Unterschied Dressur - klassische Dresssur

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sacramoso
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Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von sacramoso »

Hallo alle zusammen,

ich habe hier ein Thema, das mich seit einiger Zeit beschäftigt und mich würden eure Meinungen dazu interessieren:

Grundsätzlich habe ich ganz normal englisch Reiten gelernt und bin auch seit Jahren so unterwegs, mit dem Schwerpunkt Dressurreiten. Vor ca einem Jahr habe ich angefangen mich mit klassischer Dressur zu beschäftigen und neben Literatur auch Vorträge und Seminare dazu besucht, sowie meinen letzten Urlaub in einem "klassischen" Dressurstall verbracht.

Dabei habe ich mittlerweile das Gefühl, daß eigentlich jeder mehr oder weniger für sich selbst definiert, was er als "klassische Dressur" bezeichnet.

Wie seht ihr das? Gibt es eine klare Definition von "klassischer Dressur"? Was bedeutet für euch "klassisch" und wo seht ihr die Unterschiede zum herkömmlichen englischen Reiten? :kratz:

Ich freue mich auf eure Beiträge

Grüße
Sacramoso
Als Gott erfuhr daß Reiten nur für die Besten ist erschuf er noch Fußball :dance1:
ehem User

Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von ehem User »

Guten Abend Sacramoso :knicks:

ich bin Englischreiterin mit Westernsattel, reite ausser im Schritt nur im Entlastungssitz (mein Rücken...) und nehme für mich in Anspruch, das ich nach Klassischen Grundsätzen reite.

Das bedeutet für mich:
:trab: Gesundheit und Wohlergehen des Pferdes stehen für mich an erster Stelle!
:trab: Ich respektiere mein Pferd mit seinen ureigensten Eigenschaften als Flucht- Herdentier!
:trab: Ich weiss die Grundlagen um Anatomie, Physiologie und Biomechanik, die Grundvoraussetzung für pferdegerechte Ausbildung sind!
:trab: Die klassische Dressur - ich nenne es lieber Gymnastizierung - dient der Gesunderhaltung des Pferdes!
:trab: "Klassisch" ist eine Philosophie bei der Arbeit mit den Pferden und hat nichts mit Reitweisen zu tun!

Wie schon geschrieben - das ist meine persönliche Interpretation von "Klassischem Reiten" :-D
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Hina_DK
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Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von Hina_DK »

Für klassische Dressur gibt es keine konkrete Definition, da das einfach ein großes Spektrum der verschiedenen Stile ist. Ihre Blüte hatte die klassische Dressur eigentlich als höfisch-barocke Reitweise.

Auch die Englische Reitweise ist ein weitumfassender Begriff, der eigentlich nur zur Abgrenzung zur klassischen und anderen Reitweisen verwendet wird. Im allgemenen lernt man in den üblichen Reitschulen die FN-Reitweise.

Wenn man mal die ganz groben Unterschiede herausarbeiten will, so wird in der englischen Reitweise in der Regel auf Trense in ständiger Anlehnung und mehr oder weniger ständigem Schenkelkontakt/-hilfe geritten, in der klassichen Reitweise einhändig auf Kandare ohne Anlehnung und in Versammlung. Die Hilfen sollten fast unsichtbar vor allem auch durch Sitz und Gewichtsverlagerung und mit dem Schenkel eher impulsartig gegeben werden.

Aber in allen Reitweisen gibt es so unterschiedliche Richtungen, dass es eigentlich kaum möglich ist, sie ganz konkret zu definieren. Zudem vermischen sich die Elemente der Reitweisen in vielen Punkten auch, da sich letztendlich auch die englische Reitweise auch aus der klassischen Reitweise entwickelt hat.

Ich selbst habe auch englisch reiten gelernt, mich aber nun auch Richtung klassische Dressur orientiert. Letztendlich reite ich aber eher eine Mischung aus beiden. Für mich ist der wichtigste Punkt, dass die klassische Dressur mehr auf die Biomechanik des Pferdes und entsprechende Gymnastizierung eingeht und in erster Linie auf die Gesunderhaltung des Pferdes orientiert ist, während die englische Reitweise vor allem eine sportliche Orientierung hat und mehr die Leistung im Vordergrund steht.
Viele Grüße
Hina

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sacramoso
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Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von sacramoso »

Hina_DK hat geschrieben:Ich selbst habe auch englisch reiten gelernt, mich aber nun auch Richtung klassische Dressur orientiert. Letztendlich reite ich aber eher eine Mischung aus beiden. Für mich ist der wichtigste Punkt, dass die klassische Dressur mehr auf die Biomechanik des Pferdes und entsprechende Gymnastizierung eingeht und in erster Linie auf die Gesunderhaltung des Pferdes orientiert ist, während die englische Reitweise vor allem eine sportliche Orientierung hat und mehr die Leistung im Vordergrund steht.
Hallo Hina,

vor allem dein letzter Satz trifft denke ich grade den Punkt bei mir. Interessanter Weise begann mein Interesse an der klassischen Dressur ziemlich zeitgleich mit dem Erlahmen meines Interesses am Turniersport.
Vielleicht sollte ich die Trennlinie mehr zur modernen Sportreiterei ziehen , speziell zu den Ansichten der FN. Da bin ich mit vielem nicht einverstanden was ich unter der Rubrik klassische Dressur deutlich besser finde. Wenn ich allerdings ein paar Jahrzehnte zurück gehe schwinden die Unterschiede immer mehr. Ein Beispiel: das Buch "Der Reiter formt das Pferd" (Ersterscheinung 1939) hat mir sehr geholfen die anatomischen Zusammenhänge zu sehen und zu verstehen wie Reiten funktionieren sollte.
Die Unterschiede zu manchem Buch das klassische Dressur behandelt sind da nicht groß.

Eigentlich hab ich ziemliches Glück gehabt, ich habe einen ungarischen Reitlehrer (bei ihm lerne ich seit über 10 Jahren) und auch wenn er es selbst nie als klassisch bezeichnen würde unterrichtet er genau genommen stark in diese Richtung:
Gymnastizierung des Pferdes, Pferd soll in Selbsthaltung gehen, kein permanenter Schenkel, etc..

Vielleicht kommen ja noch ein paar weitere Meinungen von euch dazu?

Grüße
Sacramoso
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ehem User

Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von ehem User »

Auch Sportreiter arbeiten nach klassischen Grundsätzen - wie z.B. Ingrid Klimke, Uta Gräf, Hubertus Schmid - um ein paar zu nennen...

Der Unterschied liegt meiner Meinung nicht im Sportreiter-Freizeitreiterbereich, sondern einzig in der Einstellung dem Pferd gegen über verbunden mit schlechten Beratern, Ausbildern und Unwissenheit.
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sacramoso
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Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von sacramoso »

Hi Wonder,

ich ziehe die Trennlinie auch mehr zu dem was die FN derzeit so von sich gibt und was dann so leider auch im Sport praktiziert wird. (Zum Glück nicht von allen, Ingrid Klimke ist für mich ein Positiv Beispiel)
Aber wenn zB. von seiten der FN die Rollkur zulässig ist und ich mir überlege was ich auf Turnieren, speziell auf Abreiteplätzen so sehe, dann befindet sich der Reitsport meines Erachtens derzeit auf dem Holzweg.

Die Partnerschaft mit dem Pferd geht da leider oft verloren...
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ehem User

Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von ehem User »

ich geb manuela recht. die deutsche reitweise im sinn der HDV12 ist klassisch, im prinzip. genauso klassisch wie die ecole de legerete

leider fehlt ihr heutzutage ein entsprechend streitbarer und unnachgiebiger verfechter wie PK.

uta gräf finde ich vorbildlich, aber sie ist halt nicht so präsent dabei, misstände anzuprangern. was durchaus sympathisch ist, sie ist halt leises vorbild. ich denke aber, es braucht jemanden wie sie, um weiterhin den finger auf die missstände im dressursport zu legen.
vielleicht, wenn sie ihre aktive zeit beendet :frech:
ehem User

Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von ehem User »

sacramoso hat geschrieben: ... ich mir überlege was ich auf Turnieren, speziell auf Abreiteplätzen so sehe, dann befindet sich der Reitsport meines Erachtens derzeit auf dem Holzweg.
...Nicht nur der ReitSPORT! Ich sehe das "tagtäglich" in jedem Freizeitreiterstall - alles pferdefreundliche Reiter, nette Menschen, die mit ihern Tieren keine Turniere gehen möchten, nur Spaß haben wollen, ins Gelände gehen; ab und an longieren (zentrifugieren ohne Hilfszügel, dafür mit Longe in der Trense eingehängt; wo doch das Maul fein und empfindlich ist und bleiben soll...) und manchmal aufn Platz :shock: ...

Die Partnerschaft mit dem Pferd geht da leider oft verloren...
...Das ist richtig! Dem ist nichts hinzuzufügen... :-ü
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Hina_DK
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Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von Hina_DK »

Die klassische Reiterei war ja ursprünglich auch der Ausgangspunkt der englischen Reiterei. Insofern nicht verwunderlich, wenn da, je weiter man zurück geht, auch noch viel mehr nach klassischen Grundsätzen gearbeitet wurde, als es in der modernen Sportreiterei zu sehen ist. Aber es gibt noch einen weiteren Unterschied. Die englische Reitweise umfasst ja nicht nur die Dressur. Sie ist viel weitgefächerter, als die klassische Reitweise. Das ganze Springreiten, Jagdreiten, Distanzreiten usw. ist in sofern nicht Bestandteil der klassischen Reitweise, wohl aber der englischen. Da ich mich nicht nur auf dem Platz tummel, sondern auch im Gelände und dort nicht mein Schwerpunkt die Elemente der klassischen Reitweise sind, ist es für mich eben auch eine Mischung aus beiden Reitweisen, die ich mache.

Soviel ich weiß, ordnet sich PK selbst nicht als Vertreter der klassischen Reitweise ein, auch wenn in seiner Reitweise ganz klar viele Elemente der klassischen Reitweise zu finden sind. Die sind aber auch in sämtlichen anderen Reitweisen mehr oder weniger stark zu finden. Die Légèreté ist doch noch mal eine recht spezifische eigenständige Reitweise. Korrigiert mich aber so viel ich weiß, hat PK vor allem Elemente der klassischen Reitweise mit der französischen Militärreitweise verbunden und natürlich weiterentwickelt.

BB ist dagegen ein Vertreter, der die barocke und die iberische Reitweise miteinander verbunden und nach modernen Gesichtspunkten weiterentwickelt hat und ist damit eher ein sehr deutlicher Vertreter der klassischen Reitweise.
Viele Grüße
Hina

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ehem User

Re: Unterschied Dressur - klassische Dresssur

Beitrag von ehem User »

hier geht es ja um den unterschied dressur-klassische dressur, deshalb spar ich mir jetzt, über PK zu schreiben.

klassisch ist irgendwie das attribut, das sich gemeinhin alle anheften.
klassische dressur ist keine reitweise.
im sinne der HdV12 oder der ecole de legerete, denen jeweils kavalleriereitweisen zugrundeliegen, ist die dressur ein teil der ausbidung, der dem zweck dient, ein rittiges, sich gesunderhaltend unter dem reiter bewegendes pferd zu bekommen. ein pferd, was als kavalleriepferd letzlich vor allem im gelände geritten wurde.
auf die heutige zeit übertragen, würden dieselben klassischen grundsätze immer noch dazu dienen, ein dressur-, spring-, oder vielseitigkeitspferd auszubilden.

leider hat aber der sport andere triebfedern als die kavallerie.

in der kavalleriezeit musste ein pferd lange gesund bleiben, es war nicht trivial, genug pferde zu rekrutieren und soweit auszubilden, dass sie die von ihnen geforderten leistungen körperlich und geistig erbringen konnten.
die pferde waren wertvoll und wert erhalten zu werden. deshalb hat man möglichst keine unter 7 oder 8 jährigen rekrutiert, wenn genug ältere da waren. man hat die pferde nicht 3 jährig schon voll belastet - sie galten 2 jahre lang als remonten und wurden noch mit 4 als fohlen bezeichnet. das ist schon bemerkenswert, wenn man überlegt, was heute zT 3 jährigen abverlangt wird - und heute wrdest du in den meisten ställen ausgelacht, wenn du ein 4jähriges pferd als fohlen betiteln würdest. es geht ja nicht mal darum, ob man die pferd nun mit 3 oder 4 anreitet. sondern es geht um dieses bewusstsein der alten offiziere, dass ein 4 jähriges pferd eben noch ein kind ist. das ist heute überhaupt nicht vorhanden.

heute gibt es unglaubich viele pferde, die so gezogen sind, dass sie scheinbar schon alles mitbringen. sie sollen schnell, mit wenig aufwand turniererfolge bringen.
in der dressur treibt die perversion der klassischen reitweise grade deshalb blüten, weil es möglich ist, sich mehr auf die zucht als auf die ausbildung zu verlassen.
mit einem vielseitigkeitspferd geht das nicht. egal wie talentiert ein pferd ist - für die vielseitigkeit muss es wirklich systematisch aufgebaut werden, das nimmt dir auch kein zuchterfolg der welt ab.
in der dressur dagegen scheint der zuchterfolg einen enormen zeitvorsprung in der ausbildung zu verheißen.

dass das ein trugschluss ist, sieht man an den statistiken, die sagen, dass dressurpferde in der regel nur 4 jahre sporttauglich sind.

dummerweise scheint es sich finanziell immer noch mehr zu lohnen, die pferde schnell turnierreif (3jährig), und schnell kaputt zu machen - schließluch steht die nächste generation schon am markt :seufz:


klassische dressur gibt es nicht. es gibt barocke dressur, es gibt western dressur, es gibt die dressur aus den kavallerie-reitweisen, die elemente der barocken dressur weiterführt, aber mit einem anderen zielbild von pferd.
alle unterschieden sich eben ein bisschen, je nachdem, wofür das pferd am ende dienen soll - und für die jeweiliigen zwecke hat es auch immer die passende zuchtrichtung gegeben.
klassisch bezieht sich letztenendes auf ein musterbeispiel, auf das man sich geeinigt hat.
deshalb ist klassisch für einen westernreiter was anderes als für einen barockreiter als für einen reiter, der sich in der englischen/deutschen/französischen ex-kavalleriereitweise aufhält.

um es mal konkret zu machen am beispiel klassische kavalleriereitweise - moderne sportreierei
in der klassischen reitweise
- gab es keine sättel mit fetten pauschen, die den reiter fixierten,
- es gab keine hände auf den oberschenkeln,
- dem sitzenlernen wurde sehr viel mehr zeit gewidmet (soldaten konnte man eben auch so rumkommandieren, die mussten dann 'gewandtheitsübungen am lebenden pferd' turnen, heute bezahlt der schüler den lehrer und der lehrer muss sich zwangsläufig den wünschen des schülers anpassen. das hat vor und nachteile )
- es gab eine remontenzeit, und die menschen waren sich der jugend eines 4-6 jährigen pferdes stärker bewusst
- es gab keine zugeknallten sperriemen
- es gab durchaus ausbinder, aber man hat sie erst eingesetzt, wenn das pferd bereits ausbalanciert lief
- es ging nicht um die dressur zum selbstzweck, sondern sie diente pferd und reiter zur jeweiligen sicherheit

nicht alles, von dem, was seinerzeit usus war, würden wir heute nett finden. aber wir ziehen halt auch nicht mit unseren pferden in den krieg.
sorry, etwas wirrer roman...
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