenzial hin?
Die Pferde werden doch angeblich immer besser, warum wird die Reiterrei dann immer schlechter? :?
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Muriel
Schulpferd
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Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von Muriel »

der Respekt vorm Pferd ist verloren gegangen. Auch verursacht durch das ständige Dominanzgequatsche. Und so werden Probleme des Pferdes, einer Anfrage oder Aufforderung nachzukommen, eben nicht hinterfragt als mangelndes Können, sondern mangelndes Wollen oder "Verarsche" - und dann gibts Senge, und dann muss man mal durchgreifen, und dann lüpt der Gaul auch wieder - siehste wohl, so geht das.

und das ist nicht fabuliert, da muss man sich nur im RF ein paar TB durchlesen. :twisted:

mit dem Eng-einstellen, das ich schon aus meiner Kindheit im Reitstall kenne (ist länger her) bekamen Menschen Mittel an die Hand, ein Pferd in Dressurhaltung zu bekommen, ohne es gut reiten zu müssen. Ahnungslose Nachahmer machen es dann halt immer schlimmer...

Die Arbeit an sich selbst und eine Reiten, das sich an den Bedürfnissen des Pferdes orientiert, ist halt langwierig und mühsam.
"Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt."
M. Twain
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A.Z.
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Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von A.Z. »

Ihr Lieben - wir möchten hier in unserem Forum den Fokus gern auf die Frage lenken "Wie geht es besser?"


Daher möchten wir euch bitten, dieses Thema nicht zum Anlass zu nehmen, euren Ärger über Missstände auszuschütten. Auch die Beantwortung der Frage, wo kommt das her, bringt unserer Ansicht nach nichts, als einen Fokus auf Negative. Es zieht einen immer mehr runter.

Daher würden wir die Frage in der Überschrift gern in eine andere Richtung lenken.


Was ist in den letzten 30 Jahren im Positivem passiert? So viele neue Ansätze haben Einzug in die Reiterei gehalten. Sucht nach den Positivbeispielen. Welcher Reiter ist nett anzusehen? Wo / womit gehts den Pferden gut? ...


:goforit:
Viele Grüße Angela

Oh Großer Geist, hilf mir, nie über einen anderen Menschen zu urteilen, bevor ich nicht zwei Wochen lang in seinen Mokassins gelaufen bin. (Lachender Fuchs, Sioux-Häuptling)

In memoriam
Traber(bilder)geschichten
ehem User

Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von ehem User »

Tut mir leid Angela, aber ich teile deine Meinung zu Katniss' Beitrag nicht. Ich finde es durchaus passend und angebracht in diesem Forum auch kritische Fragen zu diskutieren und sich konstruktiv darüber auzutauschen. Auch wurde ja kein explizites Beispiel oder Person angeprangert. Im Gegenteil ein vorbildliches Beispiel (und hier großen Dank :danke2: an dich Katniss für das schöne Video) aufgeführt. Sicherlich ist Muriels Antwort (nicht böse sein) etwas zu emotional und vielleicht auch etwas zu einseitig und einfach ausgefallen. Nichtsdestotrotz sollte jeder, sofern er niemand angreift oder verletzt, hier frei seine Meinung äußern können. Auch finde ich es nicht ok, Katniss' ihr Anliegen in eine andere Richtung lenken zu wollen, als sie es sich damit gedacht hat. Solange sie damit keine Forumsregeln verletzt, sollte ihr Wunsch nach einem konstruktiven Meinungsaustausch zu ihrem Thema respektiert werden.

Nun zu deinem Posting Katniss. Die von dir angesprochenen Problematik ist sehr vielschichtig und nicht so einfach zu beantworten und sicher nicht von einer Person in allen Bereichen und Facetten erklär- und darstellbar. Jeder kann hier nur seine Sicht auf die Dinge, sprich die Entwicklung der Dressurreiterei in den letzten Jahrzehnten, wiedergeben. Aber ein freier Meinungsautasuch ist hier ja von dir erwünscht und erbeten :)

Zum Thema Zucht. Wenn ich mir die Pferde auf dem Video so anschaue (leider ist die Qualität wirklich schlecht und auch der Schnitt häufig sehr schnell und hektisch) so denke ich, dass manche von denen heute nicht mehr zwingend auf dem Niveau auch ganz vorn plaziert werden. Und damit spiele ich nicht auf die Ausführung der Lektionen und die Durchlässigkeit an. Neben der korrekten Ausführung der Lektionen spielt eben auch die Gangmechanik/die Fähigkeit sich ausdrucksstark zu bewegen mit in die Benotung ein. Und dass ist etwas wo sich die Zucht in kurzer Zeit enorm "verbessert" hat. Ich schreibe es deswegen mit Anführungszeichen, da gut und schlecht auch immer eien Frage des Blickwinkels und der Intention, sprich des Ziels, dass man hat, ist. Züchterisch wurde viel Wert auf größere, raumgreifendere, spektakulärere, kadenziertere, ja teilweise auch "elektrischere" Bewegungen gelegt. Irgendwo musste ja auch ein Zuchtfortschritt erkenn- und messbar sein. Bei der Dressur wird nunmal Bewegung bewertet nicht Geschwindigkeit oder Höhe etc. Ob das alles aber noch von normalen Menschen anatomisch sitzbar ist, diese Frage stand, glaube ich, nie wirklich im Raum. Getreu dem überall in der Gesellschaft mittlerweile fest verankerten Hungers nach Steigerung und Wachstum, konnte doch auch hier ein scheinbarer "Stillstand" nicht das Ziel sein. Nur funktioniert Zucht auch nie nach dem Schema ein Merkmal fördern ein ungewünschtes unterdrücken. Ich beeinflusse mit Selektion und Anpaarungsentscheidung immer alle Merkmale - positiv und/oder negativ. Will ich das eine haben, muss ich andere mit in Kauf nehmen. Sensibilität, Schnelligkeit im abfußen, scheinbare tänzerische Leichtigkeit gehen meist mit einem entsprechend sensiblen Charakter einher. "Bedienfreundlichkeit" ist aber zumeist was anderes, Nervenstärke häufig leider auch.
Leider entwickelte sich parallel dazu unsere Gesellschaft weiter zu der sogenannten "Spaßgesellschaft". Es soll Spaß machen, nicht anstrenegn, schnelle Erfolge sind wichtig, genauso Prestige, unsere Wirkung nach außen und (hier wird es ganz irre) ist es einerseits total wichtig was andere von uns halten (Schein) und gleichzeitig war der Egoismus und das Ellbogendenken und das nicht annehmen der Erfahrung der Gesellschaft kaum so stark ausgeprägt und propagiert wie in den letzten 2 Jahrzehnten. Die Erfahrung/Weisheit anderer wird nicht geschätzt, können diese nicht auf spektakuläre (oder als solche dargestellte) Erfolge verweisen. Kaum einer will mehr den harten steinigen Weg gehen (Ja, ich weiß ich verallgemeinere, aber grob gesehen ist es so). Egal in welcher Sparte, der Kunde ist König und wer im Wettkampf Kunden behalten will, muss was bieten und auch selbstgefällig sein.

Und damit sind wir beim zweiten Teil deiner Frage, die Ausbildung der Reiter. Auch hier gibts kein schwarz/weiß - ja und nein. Einerseits gibt es heute auch für "Lieschen Müller" rein theoretisch die Möglichkeit eine gute, pferdeschonende und nachhaltige Reitausbildung zu erfahren, andererseits ist das Niveau in der Breite gesunken. Aber eben auch eine Breite, die es früher (zumindest hier im Osten) so nicht gab. Eben weil hartes Training und an sich selber arbeiten kaum noch erwünscht bzw. aus Mangel an Kundschaft nachgefragt wird. Sicher verhilft auch Konkurrenz und Masseninformation via der nicht mehr ganz so neuen Medien zu Verbesserungen und zwingt alte/schlechte Ausbilder zur Aufgabe oder zum Umdenken. Aber es gebiert eben auch die andere negative Seite des schnell-schnell und billig-billig.

Ich bin mir sicher, dass es auch heute noch möglich ist 12 Reiter auf Grand Prix Niveau zusammen zu bekommen, welche durchlässige Pferd unter diesen Bedingungen vorstellen können. Ob so homogen vom Pferdematerial her, ist ein anderes Thema. Es kann nur durchaus sein, dass sich unter den Zwölf nicht unbedingt die Spitze des Worldrankings befindet. Es gibt zum Glück immer noch "alte" (vom Gedanken, nicht vom biologischen Alter) Trainer, welche die Tugenden der deutschen Reitausbildung hochhalten und sich trotzdem dem neuen Denken nicht verschließne. Doch a) diese zu findne ist nicht einfach und b) sind sie auch nur Menschen und können auch nur eine begrenzet Anzahl an Schülern betreuen.

Solange aber auf den Turnieren spektakuläre Tritte hochbenotet und verspannte, unzufriedene Pferde und unbequm sitzende Reiter nicht abgestraft werden, wird sich da nichts verändern. Man brauch nunmal mit einem durchlässigen korrekt geritten Pferd nicht mit vorderen Platzierungen rechnen, wenn die Bewegung "nur" Durchschnitt entspricht. Wie oft habe ich schon auf Auktionen in den Vorbereitungshallen die potentiellen Käufer ihre auserwählten Auktionspferde probereiten sehen. Keiner konnte eines der Pferde sitzen, aber anstatt leichtzutraben wurde sich im Zügel festgehalten und der Wurf des Pferderückens ignoriert. Mein Rücken würde mir das keine drei Schritte erlauben. Eigentlich ist es traurig, für einen selbstfabrizierten Schein quälen sich die Reiter und ihre Pferde.
Das umdenken muss weiter oben ansetzen. Den Züchtern allein den schwarzen Peter zuzuschieben ist zu kurz gedacht. Sie müssen davon leben. Von der Zucht für den Freizeitsektor kann kaum ein Züchter leben. Wer will den heut noch 6000 € für einen angerittenen 4jährigen ausgeben? Und da ist noch kein Gewinn für den Züchter dabei. Auch die so viel gescholtenen Richter sind nicht allein am Dilemma schuld. Unliebsame (streng wertende) Richter werden schon mal von den Veranstaltern nicht mehr für Prüfungen benannt. Zu groß ist der Druck den die Veranstalter von den Reitern erfahren, wenn dieser oder jener Richter auf der Nennung benannt wird( ja, da gibt es jetzt ein paar Regeländerungen, aber auch nicht in allen Kategorien). Und ohne Starter keine Veranstaltung. Oder was ist denn nur wenn solche Kommentare kommen: "Das Pferd hat 12.000€ gekostet, wieso ist meine Tochter nicht vorn platziert?" Und selbst diesen Eltern / Reitern kann man nicht die alleinige Schuld geben, wenn ihnen die Verkäufer und/oder Trainer (die "Fachwelt" an sich) suggeriert, das mit dem "richtigen" Pferd alles wie von selbst geht. Komisch nur, das immer nur einer gewinnen kann! Aber auch die Trainer stecken in dem Teufelskreis drin, müssen sie sich doch den Wünschen (nach schneller, besser) der Kunden beugen, wollen sie überleben. Nur wenige Trainer sind in der glücklichen Lage sich ihr Kundschaft aussuchen zu können. Ach ja, die Medien hätte ich fast vergessen. Bei Großveranstaltungen geht es um viel Geld. Gerade die Dressur hat immer mit dem Image - langweilig und nicht durchschaubar für den Laien - zu kämpfen - Spektakel, Spaktakel, das ist das was nachgefragt und bezahlt wird, also wird es auch gefordert. Auch sind das Wissen und die Möglichkeiten was man alles mit seiner (immer noch ganauso wenigen) Zeit anstellen kannn so enorm gewachsen, dass sich ein beschränken/ein vertiefen in nur wenige Dinge kaum noch jemand leistet. Nur gehört zum Sport mit dem Partner Pferd eben mehr als Technik. Das Wissen um die Biologie um die Bedürfnisse des Lebewesens Pferd, dafür ist kaum noch Zeit.

Tja, es ist ein Teufelskreis, der sich noch um weiter Beteiligte fortsetzen lässt. Nur einen Schuldigen gibt es nicht. Und das Problem ist auch nicht nur an einer Stelle auftröselbar. Im Kleinen kann jeder für sich entscheiden was er sich und seinem Pferd gegenüber verantworten kann. Im Großen hilft nur die Unterstützung anderer Konzepte und konstruktiv, nicht reißerisch, das Gespräch zu suchen. Doch solange die Gesellschaft an sich nicht nachhaltiger (Abmilderung des ewigen Hypes nach Wachstum) wird, ist es schwer schnelle Änderungen herbeizuführen.

@ Katniss, ich merke gerade, es ist unheimlich schwer, dass hier in dem kleinen rahmen das Thema genügend ausführlich und klar zu diskutieren. Aber vielleicht taugen meine Gedanken trotzdem als kleiner Ansatz zu deiner Fragestellung.
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Schnucke
Pegasus
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Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von Schnucke »

Danke Schimmelin für diesen tollen Beitrag. Wobei ich dir in Punkto Zucht nicht ganz zustimmen kann, die besagten Auktionspferde sind nicht reell geritten und somit werfen sie auch dementsprechend. Ein gut gerittenes modernes WB kann man auch sitzen, ich habe selber so ein Schwingmonster und ich find den Sitzkomfort grandios. Wobei ich dir zustimmen muß man muß Sitzen können, sich also auf den harten Weg des Reiten lernens begeben. Charakterlich sind die meisten moderne WB´s vollkommen klar in der Birne, wenn man sie denn auch normal behandelt, füttert und ihnen ein artgerechtes Leben ermöglicht.
Keine Stunde im Leben, die man im Sattel verbringt, ist Verloren (Sir Winston Churchill)

Form und Farbe
ehem User

Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von ehem User »

Danke
Schnucke hat geschrieben: Charakterlich sind die meisten moderne WB´s vollkommen klar in der Birne, wenn man sie denn auch normal behandelt, füttert und ihnen ein artgerechtes Leben ermöglicht.
Genauso sehe ich das auch :five: nur werden die Spitzenpferde leider in den wenigsten Fällen optimal gehalten und gearbeitet.
Einmal verspannt ist so ein schwungvolles Pferd kaum noch zu sitzen, da machen es einem die weniger "begabten" Pferde schon leichter. Ich gebe dir aber recht, ein lockeres Bewegungswunder mit einem genauso lockerem Reiter obendrauf ist wie schweben :cloud9:
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Katniss
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Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von Katniss »

Hallo Schimmelin,

danke für diesen tollen und ausführlichen Beitrag.

Ich muss Dir wirklich in allen Punkten recht geben. Den Züchtern würde ich den schwarzen Peter da auch nicht zuschieben. Sie haben ja auch echt etwas geleistet. Nur die Ausbildung von Pferd und Reiter scheint immer schlechter zu werden. Dabei gibt es doch so tolle Ansätze wie CR usw.

Für mich sind allerdings auch die Verbände/Richter das Problem. Wenn schlechtes reiten honoriert wird, dann wird das nicht ohne Folgen bleiben. Wenn so etwas streng geahndet würde, würden diese Reiter ja gar nicht mehr so weit kommen.
Aber wer will schon etwas daran ändern :? die Pferde können es ja nicht.
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Equester
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Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von Equester »

Schimmelin, Dein Beitrag ist klasse :-d auch wenn ich jetzt nicht zu 100% zustimme, bzw. ein Aspekt mir auch noch völlig fehlt.

30 Jahre sind eine unglaublich lange Zeit und wenn ich einen Film von vor 30 Jahren und einen von heute angucke, finde ich die Veränderung dramatisch. Aber Veränderungen passieren selten wirklich dramatisch, es ist oft ein schleichender, von uns unbemerkter Prozess. In den letzten 30 Jahren hat sich eine Menge im Reitsport getan, Gutes wie auch Schlechtes. Western Reiten war in meiner Kindheit etwas aus amerikanischen Filmen, ganz sicher in Deutschland kein Breitensport und in den Reitschulen herrschte oft ein rauher Ton, den sich heute so schnell kein Reitschüler mehr gefallen lassen wird. Wir haben ein anderes - aus Sicht vor 30 Jahren - modernes Gefühl für uns selber entwickelt und wir wollen etwas für unser Geld und der breiten Mittelschicht (die den größte Anteil im Reitsport ausfüllen) ging es noch nie so gut.

Genauso hat sich der Blickwinkel für "schönes Reiten" entwickelt und der moderne Zeitgeist, der - auch dank Werbung - immer suggeriert, dass nur schneller, höher, weiter das erklärte Ziel sein soll. Dabei bleibt aber oft nicht nur das Pferd als "Sportgerät" auf der Strecke, sondern auch der Mensch, der durch solchen Druck zu einem "Gerät" degradiert wird, um in der Masse zu bestehen und Erfolg zu haben.

Wie Schimmelin schon geschrieben hat, ist nie nur einer Schuld, es ist eher das Zusammentreffen von Wünschen, Vorstellungen, dem eigenen Wertgefühl, gesellschaftlich anerkanntem Verhalten und nicht zuletzt die Sucht nach Erfolg und Anerkennung. Hier in diesem Forum sind zwar viele "Exoten" versammelt, aber wenn jeder ganz ehrlich zu sich selber ist, ist niemand frei davon, dass er irgendwo in seinem Leben Erfolg haben möchte und es gibt nicht wenige, die sich hier als Betätigungsfeld den Reitsport ausgesucht haben. Leider kann man heute alles kaufen und ein wenig hat sich in den Köpfen festgesetzt, dass man alles schnell bekommen kann,.....irgendwie. Der Reitsport bildet da keine Ausnahme, genauso wie z.B. die Hundezucht (die auch manchmal üble Blüten treibt).

Wenn wir jetzt noch mal auf die Veränderung auf Turnierplätzen gucken, dann wurde nicht gestern ein Pferd sauber geritten und heute wird es der Rollkur unterworfen. Irgendwann fing jemand damit an, da war es bestimmt noch nicht so schlimm, derjenige hatte Erfolg, andere wollten den auch, haben es nachgemacht und vielleicht ein wenig mehr, man wollte ja besser sein :nix: . Das war ein Prozess über Jahre und irgendwann dachte der Nachwuchs, dass das richtiges Reiten ist und es so sein muss.

Neue Strömungen in der Ausbildung von Pferden wurden publik und die Masse hat es nachgemacht. War Western Reiten früher das Synonym für freundliches Reiten, so kann ich das heute auf den hochdotierten Turnieren nirgends mehr finden. Ein sehr angesehener Westerntrainer hat mal zu mir gesagt, wenn Du in dem Sport Erfolg haben willst, und ich rede hier von viel Geld, dann muss Dir das Pferd irgendwann egal sein. Entweder, Du kriegst das gebacken, oder Du steigst aus :nix: .

Es gibt neue Methoden in der Bodenarbeit, war der Grundgedanke wirklich gut gemeint, so findet man oft Mutationen davon wieder, die mit NHS nicht mal mehr im Ansatz etwas zu tun haben (das ist jetzt meine Meinung, aus meinen Erfahrungen) . Das war auch keine Entwicklung, die über Nacht kam, sondern wieder dieses Streben besser als der Andere zu sein.

Und wieder befinden wir uns in einem Entwicklungsprozess. Hat man früher nicht darüber nachgedacht, ob das Pferd mit der oder der Trainingsmethode wirklich glücklich ist, so gibt es heute nicht wenige Pferdebesitzer, die ihrem Pferd absolutes Mitspracherecht einräumen. Das führt nicht selten dazu, dass diese Pferde unhändelbar und teilweise für den Menschen sogar gefährlich geworden sind. Ob das nun wirklich besser ist, muss jeder für sich beurteilen. Aber auch diese Entwicklung ist nicht über Nacht gekommen, sondern hat etwas mit Umdenken, Informationsflut und der eigenen Einstellung zur Umwelt zu tun.

Ich möchte hier nichts schön reden und ich will auch niemanden verurteilen, aber ich möchte zu bedenken geben, dass die schleichenden Vorgänge oft den Blick trüben. Es liegt immer an mir, dass ich mir meinen wachen Blick bewahre und immer hinterfrage, ob das, was ich gerade mit meinem Pferd mache, wirklich gut ist. Jeder hat ein Bewußtsein in sich, das sehr genau Rückmeldung gibt, ob das, was ich gerade mache, wirklich so super ist, wie es vielleicht gerade modern ist und es liegt an mir, dass ich bei schlechter Rückmeldung von mir selber, etwas ändere. Wenn ich daran denke, was ich vor 10 Jahren noch toll fand, was ich da mit meine Pferd gemacht habe, ich würde heute für einige Aktionen kein Wort mehr mit mir sprechen :shy: und ich rede hier nicht mal von Turniererfolgen ;) .
wir machen aus :hm: ein :dafuer2:
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Sheitana
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Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von Sheitana »

Schimmelin hat geschrieben:Tut mir leid Angela, aber ich teile deine Meinung zu Katniss' Beitrag nicht. Ich finde es durchaus passend und angebracht in diesem Forum auch kritische Fragen zu diskutieren und sich konstruktiv darüber auzutauschen. Auch wurde ja kein explizites Beispiel oder Person angeprangert. Im Gegenteil ein vorbildliches Beispiel (und hier großen Dank :danke2: an dich Katniss für das schöne Video) aufgeführt. Sicherlich ist Muriels Antwort (nicht böse sein) etwas zu emotional und vielleicht auch etwas zu einseitig und einfach ausgefallen. Nichtsdestotrotz sollte jeder, sofern er niemand angreift oder verletzt, hier frei seine Meinung äußern können. Auch finde ich es nicht ok, Katniss' ihr Anliegen in eine andere Richtung lenken zu wollen, als sie es sich damit gedacht hat. Solange sie damit keine Forumsregeln verletzt, sollte ihr Wunsch nach einem konstruktiven Meinungsaustausch zu ihrem Thema respektiert werden.
Ich finde es toll, wie ihr bisher hier diskutiert... :gut:
So dürft ihr gerne weiter machen, da hat niemand was dagegen.
Wir wollten nur von Anfang an vermeiden dass es eine "ach es ist alles so schlecht heute"-Diskussion wird. ;) Was ja nun durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre.

Also: Weiter mit euren tollen Beiträgen.. :-D
ehem User

Re: Was ist in den letzen 30 Jahren nur passiert?

Beitrag von ehem User »

Vielen Dank liebe Katniss für dieses tolle Video!
Es ist wirklich toll, so viele so harmonische Pferd-Reiter-Paare zusammen zu sehen.
Ich schließe mich dem Beitrag von Schimmelin vollkommen an - super toll geschrieben!
Ich denke auch, dass eine solche Quadrille möglich ist, allerdings würde da wohl kaum ein Pferd noch in dem Gebäude-Typ vorkommen. Auch hat Schimmelin recht, dass dann nicht die Weltspitze mitreiten würde - denn schließlich wollen wir keine Roll-Kur!
Mich würde aber interessieren, wer eurer Meinung nach heutzutage in solch einer Quadrille mitreiten könnte?
Welches Pferd-Reiter-Paar macht einen zumindest ähnlichen harmonischen Eindruck und sollte aufgrunddessen "hervorgehoben" werden?
Also ich sehe sehr gerne Heike Kemmer und Bonaparte. Für mich sind sie eine Einheit, es macht Spaß ihnen zuzusehen. :-D
Und wer dürfte sonst noch teilnehmen? ;)
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